Bakteriämie und Implantate Infektionsrisiko bei Prothesen unter der Lupe

Autor: Birgit Maronde

Zur Behandlung dieses Aneurysmas wurde eine Gefäßprothese in die Aorta ascendens eingesetzt Zur Behandlung dieses Aneurysmas wurde eine Gefäßprothese in die Aorta ascendens eingesetzt © Science Photo Library/VSEVOLOD ZVIRYK

Eine Bakteriämie kann nach Einsetzen von Prothesen oder sonstigen Devices die Implantate in Gefahr bringen. Doch es bleibt trotz aktuellerer Daten schwer, das Risiko genauer abzuschätzen.

Eine Bakteriämie kann zu einer sekundären Infektion von implantiertem Fremdmaterial, etwa einer Gefäß- bzw. Gelenkprothese oder einem kardialen Device führen. Wie groß die Gefahr tatsächlich ist, lässt sich aber schwer abschätzen.  

Die Datenlage zum Risiko einer Gefäßprotheseninfektion durch eine Bakteriämie ist ziemlich schlecht, konstatierte PD Dr. Stefan­ Hagel­ von der Infektionsmedizin am Universitätsklinikum Jena. Daran konnte auch eine große populationsbasierte Studie von 2023 nichts ändern. 643 Patientinnen und Patienten, die sich aufgrund arterieller Aneurysmata insgesamt 708 endovaskulären oder offenen Eingriffen unterzogen hatten, wurden darin über im Median 4,1 Jahre lang nachbeobachtet. In dieser Zeit entwickelten 15 eine Gefäßprotheseninfektion (Vascular Graft Infection, VGI). Nach endo­vaskulärer Aneurysmareparatur betrug die kumulative Fünf-Jahres-Inzidenz 1,4 %, nach operativer 2 %. Bei elf der 15 Betroffenen ließ sich begleitend eine ambulant erworbene Bakteriämie nachweisen. Doch was war pathogenetisch Henne und was Ei

Diese Frage versuchte das Autorenteam der Studie mit einer zweiten Analyse aus derselben Kohorte zu beantworten. Um eine sekundäre VGI wahrscheinlich zu machen, sollten zwischen Bakteriämie- und VGI-Nachweis mindestens 14 Tage liegen. Eine dokumentierte Blutstrominfektion fand sich zwar bei 42 Patientinnen und Patienten, aber nur in 33 Fällen betrug die Nachbeobachtungszeit mindestens 14 Tage. Bei zehn dieser 33 Erkrankten wurde eine infizierte Prothese diagnostiziert – in engem zeitlichen Zusammenhang zu dem Keimnachweis im Blut, d. h. innerhalb von zwei Wochen. Somit konnte das Risiko einer VGI durch eine Bakteriämie auch in diesem Studienteil nicht abgeschätzt werden.

Knieprothesen infizieren sich öfter als Hüftprothesen

Uneindeutige Daten gibt es auch zu sekundären Gelenkprotheseninfektionen. In einer retrospektiven Studie mit 14.378 Menschen nach Hüft- oder Knie-Totalendoprothese (TEP) kam es im Follow-up von median sechs Jahren bei 542 der Operierten zu insgesamt 643 Bakteriämieepisoden. In 4 % der Fälle traten diese innerhalb der ersten drei Monate  nach dem Eingriff auf, bei 13 % im ersten postoperativen Jahr. 47 der Episoden (7 %) führten zu einer Gelenkprotheseninfektion, wobei Knie-TEP häufiger betroffen waren als Hüft-TEP (62 % vs. 38 %). Die Zeitspanne zwischen Bakteri­ämie und Diagnose lag median bei nur zwei Tagen, sodass sich für Dr. Hagel wiederum die Frage nach der Henne und dem Ei stellt. 

Die Wahrscheinlichkeit, dass es durch eine Bakteriämie zur Infektion implantierter kardialer Devices kommt, hängt u. a. vom Erreger ab. Ein Wissenschaftsteam der Mayo Clinic in Rochester kommt in seinem Review zu dem Schluss, dass Staphylococcus aureus in 30–55 % der Fälle zu solch einer Infektion führt, koagulasenegative Staphylokokken zu etwa 30 % und gramnegative Bakterien zu weniger als 10 %. 
In einer anderen Studie wurde das Risiko einer Deviceinfektion nach Staph.-aureus-Bakteriämie auf 8,5 % beziffert. Dabei galt: Je länger die initiale Bakteriämie andauerte, desto größer war die Gefahr der sekundären Infektion.

Bisher lautet die Empfehlung, eine Bakteriämie mit Staphylococcus aureus vier Wochen lang antibiotisch zu behandeln, sofern die Betroffenen mit einer implantierten Gefäß- bzw. Gelenkprothese oder einem kardialen Device versorgt sind. Eine schwedische Studie signalisiert allerdings, dass dies zu lang ist und 15 Tage Therapie ausreichen. Die Autorinnen und Autoren analysierten die Daten von 281 Menschen mit Hüft- oder Knie-TEP und akuter Staph.-aureus-­Bakteriämie. Das Risiko einer Sekundärinfektion war im Beobachtungszeitraum von sechs Monaten gering und betrug < 1 % unabhängig davon, ob mediane 29 oder 15 Tage lang Antibiotika gegeben wurden.

Neue Leitlinie plädiert für 14 Tage Antibiotikatherapie

Zu einem ähnlichen Ergebnis kam eine retrospektive Kohortenstudie, in der man im Schnitt 18 Tage lang antibiotisch behandelte. Auch in der neuen Staph.-aureus-Leitlinie der Fachgesellschaften ESCMID* und IDSA** wird man dazu raten, bei Bakteriämie und nicht infizierter Hüft- bzw. Knie-TEP nur noch zwei Wochen lang antibiotisch zu behandeln, berichtete Dr. Hagel.

*European Society of Clinical Microbiology and Infection 
**Infectious Diseases Society of America