
Melanom-Früherkennung Vom Dermatoskop bis zur 3D-Ganzkörperfotografie mit KI-Analyse

In der Theorie sollte ein flächendeckendes, allgemeines Hautkrebsscreening die Melanom-Sterblichkeit verringern. Das Projekt SCREEN*, für das 2003 und 2004 rund 360.000 Personen von Dermatologinnen und Dermatologen bzw. geschulten Hausärztinnen und Hausärzten gescreent worden waren, zeigte: Frühe Melanomstadien wurden häufiger, fortgeschrittene Tumoren seltener diagnostiziert. Verglichen mit der Zeit vor Einführung des Screenings ließ sich allerdings für die Gesamtbevölkerung nach dessen Einführung keine reduzierte Melanomsterblichkeit nachweisen.
Der Anstieg früh diagnostizierter Tumoren (in situ und Stadium T1) lässt sich möglicherweise mit Überdiagnosen erklären, berichten Forschende um Dr. Elisabeth Gössinger vom Kantonsspital Basel. Zur Prüfung der Wirksamkeit des Screenings im Hinblick auf die Mortalität seien bisher noch nicht erfolgte randomisierte, kontrollierte Studien erforderlich. Zu empfehlen sei das Screening laut dem Autorenteam aber für Risikogruppen.
5–10 % der Melanome treten insgesamt familiär gehäuft auf
Ein heller Hauttyp sowie eine bestehende Immunsuppression erhöhen die Gefahr für ein Melanom. Zu beachten sind auch genetische Faktoren, v. a. vererbte Mutationen des Melanocortin-1-Rezeptors. Insgesamt können 5–10 % der Melanome mit einer familiären Häufung in Verbindung gebracht werden. Auch Personen mit besonders vielen, atypischen oder großen kongenitalen Nävi oder mit Xeroderma pigmentosum, Cowden- und FAMM-Syndrom sind prädisponiert. Auch wer als Kind mehr als drei Sonnenbrände hatte, trägt ein erhöhtes Risiko. Ähnliches gilt wahrscheinlich für Personen mit Outdoor-Berufen.
Selbstvertrauen ist gut – ist Selbstkontrolle besser?
Studien haben gezeigt, dass sich Ärztinnen und Ärzte nur in 1,5 % der Fälle durch einen niedrigen KI-Score umstimmen lassen, wenn sie selbst die Läsion für maligne halten. Umgekehrt verhält es sich deutlich anders: Jede oder jeder Zweite würde sich bei erhöhten Malignitätsscores von der KI überzeugen lassen und das ursprüngliche Urteil „benigne“ revidieren. Das Verbessert zwar die Identifikation von Melanomen, kann aber auch zur Überdiagnostik führen.
Das Autorenteam empfiehlt daher gezielte gesundheitliche Aufklärung insbesondere für vulnerable Gruppen: Laut Statistik nehmen Männer und Menschen mit niedrigem Bildungsniveau seltener an Vorsorgeuntersuchungen teil.
Klassisch kommen bei der Hautkrebs-Früherkennung die ABCDE-Kriterien zum Einsatz (Asymmetrie, Begrenzung, color (Farbe), Durchmesser, Entwicklung), zusätzlich das Ugly-Duckling-Zeichen, schreiben Dr. Gössinger und ihr Team. Dabei bleibt das Dermatoskop in der Hand erfahrener Ärztinnen und Ärzte weiterhin bewährt. Dessen Sensitivität lässt sich durch eine digitale dermatoskopische Verlaufskontrolle um knapp 19 % erhöhen.
Die Kombination mit fotografischen Methoden hat sich für Hochrisikogruppen bewährt. In deutschsprachigen Ländern wird oft eine 2D-Ganzkörperfotografie eingesetzt. Einige Kliniken haben auch Geräte für die teurere 3D-Ganzkörperfotografie angeschafft. 92 Kameras nehmen Fotos einer Person in einer Kabine auf. Die daraus entstehende dreidimensionale Rekonstruktion des Körpers (außer Fußsohlen, Kopfhaut und Schleimhäuten) kann anschließend per KI analysiert und auffällige Bereiche oder solche, die sich verändert haben, für eine sorgfältigere ärztliche Beurteilung vorselektiert werden.
Die Sensitivität der Ganzkörperfotografie mit KI-Auswertung liegt einer Studie zufolge etwa auf Facharztniveau. Ihr Problem ist jedoch die geringe Spezifität. Diese liegt für die 2D- und 3D-Ganzkörperfotografie bei 40 % bzw. 64,6 % (fachärztliches Personal: 92,3 %). Infolgedessen kommt es zu einer hohen Rate an falsch positiven und unnötigen Biopsien. Diese Einschränkung gilt auch für die verschiedenen modernen Apps zur Untersuchung von Nävi durch die Patientinnen und Patienten. Eine CE-zertifizierte niederländische Hautkrebsscreening-App beispielsweise würde in der aktuell verfügbaren Version pro histologisch bestätigtem Melanom mit knapp 260 Exzisionen einhergehen. Zum Vergleich: Dermatologinnen und Dermatologen „verursachen“ üblicherweise nur knapp 10 Exzisionen pro bestätigtem Melanom.
Eine niedrige Gesamtspezifität (knapp 21 %) weist derzeit auch der für die hausärztliche Praxis entwickelte, 2024 in den USA zugelassene DermaSensor auf, der auf der Basis der elastischen Streuspektroskopie arbeitet und für die Abklärung verdächtiger Läsionen zum Einsatz kommen soll. In Bezug auf die Sensitivität (95,5 %) schnitt der DermaSensor in einer Studie aber besser ab als Hausärztinnen und Hausärzte (83,0 %).
Trotz der derzeit noch bestehenden Einschränkungen hält das Autorenteam es für wahrscheinlich, dass sich die modernen Technologien in Kombination mit der KI zum Goldstandard des für Hochrisikopopulationen (inkl. Melanombetroffene) empfohlenen Screenings entwickeln. Hinsichtlich der Allgemeinbevölkerung bleibt die Evidenz der Früherkennung allerdings noch schwammig.
*Skin Cancer Research to Provide Evidence for Effectiveness of Screening in Northern Germany“
Gössinger EV et al. Dtsch Med Wochenschrift 2025; 150: 548-554; doi: 10.1055/a-2500-0825