Anzeige

Erst tropfen, dann spülen – so befreien Sie Ihre Patienten von Ohrenschmalz

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Trockener Ohrenschmalz (unten) ist be­sonders problematisch. Bei intaktem Trommelfell kann man ­versuchen, ihn über drei bis fünf Tage mit Ohrentropfen zu lösen. Trockener Ohrenschmalz (unten) ist be­sonders problematisch. Bei intaktem Trommelfell kann man ­versuchen, ihn über drei bis fünf Tage mit Ohrentropfen zu lösen. © Science Photo Library/Vernon, Tim
Anzeige

Wenn Patienten schlecht hören, sollten Sie mal in den Gehörgang schauen. Gerade bei Älteren ist er oft mit Cerumen verstopft. Ein Arzt erläutert, wie Sie das Hindernis selbst beseitigen können und wer eine Überweisung zum HNO-Arzt braucht.

Für die schmalzbedingte Verlegung des Gehörgangs gibt es zahlreiche Risikofaktoren – vom Hörgerät bis zur Schuppenflechte (s. Kasten). Therapeutisch stehen vier Strategien zur Verfügung: kontrolliertes Zuwarten, Cerumenolytika, Ohrspülung und manuelle Extraktion, schreibt der Allgemeinarzt Jonathan­ C. Radford vom Trinity Court Surgery in Stratford-upon-Avon.

Patienten ohne Trommelfellperforation bzw. Verdacht darauf sollten zunächst für drei bis fünf Tage cerumenolytische Ohrentropfen auf Basis von physiologischer Kochsalzlösung, Natriumbikarbonat, Mandel- oder Olivenöl anwenden. Bei persistierenden Symptomen erfolgt – wenn möglich – eine Ohrenspülung, sofern keine der folgenden Kontra­indikationen vorliegt:
  • Zustand nach Ohroperation,
  • anatomische Veränderungen im Gehörgang,
  • anamnestisch bekannte Trommelfellperforation bzw. Paukenröhrchen,
  • akute oder rezidivierende Otitis externa sowie
  • Taubheit auf dem nicht betroffenen Ohr.
Auch bei Patienten unter 16 Jahren oder früherer Intoleranz für die flüssige Ohrreinigung sollte nicht gespült werden. Bleibt der Erfolg aus, kann die Irrigation wiederholt werden – nach erneutem Tropfen für drei bis fünf Tage bzw. der Instillation von Wasser für 15 Minuten. Führt auch die Wiederholung nicht zum Ziel bzw. bei Vorliegen der oben genannten Kontraindikationen, sollte der Patient zwecks manueller Extraktion zum HNO-Fachkollegen überwiesen werden.

Iatrogene Otitis externa nach dem Spülen möglich

Die Spülung ist allerdings nicht ohne Risiko, warnt der britische Hausarzt. So muss man in einem von 1000 Fällen mit Problemen rechnen. Zu diesen zählt der Brite auch, dass der Behandlungserfolg ausbleibt (37 %). Außerdem kann es zu Otitis externa (22 %), Trommelfellperforation (19 %) und Läsionen des äußeren Gehörgangs (15 %) kommen. Als unerwünschte Nebenwirkungen werden auch Schmerz, Schwindel oder eine Otitis media beobachtet. Einer Studie zufolge entwickeln etwa 3 % der gespülten Patienten eine iatrogene Otitis externa, was z.B. für Großbritannien 69 900 zusätzliche Fälle pro Jahr bedeutet – mit keineswegs immer blandem Verlauf. Vor allem bei Diabetikern und immunkompromittierten Patienten kommt es vermehrt zu einer Otitis externa maligna, ausgelöst durch Pseudomonaden. Deshalb wird empfohlen, in dieser Patientengruppe und generell bei älteren Menschen auf eine Ohrspülung zu verzichten. Als Alternative bietet sich die manuelle Entfernung des Cerumen obturans unter Sichtkontrolle an – zum Beispiel mittels Mikrosuktion. Das Absaugverfahren kann somit auch in Situationen zum Einsatz kommen, in denen die Ohrspülung kontraindiziert wäre und ist in mehr als 90 % der Fälle erfolgreich. Es geht für gewöhnlich schneller und ermöglicht beispielsweise bei einem plötzlichen Hörverlust die unmittelbare Entfernung des Cerumens und bei Bedarf auch eine Trommelfelldiagnostik – ohne den Gehörgang Feuchtigkeit auszusetzen. Die Mikrosuktion wird im Allgemeinen gut vertragen. Unerwünschte Effekte sind zwar nicht selten (55 %), aber meist geringfügig und vorübergehend. Am häufigsten kommt es zu Schwindel oder einer (passageren) Hörverschlechterung – auch die Lautstärke des Eingriffs stört so manchen. Schmerz und Vertigo lassen sich durch den vorherigen Gebrauch von Cerumenolytika reduzieren. Auch eine audiovisuelle Ablenkung (z.B. Praxisfernsehen) lindert das Schmerzempfinden und kann so die Akzeptanz erhöhen.

Quelle: Radford JC, BGP Open 2020; DOI: 10.3399/bjgpopen20X101064

Risikofaktoren für Cerumen obturans

  • anatomisch: enger Gehörgang, Exostosen, Ohrhaare
  • physikalisch: Hörgeräte, Ohrstöpsel, Wattestäbchen
  • Cerumen: trockene bzw. harte Konsistenz (z.B. Drüsenatrophie), Otitis externa
  • Hauterkrankungen: Ekzem, Psoriasis, seborrhoische Dermatitis