Kommentar Apotheken übernehmen ärztliche Aufgaben: Chance oder Risiko?

Aus der Redaktion Autor: Cornelia Kolbeck

Impfen, Diagnostik, Medikamentenabgabe: Apotheken sollen immer mehr ärztliche Leistungen übernehmen. Ein Gesetzesentwurf entfacht nun hitzige Debatten um Patientensicherheit und Versorgung. Ein Kommentar.

Asche auf mein Haupt. Obwohl ich Hausärztinnen und -ärzten durchaus viel Vertrauen entgegenbringe, gehöre ich zu den Abtrünnigen. Denn zum Impfen gegen Influenza gehe ich in die Apotheke. In diesem Jahr war ein Seniorenpaar vor mir dran und eines danach. Jedenfalls ging alles – wie schon in den Vorjahren – recht fix und alle waren zufrieden. 

Ehrlich gesagt bin ich für dieses Impfangebot der Apotheken dankbar. Auch die erweiterte Medikationsberatung ist eine gute Sache.

Künftig sollen in Apotheken sogar verschreibungspflichtige Medikamente ohne ärztliche Verordnung an chronisch Kranke und Menschen mit Dauerverordnung abgegeben werden dürfen. Warum auch nicht? Denn eine Ärztin oder ein Arzt wird vorher den Bedarf festgestellt haben. Wenn die elektronische Patientenakte funktioniert, ist alles zudem nachvollziehbar dokumentiert. 

Der Referentenentwurf für ein Gesetz zur Weiterentwicklung der Apothekenversorgung sieht noch weitere Geschenke an die Pharmazeutinnen und Pharmazeuten hinsichtlich der Übernahme ärztlicher Leistungen vor. Gestattet werden soll u. a. das Anwenden von In-vitro-Diagnostika bei der Testung auf diverse Viren. 

Nina Warken will mit diesem Vorhaben die anhaltend unter Überbeanspruchung klagenden Niedergelassenen entlasten. Doch statt Freude gibt es Empörung: Labordiagnostik gehört in ärztliche Hände, betonen die medizinischen Labore. Die KBV warnt vor der Aushöhlung ärztlicher Kompetenzen, einer Schwächung der Patientensicherheit und einem Zersplittern der Versorgungsstrukturen. 

Grundsätzlich ist eine solche Haltung zu verstehen. Jedenfalls mit Blick auf die Jahrzehnte, in denen die Praxen erfolgreich und zur Zufriedenheit der Versicherten behandelt und präventiv agiert haben. Doch die Lage hat sich geändert. Bürgerinnen und Bürgern kommt ein erweitertes Angebot nicht unrecht, denn dann können sie wählen zwischen kurzfristiger Hilfe in der Apotheke oder oft langem Warten in der Arztpraxis – sofern eine solche vor Ort überhaupt noch existent ist. Und für schwerwiegende Therapieentscheidungen werden die Betroffenen mit Sicherheit weiterhin ihre Ärztin oder ihren Arzt und nicht die Apotheke aufsuchen.