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Beckenbodentraining Mit einfachen Übungen Inkontinenz vorbeugen oder lindern

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Auch Männer können betroffen sein. Auch Männer können betroffen sein. © Asya- stock.adobe.com
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Bei einem schwachen Beckenboden ist Inkontinenz vorprogrammiert? Nein, ein gezieltes Training kann verhindern, dass es zu unwillkürlichem Harnverlust kommt. Allerdings werden die Übungen häufig zu spät, zu selten oder zu kurz durchgeführt.

Funktionsstörungen des Beckenbodens befallen Frauen aller Altersstufen. Schon mit 20 Jahren ist jede zehnte betroffen, mit 80 Jahren leidet die Hälfte daran. Auch Männer können betroffen sein. Typische Zeichen sind neben der Harn- und Stuhlinkontinenz Miktionsprobleme, Organprolaps, sexuelle Dysfunktion und chronische Schmerzen, schreiben Dr. Nicola Okeahialam vom Croydon University Hospital in Thornton Heath und Kollegen.

Eine wirksame Methode zur Vorbeugung und Linderung der Beschwerden ist gezieltes Beckenbodentraining. Es verbessert Kraft, Ausdauer und Relaxationsfähigkeit der Muskulatur. In Großbritannien wird es für symptomatische Patientinnen und präventiv für alle Frauen ab zwölf Jahren empfohlen. Die Leistung der pelvinen Muskulatur lässt sich mithilfe einer digitalen vaginalen Untersuchung erfassen.

Kriterien zur Beurteilung des Beckenbodens

  • maximale Kontraktionsstärke
  • Zeit, die die maximale Kontraktion gehalten werden kann (bis 10 sec)
  • Anzahl maximaler Kontraktionen mit jeweils 4 Sekunden Pause (max. 10)
  • Anzahl willkürlicher 1-Sekunden-Kontraktionen

Grundlage des Trainings sind Kontraktionsübungen, die die muskuläre Funktion unter Belastung verbessern (z.B. Husten, Niesen, schweres Heben). Sie werden im bequemen Sitz mit leicht gespreizten Knien durchgeführt. Dabei soll die Frau die Muskeln um Anus und Vagina anheben und straffen, so als ob sie einen Flatus- oder Urinabgang verhindern will. Sobald ihr das im Sitzen gelingt, soll sie die Übungen im Stehen und bei anderen Aktivitäten (z.B. Laufen) durchführen.

Am Anfang genügt eine willkürliche Kontraktion von ein bis zwei Sekunden Dauer, später sollte diese sechs bis zehn Sekunden gehalten werden – jeweils gefolgt von einer ebenso langen Ruhezeit. Die adäquate Entspannung verhindert einen erhöhten Tonus der pelvinen Muskulatur. Wenn die Basiskontraktion geschafft wird, werden die Übungen schrittweise verlängert, wenn möglich bis zu einem Maximum von zehn Sekunden.

Bei mangelnden Fortschritten sollte man zunächst die korrekte Durchführung überprüfen. Etwa ein Viertel der Frauen wissen trotz verbaler Instruktion nicht, wie sie ihren Beckenboden kontrahieren können. Sie profitieren eventuell von einer digitalen Untersuchung der Vagina, bei der sie die muskuläre Anspannung spüren lernen. Falls dies nicht gelingt, empfehlen die Autoren ein professionelles ­Training, gegebenenfalls mit Unterstützung durch Biofeedback, elektrische Stimulation oder einen Vaginalkonus.

Für einen dauerhaften Effekt werden dreimal täglich acht bis zwölf maximale Kontraktionen angeraten. Dieses Pensum steigert nachweislich die pelvine Muskelkraft und verringert die Inkontinenz. Allerdings hapert es häufig mit der Compliance. In einer Studie mit postmeno­pausalen Frauen trainierten 70 % nach einem Jahr nur noch zwei- bis dreimal in der Woche. Außerdem ist Geduld gefragt: Bis zu einem merklichen Effekt können Monate vergehen.

Training meist in Eigenregie möglich

Das Beckenbodentraining kann im Prinzip in Eigenregie durchgeführt werden. Eine professionelle Überwachung wird in Großbritannien für Frauen empfohlen, die bereits an einer Stress- oder gemischten Harninkontinenz leiden. Auch Patientinnen mit einem Prolaps, der noch nicht über das Hymen herausragt, können davon profitieren. Ein stärkerer Vorfall erfordert die Überweisung zum Spezialisten. Bei Schwangeren kann ein präventives Übungsprogramm während der Gravidität und postpartal das Auftreten von Symptomen verhindern. Es wird vor allem für Frauen mit Risikofaktoren wie familiäre Belastung, vaginal-operative Entbindung, Geburt aus Beckenendlage und Schädigung des analen Sphinkters empfohlen.


Quelle: Okeahialam NA et al. BMJ 2022; 378: e070186;  DOI: 10.1136/bmj-2022-070186