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Störung auch bei Erwachsenen Aufmerksamkeitsdefizit in Sachen ADHS

Autor: Friederike Klein

Als Hinweis auf das Vorliegen einer ADHS gilt ein Ergebnis von 14 und mehr Punkten. Als Hinweis auf das Vorliegen einer ADHS gilt ein Ergebnis von 14 und mehr Punkten. © mapo – stock.adobe.com
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Offenbar wird ADHS in Deutschland viel zu selten diagnostiziert. Es ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Ein fragebogenbasiertes Screening könnte dabei helfen, die diagnostische Lücke zu schließen.

Schätzungsweise leiden mindestens 2,5 % der volljährigen Bevölkerung an einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Diagnostiziert sind hierzulande aber lediglich 0,2–0,4 % der 18- bis 69-Jährigen. Hausärzten kommt als erste Anlaufstelle für ein Screening zur Identifikation eine besondere Bedeutung zu. „Das ist dann aber auch beinahe die einzige Stelle in der aktuellen S3-Leitlinie zur ADHS, an der die hausärztliche Versorgung Erwähnung findet“, berichtete Dr. ­Cora ­Ballmann vom Institut für Allgemeinmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Sie hat mit ihren Kollegen den Screening-Fragebogen Adult ADHD Self-Report Screening Scale for DSM-5 (ASRS-5) der WHO ins Deutsche übersetzt und in Hausarztpraxen evaluiert. Der Fragebogen besteht aus sechs Fragen, die anhand einer fünfstufigen Skala zu beantworten sind. Maximal können bei der Auswertung 25 Punkte erreicht werden. 

Fragebogen erreicht hohe Sensitivität

Als Hinweis auf das Vorliegen einer ADHS gilt ein Ergebnis von 14 und mehr Punkten. Die Originalversion hatte man anhand einer 637 Personen umfassenden Bevölkerungskohorte validiert. Sie erreichte eine Sensitivität von 91,4 % und eine Spezifität von 96,0 %, berichtete Dr. Ballmann. In einer klinischen Kohorte lag die Sensitivität mit 91,1 % ähnlich hoch, die Spezifität mit 74 % allerdings deutlich schlechter.

Zur Evaluierung des übersetzten Fragebogens zogen Dr. Ballmann und ihr Team 18- bis 65-jährigen Patienten mit einer dokumentierten psychischen Störung heran, die zufällig am Tag der Studiendurchführung eine der teilnehmenden Hausarztpraxen oder Ambulanzen in München, Ulm oder Bonn aufsuchten. Ausgeschlossen wurden Patienten mit Manie, Schizophrenie oder schweren Depressionen. Zum Abgleich wurde die revidierte Version des standardisierten Fragebogens „Integrierte Diagnose für ADHS im Erwachsenenalter“ (IDA-R) eingesetzt. Es resultierte für den übersetzten ASRS-5 eine Sensitivität von 95,6 % und eine Spezifität von 72,3 % – ähnlich wie in der klinischen Kohorte zur Validierung der Originalversion.

Um etwas über Machbarkeit, Akzeptanz und Glaubwürdigkeit des Screeninginstruments zu erfahren, führten Dr. Ballmann und Kollegen mit elf Hausärztinnen und Haus­ärzten semistrukturierte Interviews durch. Wie sich zeigte, war der ­ASRS-5 sowohl als Fragebogen als auch als Gesprächsleitfaden eingesetzt worden. Einige Hausärzte gaben zu, erst durch das Screening auf das Thema ADHS im Erwachsenenalter aufmerksam geworden zu sein. Den Fragebogen beurteilten sie als einfach und gut. Sie monierten allerdings, dass nicht klar sei, wie man mit einem positiven Screeningergebnis umzugehen habe. In diesem Punkt be­steht offensichtlich ein großer Fortbildungsbedarf, resümierte Dr. Ballmann.

Insbesondere im ländlichen Bereich ist der Mangel an Behandlungsoptionen ein Problem. Denn was hilft ein Screening, wenn im Umfeld kein Therapeut verfügbar ist? Es bleiben also sowohl Forschungs- als auch Versorgungsfragen offen, so Dr. Ballmann.

Quelle: DGPPN* Kongress 2022 (Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. )