Künstliche Intelligenz KI-Zweitmeinung: „Erhöht das Vertrauen und beschleunigt den Bewertungsprozess“
Ein KI-System unterstützt den pathologischen Workflow als KI-Zweitmeinung und reduziert Befundungsunsicherheiten.
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Frau Mittmann, wie ließe sich „GleasonXAI“ in den pathologischen Workflow integrieren?
GleasonXAI könnte ähnlich wie auch ein konventionelles KI-System als ergänzendes Entscheidungstool in den pathologischen Workflow integriert werden. Es kann als Zweitmeinung dienen, insbesondere wenn bei der Befundung Unsicherheit besteht. Nach der initialen Befundung kann die Probe vom Modell analysiert werden, wodurch auffällige Areale und Muster hervorgehoben werden. Durch die interpretierbaren morphologischen Merkmale der Vorhersage des Modells können Patholog:innen die Entscheidung der Künstlichen Intelligenz schnell nachvollziehen, validieren und mit ihren eigenen Einschätzungen abgleichen.
Worin liegen die Stärken des KI-Modells?
Die größte Stärke unseres Modells liegt in seiner Interpretierbarkeit. Durch die Vorhersage pathologisch relevanter morphologischer Muster ermöglicht GleasonXAI den Patholog:innen, die Entscheidungen des Systems kritisch nachzuvollziehen. Anders als konventionelle KI-Modelle liefert es begründete Erklärungen für seine Gleason-Grad-Einstufungen und reduziert somit das Risiko, dass Ergebnisse unreflektiert übernommen werden. Ähnliche Ansätze in anderen Bereichen haben gezeigt, dass eine solche Erklärbarkeit das Vertrauen in die KI deutlich erhöhen und den Bewertungsprozess beschleunigen kann.
Das Modell basiert zudem auf qualitativ hochwertigen Trainingsdaten. Das Modell wurde auf Annotationen eines großen internationalen Konsortiums aus erfahrenen Patholog:innen trainiert. Für jede Probe lagen drei unabhängige Expert:innenmeinungen vor, die die Grundlage für das Training bilden. Durch den Einsatz von Soft Labeln berücksichtigt das Modell die Interrater-Variabilität im Gleason-Grading und ermöglicht es, alternative Interpretationsmöglichkeiten sichtbar zu machen.
Gibt es auch Schwächen?
Natürlich hat das Modell auch Limitationen. Es wurde bislang ausschließlich auf Tissue-Micro-Array(TMA)-Kernen trainiert, was die Übertragbarkeit auf Biopsien und Whole-Slide-Images einschränkt. Diese erfordern aufgrund ihrer höheren Gewebevariabilität zusätzliche Anpassungen.
Hinzu kommt, dass einige morphologische Merkmale im Trainingsdatensatz nur selten vertreten waren. Solche unterrepräsentierten Muster können vom Modell entsprechend weniger zuverlässig erkannt werden. Zudem basiert das System auf den derzeit gültigen diagnostischen Leitlinien. Sollten diese verändert oder erweitert werden, wäre ein erneutes Training notwendig, um neue Kriterien adäquat abzubilden.
Wieso bietet der „GleasonXAI“ einen Mehrwert für die Ausbildung von Patholog:innen?
GleasonXAI kann Lernenden eine wertvolle, leicht zugängliche Zweitmeinung bieten. Da die KI die Präsenz von morphologischen Mustern vorhersagt und einzeichnet, können Patholog:innen diese nachvollziehen, überprüfen und in ihrem eigenen Befundungsprozess besser wiedererkennen. Die Interpretierbarkeit des Modells ermöglicht es, die Entscheidungen kritisch zu hinterfragen, wodurch ein erhöhter Lerneffekt zu erwarten ist.
Welche Schritte sind notwendig, bevor das KI-Modell flächendeckend zum Einsatz kommen kann?
Durch den Trainingsdatensatz, welcher rein aus Bildern von TMA-Kernen besteht, ist GleasonXAI primär für die Analyse solcher Bilder geeignet. Für einen flächendeckenden Einsatz in der klinischen Praxis muss das Modell jedoch auch auf Biopsien und Prostatektomie-Präparaten zuverlässig anwendbar sein.
Dazu ist ein erweitertes Training auf einem größeren, variableren Datensatz notwendig, welcher insbesondere auch mehr Proben mit selteneren morphologischen Mustern beinhalten sollte. Zusätzlich ist eine robuste Softwarelösung erforderlich, die die Modellvorhersagen nutzerfreundlich visualisiert und sich in bestehende Systeme integrieren lässt.
Interview: Elisa Sophia Breuer