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Krebs: „Die Diagnose öffnete mir einen neuen Weg“

Autor: MPL-Redaktion

Eine Krebs-Diagnose kann das Leben auch zum Besseren wenden. Eine Krebs-Diagnose kann das Leben auch zum Besseren wenden. © kieferpix – stock.adobe.com
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Hilmar S. erkrankte vor 13 Jahren an einem malignem Lymphom. Der niedersächsische Chirurg erzählt von seinen Erlebnissen und Erfahrungen seit seiner Diagnose. Und über das, was die Krankheit an seinem Leben verändert hat.

Ich arbeitete zum Zeitpunkt meiner Erkrankung, im Jahr 2003, als Notfallarzt in einer Klinik südlich von Bremen. Der Job war sehr anspruchsvoll, mit regelmäßigen Nacht- und Wochenenddiensten. Meine Familie kam viel zu kurz. Die Gesundheit auch. Ich kompensierte in diesen Jahren meinen Stress nämlich mit übermäßiger Nahrungsaufnahme. Die Folge: mindestens 25 Kilo zu viel auf den Rippen. Nicht gerade rühmlich für einen Mediziner.

Jetzt neu: Perspektive LEBEN 02/2016

Das Magazin für Menschen mit Krebsdiagnose und ihre Angehörigen
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Die vergrößerten Lymphknoten hatte ich nicht bemerkt

Rückblickend zeigten sich bei mir recht viele der typischen Symptome meiner damaligen Krankheit. Alles begann mit plötzlich auftretenden nächtlichen Schweißausbrüchen, nicht jede Nacht, aber schon zwei bis drei Mal pro Woche. Hinzu kamen Müdigkeit und körperliche Schwäche. Ich stellte das alles in einen kausalen Zusammenhang und schob es letztlich auf meinen Arbeitsstress. Ich beschloss dann, etwas kürzer zu treten. Die Beschwerden ließen aber nicht nach. Stattdessen gesellte sich noch ein Husten hinzu. Ich suchte daraufhin meinen Hausarzt auf und schilderte ihm meine Probleme.

"Ich hatte eine Menge Stress in dieser Zeit"

Er untersuchte mich sehr gründlich. Zu meiner Überraschung ertastete er dabei vergrößerte Lymphknoten im Halsbereich. Ich selbst hatte sie bis zu diesem Zeitpunkt nicht bemerkt, wahrscheinlich, weil ich aufgrund meines Übergewichtes auch über eine ordentliche Fettschicht am Hals verfügte. Nervosität stieg nun in mir auf. Das war irgendwie nicht normal. Mein Hausarzt sah das auch so und schickte mich zur Abklärung in eine Bremer Klinik. Dort begann dann ein mehrtägiger Untersuchungsmarathon.

Die Ärzte nahmen sich vor allem die dicken Lymphknoten vor. Im Rahmen einer offiziellen Ergebnisbesprechung teilte man mir schließlich mit, dass ich an Morbus Hodgkin erkrankt sei, ein sogenanntes malignes Lymphom. Ich litt also an bösartigen Lymphknotengeschwülsten. An Krebs. Unbehandelt führt diese Krankheit, so viel wusste ich als Mediziner, stets zum Tod.

Die Angst kam nur vorübergehend

Damit hatte ich nicht gerechnet, wenn auch während der Untersuchungen kurz darüber nachgedacht. Jetzt hatte ich Angst. Zwar sprach der Kollege mir sofort Mut zu: Das Krankheitsstadium sei noch nicht so weit fortgeschritten und daher gut behandelbar. Dennoch, das Ganze kam so unerwartet, dass ich es erst einmal verdauen musste. Ich rief einen Studienfreund in München an, der sich mit Onkologie beziehungsweise Lymphomen gut auskennt. Wir sprachen zwei Stunden über meine Erkrankung. Danach ging es mir deutlich besser. Die sachliche Auseinandersetzung mit meiner Dia­gnose half mir. Ich konnte so meine Angst und meine Gefühle gut kontrollieren.

Erst anschließend informierte ich meine Frau. Ich stand ihr in allen Fragen Rede und Antwort. Das war mir wichtig. Ich strahlte Zuversicht aus. Und das beruhigte sie – und somit auch mich. Eine Woche später begann meine Chemotherapie. Der erste Zyklus erfolgte stationär. Die folgenden sieben wurden ambulant durchgeführt. Das Ganze dauerte rund acht Monate. Im Anschluss bekam ich über drei Wochen eine Strahlentherapie verabreicht.

Meine Welt wurde eine bessere 

Während dieser Therapie-Monate änderte sich meine Weltanschauung. Ich versuchte trotz der Nebenwirkungen, das Leben zu genießen, aber auch zu verändern. Ich trieb so oft es ging Sport. Zu Beginn musste ich mich zwar immer wieder aufraffen, doch meist zog ich mein Trainingsprogramm konsequent durch. Das half mir – davon bin ich ganz fest überzeugt – die Behandlung besser zu bewältigen. Ich entwickelte in dieser Zeit, etwa nach der Hälfte der Therapie, sogar mehr Kraft und Ausdauer als vor meiner Erkrankung. Das faszinierte mich! Und es spornte mich zusätzlich an. Das war wie ein Turbo.

Obendrein ernährte ich mich sehr bewusst. Viel Obst und noch mehr Gemüse. Nahrungsmittel, die mir vorher gar nicht schmeckten, waren auf einmal ein Hochgenuss für mich. Auch wenn ich sie nicht immer vertrug, gerade zu Beginn meiner Chemo. Manchmal mixte ich übrigens mit einem Pürierstab verschiedene Sorten zu einem Drink. Heute nennt man das wohl Smoothie. Fleisch wurde zur Nebensache. All das kostete mich überhaupt keine Überwindung. Im Gegenteil, es machte mir Spaß zu beobachten, wie sich mein Körper zum Positiven veränderte.

Die Familie zuerst

Zudem setzte ich meine Prioritäten anders. Meine Familie war nun das Zentrum meines Lebens. Im Geiste waren sie das natürlich schon immer, nur lebte ich diesen Gedanken jetzt auch: Wir unternahmen viel miteinander. Und wenn wir Termine machten, wurden diese meinerseits auch eingehalten. Das hieß nicht, dass ich die Arbeit vernachlässigte. Meine persönliche Beziehung zu ihr war lediglich eine andere geworden. Eine sachliche. Eine gesündere. Und das habe ich bis heute nicht geändert.

Das Absetzen der Chemotherapie führte dann in kürzester Zeit zu einem regelrechten Energieschub. Als meinem Körper keine schwächenden Medikamente mehr zugeführt wurden, kam meine neue Lebensweise, mit bewusster Ernährung und regelmäßigem Sport, erst richtig zur Geltung. Ich fühlte mich seitdem wie ein neuer Mensch, konnte mit einem Male Bäume ausreißen.

Eine Reha war bei mir nicht notwendig. Die Nachsorgeuntersuchungen verliefen allesamt positiv. Ich gelte seit vielen Jahren als geheilt und halte nach wie vor mein Idealgewicht – auch wenn ich ab und zu mal an einem Steak mit Pommes nicht vorbeigehen kann.