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Handlungsbedarf bei COVID-19-Fibrosen?

Autor: Manuela Arand

Patienten, die noch nach drei Monaten unter Beschwerden wie Husten oder Dyspnoe leiden, sollten sich beim Pneumologen vorstellen. Patienten, die noch nach drei Monaten unter Beschwerden wie Husten oder Dyspnoe leiden, sollten sich beim Pneumologen vorstellen. © iStock/Yulia Sutyagina
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SARS-CoV-2 ist ein fibrogenes Virus und Infizierte müssen u.U. mit der Entwicklung von Lungenfibrosen rechnen. Die Frage ob und wie sich diese vermeiden lassen, lässt sich derzeit nur schwer beantworten.

Viele Mechanismen, die SARS-CoV-2 nutzt, um Wirtszellen zu entern und zu schädigen, finden sich auch in der Pathophysiologie der „gewöhnlichen“ idiopathischen Lungenfibrose (IPF) wieder. Teilweise sind sie sogar als therapeutische Targets im Gespräch, erklärte Professor Dr. Gisli Jenkins, Imperial College London. Zum Beispiel helfen Integrine und Galectin dem Virus beim Eintritt in die Zellen, Januskinasen und mTOR sind bei intrazellulären Signalprozessen beteiligt. Wirkstoffe, die an diesen Targets ansetzen, könnten sowohl zur Behandlung von COVID-19 als auch bei der IPF geeignet sein. 

COVID-19-assoziierte Fibrosen imponieren radiologisch meist als ausgedehnte, subpleural gelegene Milchglasläsionen, berichtete Professor Dr. Antje Prasse von der Klinik für Pneumologie der Medizinischen Hochschule Hannover. Diese Milchglastrübungen lösen sich bei zuvor gesunden Patienten in der Regel wieder auf, was allerdings dauern kann. Anders bei vorbestehender interstitieller Lungenerkrankung. In diesen Fällen persistieren die radiologischen Veränderungen häufig – soweit sich das nach rund einem Jahr Pandemie sagen lässt. Die Krankenhausmortalität der Betroffenen ist signifikant erhöht, vor allem die der über 60-Jährigen. Neben dem Schweregrad der Lungenerkrankung wirkt offenbar auch das Alter als Risikofaktor für persistierende fibrotische Schäden. Deren Bild ist sehr bunt und ähnelt in Teilen dem bei anderen Viruspneumonien – es scheint keine COVID-19-spezifischen Residuen zu geben. 

Das Management der pulmonalen Veränderungen ist erschwert durch die Tatsache, dass prädiktive Marker weitgehend fehlen. Bei welchem Patienten sich die Fibrose spontan auflösen und bei wem sie persistieren wird, lässt sich schlicht nicht vorhersagen. Jeden Patienten wieder und wieder zur CT zu schicken, ist weder praktikabel noch zielführend. 

Persistierende Symptome als Warnzeichen deuten

Insofern empfiehlt sich eine pragmatische, an Klinik und einfach zu erhebenden Funktionsparametern orientierte Strategie. „Vor allem müssen wir die Patienten im Auge behalten, die persistierende Symptome zeigen“, betonte Prof. Prasse. Wer nach drei Monaten noch über Husten und Dyspnoe klagt, sollte auf jeden Fall dem Pneumologen vorgestellt werden. 

Ohne Honigwaben keine antifibrotische Therapie

Spricht die Spirometrie für eine restriktive Ventilationsstörung, rät die Kollegin zur CT-Kontrolle, von deren Befund sie das therapeutische Prozedere abhängig macht: Spricht der Befund für eine Honigwabenbildung, zieht sie eine antifibrotische Therapie in Erwägung. Liegen solche Veränderungen nicht vor, was auf die meisten ambulanten Patienten zutrifft, ist Zurückhaltung angezeigt. 

Patienten mit ausgeprägter Symptomatik und Entsättigung in Ruhe oder im Sechsminutengehtest können niedrig dosierte Steroide erhalten, die die Auflösung von CT-Veränderungen wie Milchglastrübungen, retikulären Zeichen oder fibrotischen Bändern unterstützen. Schreitet die Fibrose trotz Steroidgabe fort, führt  Prof. Prasse eine Biopsie durch, um anhand des Befundes zu entscheiden, ob sie eine antifibrotische Therapie beginnt oder nicht.

Ob im Gefolge der Corona-Pandemie mit einer Welle von pulmonalen Fibrosen zu rechnen ist, wie manche Experten fürchten, lässt sich derzeit nicht abschätzen. „Fibrosen entwickeln sich über einen langen Zeitraum“, erinnerte Prof. Jenkins. „Ich rechne nicht damit, eine Fibrose-Epidemie sechs oder zwölf Monate nach COVID-19 zu sehen, sondern 10 bis 15 Jahre später.“

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