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Fieber bei Erwachsenen Coolness wird überschätzt

Autor: Dr. Judith Lorenz

Fieber hat keinen Einfluss auf das Sterberisiko. Fieber hat keinen Einfluss auf das Sterberisiko. © Patrick Daxenbichler – stock.adobe.com
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Sollte man Fieber bei Schwerkranken immer senken? Diese Ansicht muss laut schwedischen Forschern als überholt gelten: Ihren Erkenntnissen zufolge verringern antipyretische Maßnahmen das Sterberisiko von Fiebernden nicht.

Sollte Fieber bei Schwerkranken immer gesenkt werden? Dieser Frage widmete sich ein Wissenschaftlerteam um ­Johan ­Holgersson von der schwedischen Universität Lund – mit ernüchternden Ergebnissen. Um die Vor- und Nachteile antipyretischer Maßnahmen besser zu verstehen, werteten die Forschenden die Daten von 42 randomisierten kontrollierten Studien aus, an denen insgesamt 5.140 Erwachsene mit Fieber teilgenommen hatten. Die Untersuchungen umfassten sowohl stationäre als auch ambulante Behandlungen. 3.007 der untersuchten Personen waren schwer erkrankt; bei 3.277 der Patienten ging das Fieber auf eine Infektion zurück. Zur Temperatursenkung kam eines von elf Antipyretika, eine physikalische Kühlungsbehandlung oder eine Kombination beider Strategien zum Einsatz. Die Kontrollgruppen erhielten entweder gar keine Therapie, ein Placebo oder eine Scheinintervention.

Die Hypothese der Forschenden, antipyretische Maßnahmen könnten das Sterberisiko reduzieren, bestätigte sich nicht. Auch schwere unerwünschte Ereignisse traten bei Fiebersenkung weder häufiger noch seltener auf als ohne entsprechende Therapie. Eine weitere Indikation für Antipyretika ist die Verbesserung des Wohlbefindens. Jedoch fand sich in einer der  Studien – mit allerdings nur 37 Teilnehmenden – kein wesentlicher Unterschied in Bezug auf die Lebensqualität mit und ohne Fiebersenkung. Zur Untersuchung „nicht schwerwiegender unerwünschter Ereignisse“ war die Datenbasis nicht ausreichend.

Die Pathophysiologie des Fiebers ist noch nicht vollständig verstanden, erläutern die Forschenden. Die erhöhte Körpertemperatur unterstützt einerseits die immunologische Abwehr gegen Mikroorganismen, kann andererseits aber auch schwere Organkomplikationen begünstigen. Fieber sei eine auch aus dem Tierreich bekannte archaische Körperreaktion, die offensichtlich über die stammesgeschichtliche Entwicklung der Lebewesen erhalten geblieben ist, so Johan Holgersson. Man dürfe daher davon ausgehen, dass sie einen biologischen Zweck erfüllt – eine Antipyrese wäre demzufolge kontraproduktiv.

Andererseits kann Fieber für vulnerable Individuen gefährlich werden, was für eine Fiebersenkung zumindest in Einzelfällen spricht. Zu der Frage besteht den Wissenschaftlern zufolge noch erheblicher Forschungsbedarf, auch im Hinblick auf gesundheitsökonomische und gesellschaftliche Aspekte.

Quelle: Holgersson J et al. BMJ 2022; 378: e069620; DOI: 10.1136/bmj-2021-069620