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Verwandtenbesuch in Afrika „Ich fahre doch heim, da kann mir nichts passieren“

Autor: Tobias Stolzenberg

Visiting-Friends-and-Relatives-Reisende weisen ein erhöhtes Risiko für reiseassoziierte Infektionen auf. Visiting-Friends-and-Relatives-Reisende weisen ein erhöhtes Risiko für reiseassoziierte Infektionen auf. © adogslifephoto – stock.adobe.com
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Gebürtige Afrikaner, die Familie und Freunde im Herkunftsland besuchen, wähnen sich in puncto Infektionsrisiko oft in falscher Sicherheit. Dabei sollten sie dieselbe Vorsicht walten lassen wie Touristen. Die Reiseberatung muss die jeweiligen Ziele und Anlässe berücksichtigen. Für die Diagnostik im Krankheitsfall gilt das Gleiche.

Die Menschen reisen wieder. Nach wie vor liegen die Topziele des weltweiten Reiseverkehrs in Europa, berichtete Dr. Sabine Jordan von der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Nach Beendigung der pandemiebedingten Reiserestriktionen stehen derzeit aber auch Fernreisen wieder hoch im Kurs

Zusehends gewinnen die Länder des afrikanischen Kontinents als Reiseziele an Bedeutung. Hauptreiseländer in Afrika sind Südafrika sowie Ägypten, Marokko, Tunesien und Algerien im Norden des Kontinents. Insbesondere Deutsche fliegen gerne nach Namibia, vor allem Menschen im Alter zwischen 50 und 60, was sich nach Dr. Jordans Erfahrung auch in der reisemedizinischen Beratung zeigt.

Was bringen die Menschen von ihren Fernreisen mit, abgesehen von den üblichen und erwartbaren akuten Diarrhöen? Während bei den Südostasienreisenden das Denguefieber führend ist, haben die Rückkehrer aus Subsahara-Afrika am häufigsten die Malaria im Gepäck. Nahezu alle importierten Plasmodieninfektionen haben ihren Ursprung südlich der Sahara, berichtete die Tropenärztin.

Wenn wir also einen Reisenden mit Fieber sehen, fragen wir als Erstes, was das Reiseziel war, so die Expertin. Ist der Patient gerade vom Familienbesuch in Ghana zurückgekommen, könne man mit ziemlicher Sicherheit von einer Plasmodieninfektion ausgehen. Bei einem Rückkehrer aus Thailand sei hingegen das Denguefieber viel naheliegender.

Malaria, Hepatitis A und Typhus oft unterschätzt

Insbesondere Reisende, die Familie und Freunde in ihrem Herkunftsland besuchen, haben ein erhöhtes Risiko für reiseassoziierte Infektionen, allen voran Malaria, Hepatitis A und Typhus, beschrieb Dr. Jordan. Man nennt diese Personengruppe auch die VFR, die Visiting-Friends-and-Relatives-Reisenden. Anschaulich gab sie ein Beispiel für eine typische VFR: Eine Frau, die vor zehn oder zwölf Jahren aus Ghana nach Hamburg gekommen ist, mittlerweile zwei Kinder hat und jetzt die Eltern und andere Verwandte in Ghana besuchen möchte. Ebenso wie jemand, der seit Jahren in der Hansestadt lebt und nach Hause ins Schwäbische reisen will, nicht an seinen FSME-Schutz denkt, hat auch die Frau aus Ghana nicht die Gesundheitsrisiken im Blick, die auf sie, ihre Kinder und ihren Mann zukommen. Denn sie fährt ja nach Hause, brachte es Dr. Jordan auf den Punkt.

Vielfach werde Malaria in einer solchen Situation auch als Kinderkrankheit gesehen, die man im Alter von 35 Jahren nicht mehr bekommt. Doch bekanntlich geht die Semi-Immunität gegen die Tropenkrankheit verloren, wenn man längere Zeit in einem malariafreien Gebiet lebt, erläuterte die Tropenmedizinerin. 

Baden im Süßwasser und HIV-Risiko ansprechen

Wenn es geboten erscheint, sollte man sowohl bei der Reiseberatung als auch bei erkrankten Reiserückkehrern mit Blick auf die Schistosomiasis die besonderen Risiken von Süßwasserkontakten ansprechen. Ebenfalls zu Reiseberatung und Anamnese gehört das Thema der sexuell übertragbaren Erkrankungen inklusive HIV-Infektionen.

Eine wichtige Differenzialdiagnose zur Malaria bei Reiserückkehrern aus dem südlichen Afrika ist das Afrikanische Zeckenbissfieber. Es geht mit subfebrilen Temperaturen sowie Kopf- und Gliederschmerzen mit oder ohne Exanthem einher. Hervorgerufen wird es durch eine Infektion mit Rickettsia africae nach einem Zeckenstich. Pathognomonisch ist das Eschar, eine Hautläsion mit zentraler Nekrose, mitunter umgeben von einem Exanthem. Beim Zeckenbissfieber handelt es sich um eine Blickdiagnose, die sich aber durchaus mithilfe der PCR-Methode sichern lässt, erläuterte die Referentin.

Auch die Gefahr für eine Meningokokkeninfektion kann für die Besucher von Verwandten und Freunden aufgrund des engen Kontakts mit der lokalen Bevölkerung höher sein als bei gewöhnlichen Touristen. Zudem befinden sich in dieser Gruppe öfter besonders gefährdete Menschen wie Schwangere und Kleinkinder. Da VFR eher selten gezielt eine reisemedizinische Beratung in Anspruch nehmen, sollte man die Betreffenden bei jedem Arztkontakt nach geplanten Reisen fragen. Zudem ist es sinnvoll, regelmäßig ihren Impfstatus zu prüfen, fehlende Vakzinierungen nachzuholen oder aufzufrischen und auf die Notwendigkeit der reisemedizinischen Beratung hinzuweisen.

Bei längeren Aufenthalten braucht auch die Seele Schutz

Langzeitreisende – und hierunter insbesondere die jungen Menschen, die einen freiwilligen sozialen Dienst absolvieren – sind neben dem erhöhten Risiko für Infektionen und Unfälle verstärkt psychischen Belastungen ausgesetzt. Daher wurde 2019 für die Teilnehmer des weltwärts*-Programms eine verpflichtende Eignungs- und Nachuntersuchung eingeführt.

* entwicklungspolitischer Freiwilligendienst des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)

Quelle: 25. Forum Reisen und Gesundheit