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Digitalisierung in der Diabetologie mitgestalten

Autor: Friederike Klein

Neue Prozesse erfordern auch neue Behandlungsstandards. Neue Prozesse erfordern auch neue Behandlungsstandards. © iStock/metamorworks
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Nicht alles, was sich derzeit unter dem Begriff Digitalisierung in den privaten und den Berufsalltag einschleicht, ist wünschenswert. Gerade deshalb heißt es, die Entwicklung mitzugestalten, glaubt Dr. Ralph Ziegler, niedergelassener Kinder- und Jugenddiabetologe aus Münster.

Die Diabetologie ist prädestiniert für die Digitalisierung, betonte Dr. Ziegler. „Wir sollten sie nicht nur als Schlagwort verstehen, sondern mit Inhalt füllen.“ Die Anwendung von Sensoren und die Generierung großer Datenmengen sind in der Diabetologie Alltag. „Wir sind Vorreiter im Nutzen auslesender Daten“, so Dr. Ziegler. Dies setzt jedoch entsprechende Hard- und Software voraus und bedarf einer standardisierten Auswertung und Beurteilung, um zu einer individuellen Handlungsempfehlung zu kommen. „Bei der Prozessqualität hapert es teilweise noch“, meinte der Kollege.

Neue Behandlungsstandards müssen entwickelt werden

Zudem erfordern neue Prozesse auch neue Behandlungsstandards, z.B. für den Umgang mit Hypoglyk­ämien unter der kontinuierlichen Glukosemessung. Solche neuen Standards, beispielsweise Entscheidungsbäume in Abhängigkeit vom Alter oder von Komorbiditäten, Wenn/Dann-Vorgaben und aktualisierte Leitlinien können dann in Systeme zur Unterstützung der klinischen Entscheidung (Clincial Decision Support Systems [CDSS]) münden.

Algorithmus entscheidet

In den Niederlanden werden alle vom Patienten und automatisiert gemessenen Daten in das automatisierte System Diabeter geladen und per Algorithmus ausgewertet. Je nach Situation erhält der Patient eine Rückmeldung per E-Mail direkt durch das System oder aber Diabetesberater/in oder – bei größeren Problemen – Diabetologe/in melden sich. Die Zeit in Ambulanzen konnte pro Patient um 70 % reduziert werden, so Dr. Ziegler. Gleichzeitig stieg damit der Anteil der Patienten mit einem HbA1c< 7,5 % von 25 auf 42 %.

Neue Möglichkeiten, um Ergebnisqualität zu messen

Dass sich der Aufwand lohnt, zeigte kürzlich eine Studie, in der eine Software zur Titrierung der mehrfachen täglichen Insulin-Injektionen unter Echtzeit-Blutzuckermessung nach einem Jahr zu einer anhaltenden Reduktion des HbA1c geführt hat.1 Wie in diesem Beispiel ist auch bei vielen weiteren für die Diabetologie relevanten automatisierten Anwendungen das Know-how des Fachgebiets gefragt:
  • die Mustererkennung und -interpretation von Daten wie Blutzuckerverläufe, Blutdruckverläufe etc.
  • die Erkennung und Bewertung von Nahrungsmitteln
  • die Interpretation der vielfach schon vom Smartphone erhobenen Aktivitätsdaten
  • die Berücksichtigung von Sen­sordaten, die auf Emotionen und Belastung hinweisen
  • lernende Systeme, die sich an die Alltagsroutine und Gewohnheiten anpassen

Virtuelle Ambulanz

Kinder und Jugendliche können heute über soziale Netzwerke und Webinars eingebunden werden. Mit Unterstützung der Te chniker Krankenkasse wird beispielsweise in Lübeck derzeit eine virtuelle Diabetesambulanz (ViDiKi) getestet. Sie ist die erste große Telemedizinstudie in Deutschland für Kinder und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes, die einen Glukosesensor (CGM) nutzen. Weitere Informationen zu der von Dr. Simone von Sengbusch, Uniklinikum Schleswig- Holstein, geleiteten ViDiKi-Studie finden Sie hier.

Solche digitalen Anwendungen werden auch neue Möglichkeiten eröffnen, die Ergebnisqualität zu messen. Sie wird sich nicht mehr nur auf HbA1c, Zahl der Hypoglyk­ämien oder Zeit im Zielbereich beschränken, sondern auch patientenrelevante Endpunkte oder die Einschätzung des Therapieverlaufs durch den Behandler umfassen. 

Quellen:
1. Bode B et al. J Diabetes Sci Technol 2018; 12: 124-128
Diabetes Kongress 2018