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Prostatektomie Möglicher Benefit durch längere Androgendeprivationstherapie als Zusatz zur Bestrahlung 

ESMO 2022 Autor: Mascha Pömmerl

Grundsätzlich müsste die Patientenselektion für eine intensivierte postoperative ADT zur Radiotherapie verbessert werden. Grundsätzlich müsste die Patientenselektion für eine intensivierte postoperative ADT zur Radiotherapie verbessert werden. © shidlovski – stock.adobe.com
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Die optimale Länge einer Androgendeprivationstherapie, die ergänzend zur Radiotherapie nach radikaler Prostatektomie und Lymphadenektomie gegeben wird, ist noch nicht klar definiert. Gleich mehrere Experten beschäftigten sich auf dem ESMO 2022 mit dieser Fragestellung.

In die RADICALS-HD(Hormone Duration)-Studie1 wurden Patienten rekrutiert, bei denen nach der radikalen Prostatektomie eine RT indiziert war und die nach der Operation noch keine ADT erhalten hatten. Bereits vor der Operation wurden die Betroffenen in folgende Gruppen mit verschieden langer ADT randomisiert:

  • keine ADT
  • sechs Monate ADT (kurz)
  • 24 Monate ADT (lang)

Primärer Endpunkt war das meta­stasenfreie Überleben (MFS).

Ursprünglich war ein direkter Vergleich der drei Gruppen ge­plant. Wie Prof. Dr. Chris Parker, Royal Marsden NHS Foundation Trust, ­Sutton, berichtete, wurden daraus im Durchführbarkeitsstadium zwei Studien mit Zweier-Randomisierung: Somit wurden keine vs. kurze ADT und kurze vs. lange ADT separat getestet – immer kombiniert mit der Radiotherapie.

Letztendlich wurden 1.480 Patienten für den Vergleich „keine ADT vs. kurze ADT“ und 1.523 Patienten für den Vergleich zwischen kurzer und langer ADT randomisiert. Nur für diese beiden Vergleiche war die Studie statistisch ausreichend gepowert. Die ADT war in der Studie nicht standardisiert, wie Prof. Dr. Silke Gillesen, Oncology Institute of Southern Switzerland, Bellinzona, in der Diskussion anmerkte.

Kleiner MFS-Vorteil durch längere ADT

Das mediane Follow-up betrug neun Jahre. Das metastasenfreie Überleben unterschied sich zwischen kurzer und keiner ADT nicht si­gnifikant (HR 0,89; p = 0,35). Allerdings wurde ein signifikanter Vorteil zugunsten der zusätzlichen kurzen ADT beobachtet für die Zeit, bis eine hormonelle Salvagetherapie notwendig war (HR 0,54; p < 0,0001).

Der Vergleich zwischen RT/kurze ADT und RT/lange ADT ergab einen Benefit hinsichtlich des MFS zuguns­ten der langen ADT mit einer HR von 0,77 (p = 0,03). Zudem war die Fernmetastasenfreiheit verbessert mit einer Zehn-Jahres-Rate von 81 % vs. 88 % (HR 0,63; p = 0,002). Und auch die Zeit bis zur Salvage-ADT war verlängert (HR 0,73; p = 0,005), so der Vortragende. Die Ergebnisse waren in allen untersuchten Subgruppen ähnlich.

Aufgrund der guten Prognose der Patienten sind die Daten zum Gesamtüberleben der Studie noch unreif. Die absolute Verbesserung der MFS-Rate durch eine lange vs. eine kurze ADT zusätzlich zur RT betrage nach zehn Jahren 6 % mit einer Number needed to treat von etwa 17, stellte die Diskutantin Prof. Gillesen heraus. Beachtet werden sollte, dass in der RADICALS-HD-Studie etwa 80 % der Patienten einen Gleason-Score von < 8 hatten und etwa 40 % einen T2-Tumor. Gemäß S3-Leitlinie würde diesen Patienten keine adjuvante RT angeboten.2

Ebenfalls zur Evaluierung der optimalen Länge der ADT bei post­operativer RT führte die DADSPORT Metaanalysis Collaboration eine Metaanalyse von vier randomisierten klinischen Studien durch, in die auch die Ergebnisse der RADICALS-HD-Studie einflossen.3 Hinsichtlich des OS ergab sich keine klare Verbesserung durch eine zusätzlich zur RT durchgeführte ADT (HR 0,89). Aus zwei Studien lagen zum Analysezeitpunkt noch keine MFS-Daten vor; die Ergebnisse aus drei Studien ließen den Schluss zu, dass eine sechsmonatige ADT das MFS gegenüber keiner ADT verbessert (HR 0,82; p = 0,001). Sie zeigten einen zwar statistisch signifikanten, aber absolut kleinen Benefit.

Was wiegt mehr: Nebenwirkungen einer Langzeit-ADT oder Risikoreduktion?

In RADICALS-HD wie auch in der Metaanalyse wurden keine Lebensqualitätsdaten erhoben, die aber vor dem Hintergrund der Nebenwirkungen der ADT interessant wären, so Prof. Gillesen, ebenso wie die Patientenpräferenz. Grundsätzlich müsste die Patientenselektion für eine intensivierte postoperative ADT zur Radiotherapie verbessert werden.

Quellen:
1. Parker CC et al. ESMO 2022; LBA9 
2. S3-Leitlinie Prostatakarzinom, AWMF-Register-Nr. 043/022OL, www.awmf.org
3. Burdett S et al. ESMO 2022; LBA 64

ESMO Congress 2022