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Skandalöse Verarschung: die Budgetierung wird bleiben

Autor: Dr. Günther Gerhardt

Solidarische Finanzierung der Kassenbeiträge hat nichts mit der Zwei-Klassen-Medizin zu tun. Solidarische Finanzierung der Kassenbeiträge hat nichts mit der Zwei-Klassen-Medizin zu tun. © Fotolia/dietwalther
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Das Thema in unserer Praxiskolumne: Der Kollege Dr. Günther Gerhardt rechnet mit dem Ausgang der GroKo-Gespräche ab.

Sprechen Sie GroKo?“, fragt der „Spiegel“ und meint damit eine Sprache, die etwas anderes meint als sie sagt. So heißt Bürgerversicherung eigentlich Abschaffung der PKV. Und was heißt „modernes Vergütungssystem“? Eine Kommission wird Ende 2019 Vorschläge machen. Schwierige Sprache.

Spaß beiseite! Was jetzt bei den Koalitionsgesprächen zwischen Union und SPD entschieden wurde, ist eine skandalöse Verarschung.

Während der GroKo-Sondierung klangen vielversprechende Vorhaben an, wie das Ende der Budgetierung oder die Angleichung der Honorare, also eine höhere GKV-Vergütung. Im Koalitionsvertrag liest sich das leider anders: Eine wissenschaftliche Kommission soll bis Ende 2019 die medizinischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen von Reformen oder eines Systemwechsels ausloten. Damit kann die Arbeit des Bundesgesundheitsministeriums erst 2020 starten, dann schon fast im Wahlkampf, finden doch 2021 wieder Bundestagswahlen statt.

Wissen Sie was das bedeutet? In zwei Jahren wird ein fadenscheiniges Papier veröffentlicht, das keiner versteht. Es wird sich nichts ändern, die Budgetierung wird bleiben und der Ärztemangel wird zunehmen. Die Politik verlässt sich auf eine apolitische Ärzteschaft, die in zwei Jahren das GroKo-Verhandlungsergebnis vergessen haben wird. Das zeitliche Taktieren ist zudem ein Störfeuer für die Reform der GOÄ, die eigentlich auf dem diesjährigen Ärztetag verabschiedet werden soll.

In der Zeitung der deutschen Sozialdemokratie, „vorwärts“, schreibt Prof. Dr. Karl Lauterbach zu den Erfolgen der SPD im Bereich Gesundheit im Koalitionsvertrag:

  • Die hälftige Bezahlung der Kassenbeiträge ist ein wichtiger Schritt zum Abbau der Zwei-Klassen-Medizin. Klingt gut, aber die solidarische Finanzierung der Krankenkassenbeiträge hat mit der Zwei-Klassen-Medizin nichts zu tun.
  • Eine Kommission wird die gemeinsame Honorarordnung vorbereiten. Von „Vorbereitung“ steht allerdings nichts im Koalitionsvertrag, sondern lediglich, dass eine Kommission eingesetzt wird, die Vorschläge unterbreitet.
  • Mit schnellerer Vermittlung von Arztterminen durch die Terminservicestellen wird für mehr Gerechtigkeit gesorgt. Wie soll das funktionieren? Verlängerte Anrufzeiten machen aus diesen teuren KV-Callcentern noch kein wirksames Instrument zur Vermittlung von Arztterminen, zumal vermittelte Termine von vielen Patienten gar nicht wahrgenommen werden. Zudem werden so die freie Arztwahl eingeschränkt und Mittel gebunden, die in der Patientenversorgung besser angelegt wären.

Auch soll die Erhöhung der Sprechstundenzeiten von 20 auf 25 Stunden für GKV-Patienten mehr Gerechtigkeit bringen. Sorry, aber das ist Bullshit. Zur Erklärung: Diese Zahl steht in der Zulassungsverordnung (Ärzte-ZV). Sie bedeutet, dass der Vertragsarzt mit vollem Versorgungsauftrag am Vertragsarztsitz mindestens 20 Stunden wöchentlich Sprechstunden anzubieten hat. In der Realität malochen so gut wie alle Haus- und Fachärzte von morgens bis abends, sie kennen diese Zahl 20 gar nicht. Sie musste rein in diese Ärzte-ZV, weil es auch den Vertrags-Arzt/Psychotherapeut mit Teilversorgungsauftrag für zehn wöchentliche Sprechstunden gibt – eine Rarität, mit der sich der Zulassungsausschuss gelegentlich beschäftigen muss. Zu Ende gedacht kann das aber bedeuten, dass künftig auf den Praxisschildern die Sprechstundenzeit für GKV- und Privatpatienten getrennt ausgewiesen wird.

Auf solche das Volk verdummende Meldungen müssen wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, reagieren. Wir haben es wiederholt erlebt: Zunächst steht etwas harmlos Klingendes in der Zeitung („niedergelassene Ärzte müssen künftig für Kassenpatienten länger öffnen“), das Ganze wird in den Medien diskutiert, die Schärfe der Argumentation nimmt zu, bis auch der Letzte im Land kapiert hat, dass etwas geschehen muss, sprich ein neues Gesetz muss her. Das Antikorruptionsgesetz lässt grüßen.

Was tun? Social media macht’s möglich. Tun Sie sich JETZT mit Haus- und Fachärzten zusammen und starten Sie Ihre eigene Öffentlichkeitsarbeit. Bitte nicht vergessen: Politische Themen erreichen Ihre Patienten nur über das Vehikel eines medizinischen Themas wie Bluthochdruck, Arthrose oder Diabetes.

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