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Krankenkassen wollen Zugriff auf den Praxis-PC

Autor: Professor Dr. Klaus-Dieter Kossow

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Professor Dr. Klaus-Dieter Kossw warnt: Die geplante GKV-Schnittstelle bedroht auch die KV-Abrechnung.

Wer die Straßen eines Landes kontrolliert, hat dort die Macht, auch wenn er für deren Benutzung keine Gebühr erhebt. Dies gilt ebenso für die Datenautobahnen im deutschen Gesundheitswesen. Machtinteressen der Krankenkassen dürften der wesentliche Grund für die Planung der sog. gevko-Schnittstelle durch eine AOK-Arbeitsgemeinschaft (ohne Baden-Württemberg und Saar) gewesen sein.

Das Kürzel gevko steht für „Gesundheit, Versorgung, Kommunikation“. Unter dieser Marke machte der AOK-Bundesverband Mitte 2011 seine Initiative publik. „Die AOK will die praktische Umsetzung von Verträgen zwischen Krankenkassen, Ärzten und anderen Leistungserbringern schneller, einfacher und kostengünstiger gestalten“, heißt es.

Arztrechner direkt an die Krankenkasse angebunden

Die kostenfrei zur Verfügung gestellte Schnittstelle ermöglicht es, sowohl KV-Kollektivverträge als auch Selektivverträge direkt mit der Krankenkasse abzurechnen, indem die dafür erforderlichen Daten der Ärzte in die GKV-Rechner übertragen werden.

Bisher galt bei KV-Verträgen als auch bei Medi und Hausärzteverband der Grundsatz, dass die Speicherung von Patientendaten und deren Verarbeitung durch die Ärzteseite erfolgt. Durch die gevko-Schnittstelle ginge die Datenhoheit samt Gestaltung der Übertragungswege voll an die Krankenkassen über. Eine Arztpraxis würde noch besser durchleuchtbar, als sie es schon ist. Der Arzt wäre als Kassenarzt direkt an die Krankenkasse angebunden, in deren Computer der Inhalt der Praxis-EDV gespiegelt werden würde. Die KV wäre überflüssig.

Letzteres hat auch KBV-Chef Dr. Andreas Köhler gemerkt, der die neue Schnittstelle im Gegensatz zu einigen KV-Vorsitzenden ebenso kritisch sieht wie der Chef der Haus­ärzte, Ulrich Weigeldt, der sie für einen „Kassentrojaner“ hält.

Es lässt aufhorchen, wenn zwei ansonsten nicht gerade dick befreundete Repräsentanten der Ärzteschaft bei der IT-Politik der Krankenkassen einer Meinung sind. Hier handelt es sich offensichtlich um eine massive Beeinträchtigung von Patienten- und Ärzteinteressen.

Logisch ist: Wer die E-Card ablehnt, der kann die Schnittstelle nicht befürworten. Zudem wollen die Krankenkassen die Schnittstelle auch bei Vertragskonflikten (beim Hausarztvertrag in Bremen) auf Biegen und Brechen durchsetzen.

Druck erzeugt Gegendruck

Doch es baut sich Gegendruck auf: Es gibt Stimmen, die die Einführung der gevko-Schnittstelle um drei Jahre verzögern wollen, obwohl II/2012 als Testquartal geplant war.

Und wie wird sich der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Dr. Thilo Weichert positionieren? Schließlich ist es kaum vorstellbar, dass eine Spiegelung der Daten des Praxiscomputers im AOK-Rechner ohne Verschlüsselung mit dem Datenschutzrecht vereinbar ist. Die Krankenkassen haben einen zweistelligen Millionenbetrag in die Schnittstelle investiert. Es ist die Gründung einer GmbH geplant, die die Entwicklungsarbeiten fortführen soll. Ein Teil der KVen schwenkt meines Erachtens fahrlässig auf die gevko-Linie der Krankenkassen ein.

Schnittstelle verusacht mehrkosten - wer trägt sie?

Für die Ärzte ist die Schnittstelle mit Mehrkosten verbunden – zwar nicht für diese selbst, wohl aber für die Anpassung der Praxissoftware. Im Klartext: Die Kosten für die Praxissoftware werden steigen oder sie werden von der KV übernommen – auch wenn diese sich selbst abschafft, sobald die Krankenkassen mithilfe ihrer Schnittstelle das Patientenmanagement selbst erledigen.

Daten für das Fallmanagement können in der Praxis angefordert und gelieferte Daten im Krankenkassencomputer z.B. für Zwecke der Wirtschaftlichkeits- und Qualitätskontrolle bearbeitet werden.

Von GKV-Vertretern ist immer wieder geltend gemacht worden, dass sie Arztinformationssysteme dominieren wollen, beispielsweise um das Verordnungsverhalten zu steuern und dort Standards zu setzen. Die Kassen können nach Einführung der Schnittstelle auch jederzeit die Direktabrechnung mit einer Praxis unter Umgehung von KV, Hausärzteverband und Medi starten.

Die einzelnen Ärzte werden unmittelbar den Kassen ausgeliefert, weil diese die Umsetzung der Verträge monopolartig kontrollieren.

Hausärztliche Vertragsgemeinschaft, Medi sowie die KVen von Bay­ern, Baden-Württemberg, Hessen und Mecklenburg-Vorpommern haben sich gegen die Schnittstellenpolitik der Kassen ausgesprochen. Aus gut informierten Kreisen verlautet, dass sich KBV-Chef Dr. Köhler überlegt, ob er seine Skepsis öffentlich machen soll. Ich empfehle es ihm. Damit kann er sein Gehalt verdienen.

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