Sicherstellungsauftrag 2030 fehlen 10.000 Hausärzte

Gesundheitspolitik Autor: Hans Glatzl

Wie wird sich die Zahl der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte künftig entwickeln? Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat dazu erstmals ein Prognosemodell für die ärztliche Versorgung 2030 vorgestellt. Die Aussichten erscheinen trotz aller Bemühungen um Nachwuchs düster. Insgesamt fehlen 4.800 Ärzte in den Praxen. Bei den Grundversorgern sieht die Prognose im niedergelassenen Bereich noch schlechter aus. Negative Spitzenreiter bleiben die Hausärzte.

Auch wenn die Zahl der ambulant tätigen Ärzte bis 2030 steigen wird und die Zahl der Patienten sinkt, wird es eine zunehmende Versorgungslücke geben. Zu diesem Schluss kommt die Arztzahlprognose, die von der KBV beim Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit, dem Bundesinstitut für Berufsbildung, der Fraunhofer Gesellschaft sowie der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung in Auftrag gegeben worden war. Darin werden auch die beiden wichtigsten Ursachen für das Auseinanderdriften benannt: 1. brauchen immer mehr ältere und multimorbide Menschen auch mehr medizinische Betreuung, und 2. lassen sich immer mehr ambulant tätige Ärzte lieber anstellen, als dass sie sich in die Selbstständigkeit wagen.

Angestellte Ärzte arbeiten kürzer

Das Modell beschreibt den Status quo und rechnet die Zahlen aus 2014 bis zum Jahr 2030 unter Berücksichtigung des jeweils vorhandenen Ärzteangebotes unter den Kriterien Inflow-Aktivität-Outflow hoch, so erläutert Dr. Branko Trebar, Leiter der Abteilung Versorgungsstruktur der KBV die erhobenen Zahlen. Auch wenn man einen Anstieg nach Köpfen um rund 1 % einrechnet, werde das Angebot mit der demographisch bedingten Nachfrageerhöhung nicht mithalten können, so der Experte. Hier spiele gerade die Verschiebung der ärztlichen Tätigkeit in Richtung einer deutlich erhöhten Quote von angestellten Ärzten eine entscheidende Rolle. Während im Jahr 2006 gerade einmal 2,8 % aller ambulant tätigen Kollegen angestellt waren, waren es 2015 bereits 18 %. Und bis 2030, so schätzt man, wird der Anteil der angestellten Ärzte im ambulanten Bereich wohl auf 33 % anwachsen. Denn damit sei auch eine Arbeitszeitverkürzung verbunden. Während ein selbstständiger Arzt in eigener Praxis einen Arbeitsalltag von über 50 Wochenstunden bewältige, gibt sein angestellter Kollege nach 40 Stunden sein Stethoskop ab, so die Prognose (Abb. 1). Allein arbeitszeitbedingt verschwänden so bis 2030 rund 4.800 Arztstellen im ambulanten und 1.500 im stationären Sektor. Besonders dramatisch verlaufe die Entwicklung allerdings bei den Hausärzten. Hier fehlten in 15 Jahren sogar 10.567 (Abb. 2).

Niederlassung fördern

"Wenn jeder 5. Hausarzt verschwindet, finde ich das nicht lustig" bekennt sich Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), zu einer weiteren Förderung der Hausärzte als Rückgrat zur Erfüllung des Sicherstellungsauftrages, dessen Zukunft im Mittelpunkt der Tagung stand. Es müsse also darum gehen, die Niederlassung so attraktiv wie möglich zu gestalten. Den Praxisinhabern müsse eine angemessene Vergütung garantiert werden, ohne Budgetierung ihrer Leistungen.

Für Dipl.-Med. Regina Feldmann, stellv. Vorstandsvorsitzende der KBV, sind die Zahlen ein Ansporn, in den Bemühungen um hausärztlichen Nachwuchs nicht nachzulassen. "Generell gilt, dass wir die jungen Ärzte schon früh mit den Bedingungen des ambulanten Bereiches vertraut machen müssen. Nur so können sie realistisch einschätzen, ob die eigene Praxis für sie eine Option ist oder nicht." Der Masterplan Medizinstudium 2020 und die finanzielle Förderung von 7.500 Weiterbildungsstellen seien dazu wesenliche Bausteine. Ebenso wie die zukünftige Arbeit in Kooperation oder in Netzstrukturen und Zweigpraxen. Das Instrument der Niederlassungsförderung mit Praxen im KV-Eigenbetrieb sei zumindest im Hausärztebereich erfolgversprechend. Es soll als eine Art "Fahrschule für die Niederlassung" dienen, um die jungen Kollegen behutsam an die eigene Praxisleitung heranzuführen. Hans Glatzl


Hans Glatzl

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2017; 39 (2) Seite 42-43
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Abb. 1: Entwicklung der Summe aller ambulanten Ärzte. Die Betrachtung der "Köpfe" allein reicht nicht mehr aus Abb. 1: Entwicklung der Summe aller ambulanten Ärzte. Die Betrachtung der "Köpfe" allein reicht nicht mehr aus
Abb. 2: Hausärzte dringend gesucht! Die Entwicklung verläuft dramatisch Abb. 2: Hausärzte dringend gesucht! Die Entwicklung verläuft dramatisch