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Umstrittener Nierenschutz Kleine Kinder mit vesikoureteralem Reflux benötigen kein Antibiotikum

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Für die Indikation sollten Faktoren wie Patientenalter und Geschlecht sowie der Schweregrad des Refluxes berücksichtigt werden. Für die Indikation sollten Faktoren wie Patientenalter und Geschlecht sowie der Schweregrad des Refluxes berücksichtigt werden. © alexkoral – stock.adobe.com
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Um Harnwegsinfektionen vorzubeugen und Nierenschäden zu verhindern, erhalten heute viele Kinder mit vesikoureteralem Reflux eine Antibiotikaprophylaxe. Doch deren Nutzen ist nach wie vor umstritten.

Antibiotika halbieren Risiko für Harnwegsinfekt

Was sie tatsächlich bringt, wollten die Autoren der PREDICT*-Studie in einem Kollektiv von 292 Säuglinge im Alter zwischen einem und fünf Monaten prüfen. Die Babys litten alle an einem Reflux der Schweregrade III, IV oder V, hatten aber noch keinen Harnwegsinfekt (HWI) durchgemacht. Sie bekamen entweder 24 Monate lang ein Antiinfektivum oder blieben unbehandelt. In der Vorsorgegruppe entwickelten 31 Kinder (21 %) einen HWI, ohne Therapie waren es 52 (36 %). Das relative Risiko für einen Infekt wurde also halbiert (Hazard Ratio 0,55).

Allerdings hatten von den nicht therapierten Studienteilnehmern fast zwei Drittel (64 %) während der gesamten Studienphase gar keinen HWI. Um zwei Jahre lang eine Erkrankung zu verhindern, müsste man demnach sieben Kinder behandeln, rechnet das Autorenteam um Dr. William Morello von der Universität Mailand vor.
Zudem traten unter der Prophylaxe mehr Infektionen mit Pseudomonaden und anderen Nicht-Kolibakterien auf. Antibiotikaresistenzen wurden ebenfalls häufiger gesehen. Wesentliche Unterschiede zwischen den Gruppen hinsichtlich neu aufgetretener Nierenschäden und funktioneller Einbußen (z.B. eGFR) gab es nach 24 Monaten nicht.

Angesichts dieser Ergebnisse halten die Studienautoren eine routinemäßige Antibiotikaprophylaxe bei Säuglingen bzw. Kleinkindern mit vesikoureteralem Reflux für nicht gerechtfertigt. Sie sollte nur bei den stärker gefährdeten Mädchen mit hochgradigem Reflux und zur Vorbeugung von Rezidiven nach einem Infekt erwogen werden.

Auch Prof. Dr. Tej Mattoo von der Wayne State University School of Medicine in Detroit plädiert für eine selektive Prophylaxe. Für die Indikation sollten Faktoren wie Patientenalter und Geschlecht sowie der Schweregrad des Refluxes berücksichtigt werden, ebenso bereits vorhandene Nierenschäden und Funktionsstörungen von Blase und Darm.

* Antibiotic Prophylaxis and Renal Damage in Congenital Abnormalities of the Kidney and Urinary Tract

Quellen:
1. Morello W et al. N Engl J Med 2023, 389: 987-997; DOI: 10.1056/NEJMoa2300161
2. Mattoo TK. N Engl J Med 2023; DOI: 10.1056/NEJMe2308885