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Tuberkulose Schwindsucht im Ohr

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Mycobacterium tuberculosis kann sich auch auf den HNO-Bereich ausbreiten und dort für Entzündungen sorgen. Mycobacterium tuberculosis kann sich auch auf den HNO-Bereich ausbreiten und dort für Entzündungen sorgen. © Ulysses – stock.adobe.com
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Eine Tuberkulose abseits der Lunge vermutet man am ehesten im Urogenitalsystem, Lymphknoten, den Knochen oder den Meningen. Doch sie kann sich auch im Ohr festsetzen und dort für hartnäckige Entzündungen sorgen.

Wenn Patienten mit chronischen Otitiden untypische Symptome entwickeln oder nicht auf die Therapie ansprechen, sollte man auch an eine systemische Erkrankung denken. Einen beispielhaften Fall liefern Dr. Andrea­ ­ Büchel­ vom Ernst-von-Bergmann-Klinikum in Potsdam und Kollegen. 

Eine 23-Jährige hatte sich im Juli 2019 im Potsdamer Klinikum vorgestellt. Es bestand der Verdacht auf eine akute Mittelohrentzündung mit vestibulärer Beteiligung rechts und chronischer Otitis mesotympanalis links. Die Patientin erhielt eine beidseitige Parazentese sowie eine intravenöse Behandlung mit Ampicillin/Sulbactam und Methylprednisolon.

Histologisch zeigte sich eine granulomatöse Inflammation

Einen Monat später wurde die junge Frau wegen persistierender Otorrhö und Hörminderung bei Cholesteatomverdacht erneut überwiesen. Histologisch zeigte sich eine uncharakteristische granulomatöse Inflammation. Mycobacterium tuberculosis ließ sich zu diesem Zeitpunkt nicht nachweisen. 

Im September 2019 führten die HNO-Kollegen bei persistierendem Trommelfelldefekt eine rechtsseitige Tympanoskopie durch. Wieder ließ sich nur eine unspezifische Entzündung erkennen. Die beidseitige chronische Otitis media mit mesotympanalem Defekt bestand fort. Deshalb entschloss man sich zur Abklärung einer Granulomatose mit Polyangiitis, früher als M. Wegener­ bekannt. 

Inzwischen klagte die Patientin über einen neu aufgetretenen Hus­ten mit putridem Auswurf. In der CT zeigten sich Infiltrate im linken Lungenunterlappen. Die Bronchial­lavage förderte große Mengen säurefester Stäbchenbakterien mit nun positiver PCR für M. tuberculosis zutage. 

Unter der Kombination mit Pyrazinamid, Isoniazid, Rifampicin und Ethambutol bildeten sich die Symptome zurück, die Trommelfellperforationen verschlossen sich spontan. Das Hörvermögen besserte sich leicht, aber das Innenohr reagierte kaum auf die Therapie. Die Patientin wurde beidseits mit Hörgeräten versorgt.

M. tuberculosis kann sich auch transtubar ausbreiten

Eine extrapulmonale Tuberkulose kann sich auch im HNO-Bereich ausbreiten, erläutern die Autoren. Am häufigsten manifestiert sie sich dann an zervikalen Lymphknoten (88 %), es folgt mit weitem Abstand der Larynx (9 %). Andere Regionen wie Mittelohr, Nase und Pharynx sind nur selten betroffen (ca. 3 %).

Die Ausbreitung erfolgt hämatogen oder transtubar. Therapeutisch wird eine Viererkombination wie im vorliegenden Fall über zwei Monate empfohlen, gefolgt von einer Zweifachbehandlung über vier weitere Monate. Diese Zeitdauer sollte bei Knochen- oder ZNS-Beteiligung auf neun bis zwölf Monate ausgeweitet werden.

Quelle: Büchel AS et al. HNO 2023; 8: 526-592; DOI: 10.1007/s00106-023-01302-0