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Polyarthralgien Chikungunya ante portas

Autor: Tobias Stolzenberg

Die Asiatische Tigermücke ist nur zwei bis zehn Millimeter groß. Man erkennt sie u.a. an ihrer schwarz-weißen Streifung. Die Asiatische Tigermücke ist nur zwei bis zehn Millimeter groß. Man erkennt sie u.a. an ihrer schwarz-weißen Streifung. © Sebastian Kaulitzki – stock.adobe.com
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Die Asiatische Tigermücke verbreitet sich in Deutschland, wodurch das Risiko für autochthone Infektionen mit dem Chikungunya-Virus steigt. Besonders problematisch: Die Erkrankung verläuft zu rund 40 % chronisch – mit meist jahrelangen Muskel- und Gelenkschmerzen.

Erstmals wurde das Chikungunya-Fieber 1952 beschrieben. Ein Jahr später war der Erreger, ein Alphavirus, isoliert. In den folgenden Jahren verursachte das Chikungunya-Virus (CHIKV) nur gelegentlich Ausbrüche in Afrika und Asien. Doch seit der Jahrtausendwende hat es sich weltweit immer weiter ausgebreitet. Heute lässt es sich in über 110 Ländern nachweisen, berichtete Prof. Dr. Dr. Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg.

Übertragen wird CHIKV durch ganz bestimmte Stechmücken. Das Vordringen der Asiatischen Tigermücke (Aedes albopictus) hat das Risiko für autochthone Chikungunya-Ausbrüche auch für Europa erhöht. In Italien kam es bereits in den Jahren 2007 und 2017 zu größeren Epidemien mit Hunderten registrierter Fälle.

Ähnlich wie beim Dengue- oder Gelbfiebervirus ist der Mensch für CHIKV ein Amplifikationswirt. Das bedeutet, dass die Viruslast im Menschen ausreichend hoch ist, sodass die Aedesmücken den Erreger bei einer Blutmahlzeit aufnehmen und verbreiten können. Auch unter diesem Aspekt gewinnt das Virus für Deutschland an Bedeutung, betonte der Referent.

Bemerkenswert ist, dass CHIKV-Infektionen fast immer symptomatisch verlaufen, so Prof. Schmidt-Chanasit. Es kommt meist innerhalb einer Woche nach dem Insektenstich zu Fieber sowie starken Gelenk- und Muskelschmerzen. Weitere Symptome können Kopfschmerz, Übelkeit, Fatigue und makulapapulöse Exantheme sein. Die virämische Phase ist mit fünf bis sieben Tagen recht kurz, die akuten Beschwerden klingen innerhalb von sieben bis zehn Tagen ab.

Bei gut 40 % der Infizierten verläuft die Erkrankung chronisch mit Arthralgien und Gelenkveränderungen, erklärte Prof. Schmidt-Chanasit. Einer Studie zufolge sind 57 % der chronisch Infizierten nach zweieinhalb Jahren noch immer krank. In einer anderen Arbeit wird berichtet, dass 78,6 % der Betroffenen nach zweieinhalb Jahren nach wie vor unter Muskel- und Gelenkschmerzen leiden.

Die psychische Belastung unbedingt berücksichtigen

„Diese lang anhaltenden Beschwerden sind unheimlich einschränkend und sie mindern die Lebensqualität enorm“, machte der Tropenmediziner deutlich. Therapeutisch müsse man daher die psychische Belastung der Betroffenen unbedingt berücksichtigen. Es gehe dann nicht mehr nur um die Schmerzlinderung, sondern um die Arbeitsfähigkeit und die Frage, wie man die Patienten wieder mobilisiert. 

Die mitunter Jahre andauernden, massiven Polyarthralgien haben der Tropenkrankheit übrigens ihren Namen gegeben. Der Begriff Chikungunya bedeutet in der Sprache der Makonde, einem Bantuvolk, das in Tansania und Mosambik lebt, „der gekrümmt Gehende“.

Die Diagnose einer Infektion mit dem Chikungunya-Virus erfolgt in der ersten Krankheitswoche durch den Nachweis spezifischer Anti-CHIKV-Antikörper der Klassen IgG und IgM. Die Möglichkeit eines Antigennachweises gibt es aktuell nicht. Differenzialdiagnostisch gilt es, eine Denguevirusinfektion auszuschließen. Die Therapie beschränkt sich nach Aussage von Prof. Schmidt-Chanasit auf die Linderung der Symptome. Dabei kommen Schmerzmittel, NSAR und Kortikosteroide sowie Physio- und Ergotherapie zum Einsatz. Zudem empfiehlt sich eine psychologische Unterstützung. 

Es gibt insgesamt vier Genotypen des Chikungunya-Virus, die sich den Regionen Asien, Ost-/Zentral-/Südafrika, den Ländern am Indischen Ozean und Westafrika zuordnen lassen, erläuterte der Tropenmediziner. Alle Genotypen gehören zu einem einzigen CHIKV-Serotyp. Das bedeutet, dass Antikörper gegen den einen auch die andereren Genotypen neutralisieren. Eine durchgemachte Infektion führt daher zur anhaltenden, womöglich lebenslangen Immunität gegenüber allen vier Genotypen. „Wenn das Chikungunya-Virus durch ein Land gerauscht ist, ist also erst einmal für einige Jahre oder Jahrzehnte Ruhe“, so der Referent. „Solange, bis wieder ausreichend viele immunologisch naive Menschen da sind.“

Seit Kurzem steht in den USA ein Impfstoff gegen das Virus (VLA 1553) zur Verfügung, dessen baldige Zulassung für Europa erwartet wird. Es handelt sich um eine monovalente, attenuierte Lebendvakzine. Daten der ersten Phase-3-Studie, die in den USA mit über 4.000 Probanden durchgeführt wurde, zeigen, dass bei 98,9 % der einmalig Geimpften nach einem Monat ein ausreichend hoher Spiegel an CHIKV-spezifischen neutralisierenden Antikörpern vorliegt. 

Weitere Vakzine in der klinischen Prüfung

Bei 96,3 % war der Schutz mehr als sechs Monate nach der Impfung gegeben. Auch über 65-Jährige sprechen auf die Impfung gut an, wie Prof. Schmidt-Chanasit anhand der Studiendaten zeigte. Der Hersteller plane, die Antikörperpersistenz für mindestens fünf Jahre weiter zu untersuchen

Daneben befindet sich ein weiterer Impfstoff in der klinischen Prüfung. Dieser Kandidat (CHIKV-VLP) ist ein Totimpfstoff, für den man sogenannte virusähnliche Partikel nutzt, also rekombinant hergestellte Virushüllen, die sich äußerlich in nichts vom intakten CHIKV unterscheiden, erläuterte Prof. Schmidt-Chanasit. Mit diesem Impfstoff ließen sich ebenfalls sehr gute Immunantworten gegen das Chikungunya-Virus erzielen.

Quelle: 25. Forum Reisen und Gesundheit