Mikrobiom und Atemwegsentzündung Beginnt die chronische Sinusitis im Darm?

Autor: Dr. Andrea Wülker

Eine gestörte Darmflora ist mit chronischer Sinusitis assoziiert. Eine gestörte Darmflora ist mit chronischer Sinusitis assoziiert. © Peakstock - stock.adobe.com

Eine gestörte Darmflora ist mit chronischer Sinusitis assoziiert. Ein Forscherteam des Bundeswehrkrankenhaus Ulm hat in Stuhlproben Betroffener entzündungsfördernde Keimverschiebungen nachgewiesen.

Etwa 5 % der Bevölkerung in Mitteleuropa leiden an einer chronischen Rhinosinusitis. In jedem fünften Fall kommen Nasenpolypen hinzu, die einen hohen Leidensdruck auslösen können. Über das Ausmaß der Entzündung entscheidet offenbar auch das intestinale Mikrobiom.

Die Entwicklung einer chronischen Rhinosinusitis wird einerseits durch Belüftungsstörungen der Nase (z. B. aufgrund einer Septumdeviation oder bei Hyperplasie der Nasenmuscheln) begünstigt. Andererseits kommen auch Fehlregulationen des Immunsystems, die zu allergieähnlichen Entzündungsmustern führen, als Ursache infrage. Daher lohnt sich ein Blick auf die Funktion des Immunsystems und auf die Darmmikrobiota, schreibt das Team um PD Dr. Guido Mühlmeier vom Bundeswehrkrankenhaus Ulm.

Rund 70 % der aktiven immunkompetenten Zellen finden sich in der Darmwand, weil dort durch den Kontakt mit den Darmbakterien ein regelmäßiger Austausch mit der intestinalen Umwelt stattfindet. Bei der Mehrzahl der Darmbakterien handelt es sich um Anaerobier. Einige Arten sind für das Immunsystem förderlich, weil sie bestimmte Stoffwechselprozesse begünstigen und wichtige Substrate wie kurzkettige Fettsäuren (Butyrat, Acetat, Propionat) liefern.

Eine intakte Bakterienflora unterstützt die Darmschleimhaut durch eine gut aufgebaute Schleimschicht und eine Stärkung der Barrierefunktion. Eine gesunde Zusammensetzung der intestinalen Mikrobiota fördert auch die regelrechte Aufnahme von Mikronährstoffen und fettlöslichen Vitaminen. Außerdem verhindert sie das Wachstum pathogener Keime, die nicht nur Entzündungen, sondern auch die Entstehung von Tumoren fördern können.

Bifidobakterien halten Entzündungen in Schach

Für den menschlichen Organismus sind zwei Gruppen von immunologisch relevanten Keimstämmen entscheidend: Firmicutes (mit Vertretern wie Clostridien und Laktobazillen) sowie Bacteroidetes (z. B. Bacteroides und Flavobakterien). In Kooperation mit weiteren kleineren Bakteriengruppen wie den Bifidobakterien halten sie Entzündungsaktivitäten in Schach. Verschiebt sich die Darmflora in Richtung Fäulnisbakterien (Staphylokokken, Streptokokken), kommt es häufig zu allergieähnlichen Entzündungen.

Dr. Mühlmeier und seine Arbeitsgruppe konnten anhand von mehr als 200 Stuhlproben zeigen, dass bei Personen mit chronischer Rhinosinusitis nützliche Keime wie Bifidobakterien, Laktobazillen und Bacteroides vermindert sind. In vielen Fällen waren dafür reichlich Hefepilze und Fäulnisbakterien vorhanden.

Verschiedene Faktoren wie wiederholte Antibiotikatherapien, ballaststoffarme Ernährung und der Konsum hochverarbeiteter Nahrungsmittel wirken sich negativ auf das intestinale Mikrobiom aus. Umgekehrt fördern eine überwiegend pflanzliche Ernährung mit reichlich faserreichem Gemüse wie Hülsenfrüchten und Kohl (30 g Ballaststoffe täglich sollten es mindestens sein) und der Verzehr von mehrfach ungesättigten Fettsäuren (ein Esslöffel Leinöl oder zwei Esslöffel Rapsöl) eine intakte Mikrobiota. So kann das Immunsystem unterstützt und chronischen Entzündungen z. B. an den Atemwegen entgegengewirkt werden. 

Quelle: Mühlmeier G et al. Wehrmedizinische Monatsschrift 2025; 69: 412-416; doi: 10.48701/opus4-750