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Kasuistik Ein Körper voller Purpura

Autor: Michael Brendler

Mit Levamisol gestrecktes Kokain kann zu Komplikationen führen. Mit Levamisol gestrecktes Kokain kann zu Komplikationen führen. © photopixel – stock.adobe.com
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Kokain wird nach wie vor oft mit Levamisol gestreckt. Durch den steigenden Konsum nehmen auch die Zahlen der Komplikationen zu. Um so wichtiger ist es, die Anzeichen zu kennen. Einige fallen sofort ins Auge, wie ein Fallbeispiel zeigt.

Ein junger Mann kam mit unerträglichen Schmerzen und großflächiger Purpura in die Klinik. Woher die stammten, fiel den behandelnden Ärzten in der Zentralen Notaufnahme der Ludwig-Maximilians-Universität München nicht schwer herauszufinden. Vor allem auf den Beinen sahen sie bei dem 20-Jährigen große, diffuse nekrotisierende Läsionen, z.T. mit Blasenbildung. Ähnlich schmerzhaft breitete sich die Purpura auf Armen, Flanken, am Handgelenk sowie im Bereich der Ohren aus. 

Dies war nicht der erste Klinikbesuch des Mannes. Unter anderem neun Monate zuvor hatte man ihn wegen einer Polyarthralgie in einer anderen Klinik behandelt. Die Ursache ließ sich damals nicht finden, eine probatorische Prednisolongabe führte allerdings zu einer Besserung der Beschwerden. 

Für eine Infektion gab es nach wie vor keine Anhaltspunkte, dafür räumte der Patient ein, fast täglich Kokain zu konsumieren. Auffällig war vor allem sein Laborbefund: Erhöhte Entzündungsparameter und ein deutlicher Anstieg der PR3-ANCA*, MPO-ANCA und der antinukleären Antikörper (ANA). 

Das Ergebnis der Hautbiopsie lautete: Mikroskopische Polyangiitis mit Nekrose des Plattenepithels der Epidermis durch Mikrothromben. All das sprach für eine kokaininduzierte ANCA-Vaskulitis, deren Symptome sich nach acht Wochen Krankenhausaufenthalt mit Analgesie, oraler Prednisolon-Therapie, begleitender Antibiose, chirurgischer Wundabtragung und strikter Kokainabstinenz schließlich zurückbildeten. 

Ursache der Autoimmunreaktion war höchstwahrscheinlich nicht das Kokain selbst, schreiben Rubi Stephani Hellwege vom Institut für Intensivmedizin des Universitätsspitals Zürich und ihre beiden Kollegen aus der Münchner Notaufnahme. Ein Großteil des Kokains in Europa wird mit Levamisol gestreckt. Das weiße, pulvrige Anthelminthikum ist billig, leicht verfügbar und steigert zudem die euphorisierende Wirkung der Droge. Es besitzt zudem immunmodulatorische Eigenschaften und wurde früher sogar bei Autoimmunerkrankungen eingesetzt. Wegen der schweren Nebenwirkungen – Leukopenie, Agranulozytose und Vaskulitis – findet Levamisol heute nur noch in der Tiermedizin Anwendung. 

„Deshalb sollte, vor allem bei unklaren vaskulitischen Hautveränderungen, immer eine gezielte Drogenanamnese erhoben werden“, schreiben die Autoren. Als fast pathognomonisch gelten Läsionen an den häufig beteiligten Ohren. Bei Verzicht auf die Droge gehen auch Hautmanifestationen oft wieder zurück. Die Therapie bestehe deshalb aus strikter Drogenabstinenz und in schweren Fällen wie dem 20-Jährigen einer symptomatischen Behandlung. 

Eine Hürde stellt allerdings die Ehrlichkeit der Patienten dar: Kokainmetabolite sind nach vier Tagen nicht mehr im Urin nachweisbar. Auch das Levamisol ließ sich in der Urinprobe des Patienten zum Untersuchungszeitpunkt nicht nachweisen, seine Plasmahalbwärtszeit liegt nur bei 3–6 h. Bei Verdacht kann daher eine toxikologische Haaranalyse weiterhelfen. mic

* Anti-Neutrophile-cytoplasmatische-Anti­körper

Quelle: Hellwege RS, Sitter T, Wörnle M. „Vaskulitis der Haut nach Kokainkonsum“, Dtsch Med Wochenschr 2023; 148: 1182-1186; DOI: 10.1055/a-2142-1530 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart, New York