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Gesetz zu GKV-Finanzen Ärzte schließen Praxen zu, MFA stehen vor dem Tor

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

Anfang September bleibt so manche Praxistür für Patienten verschlossen. Anfang September bleibt so manche Praxistür für Patienten verschlossen. © Virchowbund; KV Berlin; KV Nordrhein
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Praxisplakate kündigen es an: Am 7. und/oder 9. September bleibt so manche Praxistür für Patienten verschlossen. Denn Ärzte und MFA protestieren gegen drohende Einbußen.

Sie werden laut, sie schlagen Krach, damit Minister Lauterbach, wieder auf sie baut. Ihnen mehr vertraut. Niemanden verhaut. Keinem die Zukunft versaut. Am besten weitere Mittel auftaut.

Am Nachmittag des 7. September stehen Medizinische und Zahnmedizinische Fachangestellte (MFA, ZFA) vor dem Brandenburger Tor. Sie demonstrieren für ihre Arbeit. Das geplante GKV-Finanzstabilisierungsgesetz macht ihnen Sorgen. Streicht der Gesetzgeber die Regelung zur extrabudgetären Vergütung von Leistungen bei neuen Patienten, kostet das die Vertragsärzteschaft etwa 400 Mio. Euro Honorar. Das hat das Zentralinstitut von KBV und KVen ausgerechnet. Weitere Einbußen scheinen noch hinzuzukommen. Auch bei den jährlichen Honorarverhandlungen zwischen KBV und GKV-Spitzenverband werden die Kassen das Portemonnaie zuhalten.

Wie sollen MFA ihren Lebensunterhalt bestreiten?

Der Verband medizinischer Fachberufe (VmF) befürchtet deshalb, dass für die Personalkosten in den Arzt- und Zahnarztpraxen weniger Geld zur Verfügung stehen wird als bisher. „Wovon sollen die MFA und ZFA bei den Preisentwicklungen ihren Lebensunterhalt bestreiten?“, fragt die Gewerkschaft. Laut Entgelt­atlas der Agentur für Arbeit habe im Jahr 2021 das mittlere Bruttogehalt für MFA bei nur 2.655 Euro gelegen. Bereits jetzt müssten Ärzte ihre Leistungen einschränken, weil ihnen nicht mehr ausreichend Fachkräfte zur Verfügung stünden.

Der VmF fordert für die MFA und ZFA u.a. „mehr Gehalt durch eine vollumfängliche und zeitnahe Gegenfinanzierung der Tariflöhne“ sowie „eine angemessene Anerkennung ihrer Leistungen in der Patientenversorgung“. Am 7. September 2022 versammeln sich die Fachangestellten von 13:30 bis 16 Uhr auf dem Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor in Berlin für Gespräche mit Bundestagsabgeordneten und eine zentrale Kundgebung.

Damit möglichst viele Praxisangestellten kommen können, hat die KV Berlin schon im Juli die Praxen aufgefordert, am 7.9. keine Patienten zu versorgen. Von 10 bis 13 Uhr bietet die KV online eine „Fortbildungsveranstaltung zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz und seine Folgen“ an. Für den Aushang in den Einrichtungen hat die KV ein Plakat vorbereitet. Den Aktionstag begleitet die Körperschaft auf Twitter unter #PraxenProtestieren0709.

Die KV Nordrhein bietet am 7.9. von 11 bis 13 Uhr Online-Infoveranstaltungen für Ärzte und Psychotherapeuten zum GKV-FinStG sowie eine weitere für MFA zur Telematik­infrastruktur und IT-Sicherheit an. Dass die Praxen dafür schließen, soll ein „deutliches Zeichen in Richtung Politik“ sein, die Abschaffung der Neupatientenregelung zu überdenken. Zur Information der Patienten hat die KV einen Flyer und ein Praxisplakat entworfen.

Der Virchowbund hat ebenfalls ein Plakat mit Kitteln am Nagel erstellt und sowie Aushänge für Praxisschließungen am 7. oder 9. September bzw. „heute“. 

Was wollen Sie Minister Lauterbach sagen?

Am 9. September findet nämlich eine Sondersitzung der KBV-Vertreterversammlung statt. Diese wird von 10 bis 12 Uhr als Livestream übertragen. Geplant war, dass Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) den Ärzten Rede und Antwort steht. Die KBV wollte ihn den wachsenden „Unmut über die Pläne der Bundesregierung“ spüren lassen. Allerdings kam eine Absage: Aufgrund anderer Termine könne der Minister nicht teilnehmen, zitiert ihn die KBV. Dennoch können Ärzte und Psychotherapeuten der KBV bis zum 6. September über ein Kontaktformular mitteilen, was sie Prof. Lauterbach sagen möchten. Die Zuschriften sollen auszugsweise verlesen und dem Minister "im Nachgang" übergeben werden.

Zudem läuft eine Unterschriftenaktion der KBV für einen offenen Brief an den Minister. Denn hatten nach Angaben der Körperschaft bis Donnerstagmittag (25.8.) bereits 35.000 Ärzte und Psychotherapeuten unterzeichnet. Darin heißt es: „Steigende Energie-, Personal- und Materialkosten bringen uns als Unternehmer und Arbeitgeber unter zusätzlichen wirtschaftlichen Druck, was auch dazu beiträgt, dass der Generationenwechsel in der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung massiv erschwert wird.“

Künftig weniger Arzttermine für gesetzlich Versicherte? 

Die beabsichtigte Streichung der Neupatientenregelung müsse gekippt werden, ansonsten sehe man „keinen Weg, wie wir die Versorgung der Patientinnen und Patienten auf dem bisherigen Niveau aufrechterhalten können“. Die letzte Warnung: „Die Arbeitskraft und Ressourcen der Niedergelassenen und ihrer Praxis­teams können nicht immer weiter ausgezehrt werden, weil sie endlich sind. Deshalb werden wir unser Angebot an unsere Patientinnen und Patienten reduzieren müssen ... Das Einsparen von Versorgungskapazitäten wird unausweichlich zu einer Terminverknappung führen, welche die Bevölkerung nur als GKV-Leis­tungskürzung wahrnehmen kann. “

Die Beratungsfolge für das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz sieht den ersten Durchgang im Bundesrat am 16. September vor und die erste Lesung im Bundestag am 22. September. Die 2./3. Lesung im Bundestag steht für den 20. Oktober an und der 2. Durchgang im Bundesrat am 28. Oktober 2022.

KV- und Ärzteverbandsfunktionäre setzen darauf, dass auf diesem Weg noch die gewünschten Änderungen erreicht werden können. So suchen z.B. Hartmannbund und Virchowbund bereits das Gespräch mit Abgeordneten.

© Virchowbund
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