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Osteogenesis imperfecta Zwischen OP, Atemtraining, Physio und Reha

Autor: Dr. Anne Benckendorff

Bei ausgeprägten Deformitäten schon bei der Geburt ist bei Sistieren der motorischen Entwicklung sowie bei Schmerzen und Frakturen die Begradigung der Extremitäten per Osteotomie indiziert. Bei ausgeprägten Deformitäten schon bei der Geburt ist bei Sistieren der motorischen Entwicklung sowie bei Schmerzen und Frakturen die Begradigung der Extremitäten per Osteotomie indiziert. © ShakataGaNai/wikimedia (CC BY-SA 2.5)
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Eine Heilung der Osteogenesis imperfecta gibt es nicht. Die Therapie umfasst im Wesentlichen operative Maßnahmen und die Versorgung von Frakturen, die Gabe von Bisphosphonaten sowie Atemtraining, Physiotherapie und Rehabilitation.

In Deutschland leben rund 4.000 Menschen mit Osteogenesis imperfecta, der sogenannten Glasknochenkrankheit. Bei eher leichten Formen treten vor allem Knochenbrüche während des Wachstums der Betroffenen auf. Nach Kindheit und Adoleszenz folgt eine vergleichsweise ruhige Lebensphase, bis sich die Krankheit im höheren Alter wieder deutlicher bemerkbar macht. Bei schwerer Ausprägung kommt es insbesondere bei Kindern und Jugendlichen zur deutlichen Verformung von Armen, Beinen und Wirbelkörpern. Häufig sind diese Patienten kleinwüchsig. Die Deformation von Wirbelsäule und Brustkorb sowie Frakturen der Rippen können die Atmung erheblich beeinträchtigen.

Häufigste Ursache für die Osteogenesis imperfecta ist eine autosomal-dominant heterozygote Mutation in den Genen der Kollagenbildung. Seltenere Formen können rezessiv vererbt sein, aber auch dominant oder über das X-Chromosom.

Eine krankheitsspezifische Therapie gibt es nicht, Heilung ist nicht möglich. Im Zusammenspiel von Pharmakotherapie, verschiedenen orthopädischen Maßnahmen und Operationen sowie mittels Physiotherapie und Rehabilitation lässt sich häufig aber die Selbstständigkeit der Patienten weitgehend sicherstellen.

Pharmakotherapie

Seit vielen Jahren werden für die Therapie bei Glasknochenkrankheit Bisphosphonate in den internationalen Konsensuspapieren empfohlen. Mittlerweile gelten diese Medikamente als Standard bei den schweren Formen, berichtet Prof. Dr. ­Wolfgang ­Rascher. Zwar würden kontrollierte randomisierte Untersuchungen hierzu fehlen, die Wirksamkeit der Substanzen stehe angesichts der Ergebnisse aus Beobachtungsstudien aber außer Zweifel, schreibt der ehemalige Direktor der Kinder- und Jugendklinik an der Universität ­Erlangen in einer ­Übersichtsarbeit. Die verschiedenen Bisphosphonate scheinen sich dabei in ihrer Effektivität nicht zu unterscheiden.

Bei Kindern und Jugendlichen senken die Bisphosphonate den Knochen­umsatz und erhöhen die Knochendichte und -masse. Bei etwa der Hälfte der jungen Patienten bessern sich Mobilität und Gehfähigkeit. Ob Bisphosphonate auch die Frakturrate senken, ist noch nicht bekannt. Unklar sind auch ihre Effekte auf Wachstum und Schmerzen.

Allerdings ist kein einziges Bisphosphonat in Deutschland für die Indikation Osteogenesis imperfecta zugelassen, betont Prof. ­Rascher, der Einsatz bei Kindern erfolgt also in der Regel off ­label. Erwachsene mit der Erkrankung erfüllen oft auch die Dia­gnosekriterien für Osteo­porose, sodass sich bei ihnen die Verordnung von Bisphosphonaten ohne Weiteres begründen lässt. Lediglich ­Neridronat verfügt in Italien über eine Zulassung für die Glasknochenkrankheit und kann importiert werden. Obwohl die Bisphosphonate schon lange breit eingesetzt werden, gibt es keine guten Daten zu Therapiedauer oder zur langfristigen Sicherheit, merkt der Autor an.

Meist bekommen Patienten mit Glasknochenkrankheit insbesondere im Winter zusätzliches ­Vitamin D, zumal sie sich aufgrund eingeschränkter Mobilität eher selten im Freien aufhalten. Die Kalziumversorgung ist in der Regel über die Nahrung gewährleistet.

Nach vielversprechenden Fallserien laufen bei Osteogenesis imperfecta Typ VI derzeit Studien mit dem RANK(Receptor Activator of NF-kB)-­Ligand-Inhibitor ­Denosumab. Der monoklonale Antikörper blockiert die RANKL-Kaskade, die für den gesteigerten Knochenabbau verantwortlich gemacht wird.

Orthopädisch-chirurgische Maßnahmen

Das Ziel von orthopädischen Maßnahmen und Operationen bei Osteo­genesis imperfecta ist, Funktionalität und Belastbarkeit des Skeletts so gut wie möglich herzustellen oder zu erhalten. Frakturen werden zunächst konservativ behandelt. Bei Säuglingen und Kleinkindern erfolgt dies mittels Wickelung und spezieller Lagerung, bei älteren Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Gipsverbänden.

Bei ausgeprägten Deformitäten schon bei der Geburt ist bei Sistieren der motorischen Entwicklung sowie bei Schmerzen und Frakturen die Begradigung der Extremitäten per Osteotomie indiziert. Hierfür werden meist im Alter von zwei oder drei Jahren sogenannte Teleskop­nägel verwendet, die sich auseinanderziehen und so den Knochen von innen über die gesamte Wachstums­phase hinweg stabilisieren können.

Physiotherapie und Rehabilitation

Bei verformten Knochen und Gelenkfehlstellungen müssen Bewegungsabläufe intensiv geübt, nach Ruhigstellungen die Muskulatur aufgebaut werden. Schwer betroffene Kinder benötigen gezieltes Training, um bestimmte Meilensteine für die motorische Entwicklung zu erreichen. Physiotherapie und Rehabilitation helfen, die Selbstständigkeit der Patienten im Alltag zu gewährleisten.

Quelle: Rascher W., Arzneiverordnung in der Praxis 2022; 3: 118-123