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Lipohypertrophien Kleine Beule, hoher Zucker

Autor: Joachim Retzbach

Bei insulinpflichtigen Diabetikern sollte regelmäßig die Injektionstechnik geprüft werden. Bei insulinpflichtigen Diabetikern sollte regelmäßig die Injektionstechnik geprüft werden. © Milos Dimic - GettyImages
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Jahrelang war der insulinpflichtige Typ-2-Diabetes eines 73-Jährigen gut eingestellt. Doch nun ließ sich der Blutzucker trotz erhöhter Insulindosis kaum bändigen. Dahinter steckte eine falsche Injektionstechnik, wie seine Ärzte herausfanden.

Wiederholte Insulininjektionen in die gleiche Hautpartie können Diabetikern Probleme bereiten. An solchen bevorzugt genutzten Einstichstellen bilden sich häufig Lipohypertrophien, die zu einer schlechteren Resorption des Insulins führen. Die Fettgewebspolster können mitunter hinter einer Verschlechterung der Stoffwechseleinstellung bei sonst guter Therapieadhärenz stehen, wie Autoren um Alexandra Iranyi-Kleinfeld, Ärztin im Schweizerischen Baden, berichten.

Die Kollegen beschreiben den Fall eines 73-jährigen Patienten, der nach einem jahrelang gut eingestellten Typ-2-Diabetes mit einem HbA1c-Wert von 9,3 % vorstellig wurde. Die Blutzuckereinstellung hatte sich seit etwa einem Jahr trotz Erhöhung der Insulindosis stetig verschlechtert. Hinweise auf Veränderungen in der Ernährung oder der körperlichen Aktivität gab es keine. Zusätzlich zu seiner Adipositas wies der Mann als weitere Komorbiditäten eine arterielle Hypertonie und eine Dyslipidämie auf, beide waren medikamentös adäquat eingestellt. Klinisch und laborchemisch ergaben sich keine Hinweise auf eine hormonelle Störung. Jedoch fielen am Abdomen rechts und links des Bauchnabels deutlich sichtbare Lipodystrophien auf.

Im Gespräch stellte sich heraus, dass der Patient schon seit Längerem nur diese beiden ausgeprägten „Spritzhügel“ zur Injektion nutzte, da er dort beim Einstich weniger Schmerzen verspürte. Zudem wechselte er die Nadeln für seine Insulin-Pens nur alle zwei bis drei Tage. Nach Aufklärung über die richtige Injektionstechnik verbesserte sich die Blutzuckereinstellung des Patienten, die bereits anfangs um 30 % reduzierte Insulindosis konnte im weiteren Verlauf nochmals um 10 % verringert werden.

Betroffen sind bis zu 55 % der insulinpflichtigen Diabetiker

Ein seltener Wechsel sowohl der Einstichstellen als auch der Pen-Nadeln sind klassische Ursachen einer Lipohypertrophie. Durch die regelmäßige Injektion in die gleichen Hautstellen bilden sich narbige Veränderungen; stumpfe Nadeln sorgen zudem für ein viel stärkeres Gewebetrauma. Beim Heilungsprozess werden Wachstumsfaktoren freigesetzt, was die Vergrößerung der Adipozyten begünstigt – bis hin zu den tast- und manchmal auch sichtbaren Beulen unter der Haut. Je nach Patientenkollektiv und Diagnosemethode zeigen 5–55 % der Diabetiker, die Insulin verwenden, Lipohypertrophien.

Verschlechtern sich die Blutzuckerwerte, sollte daher vor einer Dosiserhöhung immer nach den Fettbeulen Ausschau gehalten werden, so die Autoren. Das gilt umso mehr nach dem Ausschluss anderer häufiger Ursachen für erhöhte Langzeit-Blutzuckerwerte, wie:

  • Gewichtszunahme
  • verringerte körperliche Aktivität
  • veränderte Ernährungsgewohnheiten
  • mangelnde Therapieadhärenz
  • Sekundärversagen der Betazellen
  • schlechtere Betazellfunktion durch Glukosetoxizität
  • hormonelle Ursachen
  • Medikamente (z.B. Kortison)

Eine Unterweisung in der korrekten Spritztechnik kann den HbA1c und den Insulinbedarf der Betroffenen signifikant senken. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass es durch die schnell verbesserte Insulinresorption nicht zu vermehrten Hypoglykämien kommt. Da sich im Laufe der Jahre oft Fehler im Handling der Injektionen einschleichen, sollten Patienten regelmäßige Schulungen erhalten.

Quelle: Iranyi-Kleinfeld A et al. Swiss Med Forum 2022; DOI: 10.4414/smf.2022.08738