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Seltene Erkrankungen Was bei Verdacht auf eine Genodermatose zu tun ist

Autor: Friederike Klein

Aufgrund der fragilen Haut bei der genetisch bedingten Epidermolysis bullosa, werden die Betroffenen auch Schmetterlingskinder genannt. Aufgrund der fragilen Haut bei der genetisch bedingten Epidermolysis bullosa, werden die Betroffenen auch Schmetterlingskinder genannt. © wikimedia/James Heilman, MD (CC BY-SA 3.0); wikimedia/Master Sgt. Keith A. Milks
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In Deutschland leiden schätzungsweise drei bis vier Millionen­ Menschen an einer seltenen Erkrankung. Mehr als zwei Drittel der Krankheiten sind genetisch bedingt, Hunderte davon betreffen die Haut. Jede Genodermatose mag deshalb für sich gesehen selten sein, in ihrer Gesamtheit sind sie es aber nicht.

Da die Symptome oft früh beginnen, ergibt sich der Verdacht auf eine Genodermatose bei vielen Patienten bereits im Kindesalter, erläuterte Prof. Dr. Leena Bruckner-­Tuderman von der Klinik für Dermatologie und Venerologie des Universitätsklinikums Freiburg. Als Beispiele nannte sie Xeroderma pigmentosum, KID-Syndrom, Ehlers-Danlos-Syndrom oder Epidermolysis bullosa.

Viele dieser Erkrankungen haben ein breites Spektrum an medizinischen Problemen im Schlepptau. Oft dauert es Jahre, bis die Patienten die richtige Diagnose erhalten. Das bedeutet für sie und ihre Angehörigen nicht nur eine starke Belastung. Das gezielte Krankheitsmanagement bzw. die Gelegenheit, an einer Therapiestudie teilzunehmen, bleiben ebenfalls auf der Strecke, so Prof. Bruckner-Tuderman. 

Neue Therapieoptionen in Aussicht

Bei manchen Erkrankungen hat sich inzwischen viel getan. Beispielsweise entwickelten Forscher eine topische Gentherapie bei rezessiv vererbter dystropher Epidermis bullosa: Dabei wird den Zellen das intakte Kollagen-VII-Gen durch ein modifiziertes nicht-replizierendes Virus zur Verfügung gestellt. Dieses „infiziert“ die Zelle, lässt aber das Erbgut des Patienten unberührt und erfordert auch keinen transgenen Zellgraft. In einer Phase-1/2-Studie führte diese Behandlung mit Beremagen geperpavec (B-VEC) gegenüber Placebo zu einer Reduktion der Wundoberfläche und einem rascheren Wundverschluss und ging ausschließlich mit Grad-1-Nebenwirkungen einher. Ein anderes Beispiel ist ein krankheitsmodifizierender Effekt des Anti-IL-17A-Antikörpers Secukinumab, der bei einem Patienten mit autosomal-rezessiv vererbtem Netherton-Syndrom beobachtet wurde. 

Bei unklaren Erkrankungsbildern solle man das WHO-Motto für seltene Erkrankungen „Think twice, seek advice“ beherzigen und im Zweifelsfall Rat suchen. „Kein Mensch kann 600 verschiedene Genodermatosen selbst kennen“, betonte Prof. Bruckner-Tuderman.

Spezielle Kategorien für spezialisierte Einrichtungen

Derzeit wird in Deutschland der von der EU geforderte Nationalplan für seltene Erkrankungen implementiert, dessen zentrale Einheiten die NAMSE-Zentren sind. NAMSE steht für Nationales Aktionsbündnis für Menschen mit seltenen Erkrankungen. Man unterscheidet innerhalb der Einrichtungen: 

  • A-Zentren: multidisziplinäre Referenzzentren mit mehreren integrierten B-Zentren, die auch Koordinationsaufgaben haben 
  • B-Zentren: Organ- bzw. krankheitsgruppenspezifische Fachzentren
  • C-Zentren: Kooperationszentren

Aktuell gibt es in Deutschland 37 A-Zentren, so Prof. Bruckner-Tuderman, z.B. das Freiburger Zentrum für Seltene Erkrankungen (FZSE), das zwölf B-Zentren integriert und Erstversorger, Patienten und Angehörige berät. Das Ziel ist Betroffene schneller zu diagnostizieren, besser über Erkrankungen zu informieren sowie ihnen eine hochspezialisierte und interdisziplinäre Versorgung zu ermöglichen. Zudem bietet das FZSE den Patienten einen Zugang zu klinischen Studien, Spezialtherapien und internationalen Netzwerken wie den über 60 europäischen Referenzzentren für Seltene Erkrankungen (ERN) in 20 Ländern. 

In Deutschland sind die Zentren mit Expertise für bestimmte Entitäten u.a. über den Versorgungsatlas für Menschen mit Seltenen Erkrankungen zu finden (s. Kasten). Auch die DDG hat ein Forum ins Leben gerufen. Mittlerweile gehören ihm 21 Zentren mit Expertise für bestimmte Genodermatosen an. In Freiburg gehört dazu das Zentrum für Fragile Haut und Epidermolysis bullosa. 

Wo findet man die Spezialisten?

Ob medizinisches Fachpersonal, Betroffener oder Angehörige – der Informations- und Unterstützungsbedarf ist bei Genodermatosen wie bei anderen seltenen Erkrankungen groß. Zentren und Ansprechpartner finden sich hier:

Bei Verdacht Zentrum kontaktieren

Zeigt ein Patient ein Leitsymptom, das den Verdacht auf eine Genodermatose weckt, beispielsweise ein Neugeborenes mit fragiler Haut, das im Alter von sechs Monaten ein bullöses Pemphigoid etwickelt, sollte man zunächst alle anderen Ursachen der Hautveränderungen ausschließen. Im Anschluss daran empfiehlt Prof. Bruckner-Tuderman, ein Zentrum für die jeweilige Verdachtsdiagnose zu kontaktieren und die nötigen Informationen weiterzugeben. Das Zentrum meldet dann zurück, ob Voruntersuchungen notwendig sind, bevor man gegebenenfalls den Patienten überweist. 

Nach der Überwisung folgt im Zentrum eine weitere klinische Untersuchung. Zudem werden alle noch notwendigen diagnostischen Maßnahmen ergriffen und die Befunde dann in interdisziplinären Fallkonferenzen – manchmal sogar auf internationaler Ebene – diskutiert. Diagnose, Managementplan und Informationen zu Patientenorganisationen werden zurück an den Zuweiser gemeldet. 

Dabei strebt man eine gemeinsame Betreuung der Betroffenen durch Zentrum und Zuweiser an, betonte Prof. Bruckner-Tuderman. Ist keine spezialisierte Einrichtung für die Verdachtsdiagnose zu finden, empfahl sie, die nächste Uniklinik-Ambulanz oder das nächstgelegene A-Zentrum für Seltene Erkrankungen zu kontaktieren. Diese Zentren übernehmen dann eine Lotsenfunktion.

Quelle: 28. Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie