Anzeige

Antikorruptionsgesetz: Toxische Verträge über Bord werfen

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Das Antikorruptionsgesetz wirkt erst langsam, dennoch ist Vorsicht geboten, meint Generalstaatsanwalt Alexander Badle.
Das Antikorruptionsgesetz wirkt erst langsam, dennoch ist Vorsicht geboten, meint Generalstaatsanwalt Alexander Badle. © Fotolia/Rawpixel.com
Anzeige

Viele Straftaten sind es bundesweit noch nicht, die Verstöße gegen das seit 2016 geltende Antikorruptionsgesetz zur Grundlage haben. Doch die Ruhe trügt. Experten raten zur Vorsorge für den Ernstfall.

Professor Dr. Hendrik Schneider, Universität Leipzig, nennt Zahlen aus der polizeilichen Kriminalstatistik. Diese verzeichnet für 2017 62 Straftaten nach dem neuen § 299a (Bestechlichkeit im Gesundheitswesen) und 66 Straftaten nach § 299b (Bestechung im Gesundheitswesen). Der Jurist geht von steigenden Fallzahlen aus, bisherige Verfahren sind seiner Einschätzung nach vor allem durch Zufallsfunde bei anderweitigen Ermittlungen ausgelöst worden.

Allerdings sei die Statistik unscharf, da je nach Bundesland mehr oder weniger Beamte zur Verfügung stünden und somit mehr oder weniger Tatverdächtige herausgefischt würden. Eventuell mache ein Polizeibeamter ein Kreuz bei § 299a/b, eine statistische Nacherhebung erfolge aber nicht. Oder er kreuze „Betrug“ an, ohne § 299a/b zu berücksichtigen. „Die Zahlen zeigen kein Bild der Wirklichkeit, aber bessere Zahlen haben wir nicht“, so Prof. Schneider.

Berufliche Verträge vor Abschluss prüfen lassen

Der Jurist verwies zudem auf den strafprozessualen Anfangsverdacht. Hier seien die §§ 299a und b entdeckt worden als „Knüppel, den ich jemandem zwischen die Beine werfe“. Ein Rechtsanwalt aus dem Publikum: „Solche Anzeigen erleben wir täglich.“ Hier ein Beispiel:

„Sehr geehrter Herr Staatsanwalt, seit 2012 arbeitet Herr Dr. X zwei Tage im Krankenhaus Y und führt chirurgische Operationen durch. Seine Einnahmen sind 7-stellig. Er arbeitet auch im MVZ. Also besteht ein eklatanter Verstoß gegen das Antikorruptionsgesetz. Mit freundlichen Grüßen.“

Ein solches ohne Absenderangabe versandtes Schreiben reiche bereits aus, um einen Anfangsverdacht zu begründen, sagt Prof. Schneider. Es hänge dann von der jeweiligen Staatsanwaltschaft ab, ob sie dem Hinweis nachgehe oder nicht.

Kritisch äußerte er sich zu Clearingstellen und Ärztekammern. Niedergelassene Ärzte, für die § 299a besonders relevant ist, sollen (d.h. müssen) nach § 24 Musterberufsordnung alle Verträge über die berufliche Tätigkeit vor ihrem Abschluss der Ärztekammer vorlegen, damit geprüft werden kann, ob die beruflichen Belange gewahrt sind. Clearingstellen und Ärztekammern zeigten jedoch Verweigerung und paternalistische Bevormundung, so Prof. Schneider. Das Votum erfolge z.T. oft ohne „strafrechtsdogmatisches Fingerspitzengefühl“. Dabei habe die Position dieser Stellen eine forensische Bedeutung, denn ein Staatsanwalt prüfe sofort, ob § 24 MBO eingehalten werde.

Nach Angaben des Leiters der hessischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Vermögensstraftaten und Korruption im Gesundheitswesen und Pressesprechers der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Alexander Badle, sind im Bereich der Staatsanwaltschaft Hessen bislang neun Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bestechlichkeit oder Bestechung im Gesundheitswesen eingeleitet worden. Auch bundesweit sei bislang kein inflationärer Anstieg von Ermittlungsverfahren erkennbar. Aktuelle Themenschwerpunkte seien Kooperationen an der Sektorengrenze ambulant/stationär sowie Verstöße gegen § 128 SGB V. „Das Depotverbot ist nach wie vor eine stark unterschätzte Regelung. Hier drohen zeitnah umfangreiche Ermittlungsverfahren“, sagt er.

Das Strafrecht stehe aber erst am Ende einer Kette präventiver Maßnahmen, sagt Volker Ettwig von der Berliner Kanzlei Tsambikakis & Partner. Er legt Unternehmen die Einrichtung eines Compliance-Management-Systems zur Sicherstellung des rechtmäßigen und richtlinienkonformen Verhaltens aller Beteiligten nahe, um z.B. präventiv „toxische Verträge über Bord werfen“ zu können. Erstellt werden sollte auch ein Plan mit den relevanten Eckpunkten für den Fall, dass die Polizei anklopft – also „wer macht wann was?“.

Anzeige