Ärztestatistik Bei Hausärzten sieht es düster aus

Gesundheitspolitik Autor: I. Dürr

Die Zahl der berufstätigen Ärztinnen und Ärzte in Deutschland ist im Jahr 2013 auf die Rekordhöhe von fast 360 000 gestiegen. So ist es der aktuellen Ärztestatistik zu entnehmen, die die Bundesärztekammer (BÄK) vorgelegt hat. Für einige Krankenkassen ist damit klar: Einen Ärztemangel gibt es hierzulande nicht. Die BÄK sieht das anders. Ein genauerer Blick in die Auswertung offenbart, wo der Schuh besonders drückt: bei den Hausärzten. Viele werden bald die Altersgrenze erreichen, und mehr Nachwuchs ist auf absehbare Zeit nicht in Sicht.

„Der Ärztemangel und der Mangel an Arztstunden sind keine Prognose mehr, sondern in vielen Regionen Deutschlands längst Realität. Und wir müssen davon ausgehen, dass sich dieser Mangel in den nächsten Jahren noch weiter verschärfen wird.“ So kommentierte Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der BÄK, die aktuelle Ärztestatistik für das Jahr 2013. Nach Ansicht Montgomerys weise allein schon die Zunahme der Behandlungsintensität in einer alternden Gesellschaft darauf hin, dass heute mehr Ärztinnen und Ärzte gebraucht werden als früher. So sei zwischen 2004 und 2012 die Zahl der ambulanten Behandlungsfälle in Deutschland um 136 Millionen und die der stationären um 1,8 Millionen auf 18,6 Millionen Fälle gestiegen.

Teilzeitarbeit wächst

Zugleich wachse eine Ärztegeneration heran, die der Work-Life-Balance eine höhere Bedeutung zumisst und die sich immer häufiger für Teilzeitarbeit entscheidet. Dies trifft sowohl auf Frauen wie auch auf Männer zu. Während im Jahr 2001 noch 31 000 Ärztinnen und Ärzte in Teilzeit arbeiteten, hat sich ihre Zahl nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2011 auf 54 000 erhöht. „Junge Menschen mit einer hochqualifizierten Ausbildung sind zu Recht nicht mehr bereit, ihren Lebensstil, ihre Lebensqualität und ihre Arbeitnehmerrechte an den Pforten der Krankenhäuser und Arztpraxen abzugeben“, so Montgomery. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die steigende Behandlungsintensität müsse die Steigerung der Zahl berufstätiger Ärzte um 2,5 % auf 357 252 eingeordnet werden.

Immer mehr angestellte Ärzte …

Zudem sei seit dem Jahr 2007 im ambulanten Bereich eine Zunahme bei der Zahl der Ärzte zu beobachten, die ein Arbeitsverhältnis als Angestellte anstreben. Dieser Trend hält weiter an. Im Jahr 2013 betrug der Zuwachs 1 459 (+7 %), womit sich die Gesamtzahl auf 22 304 erhöhte. Damit hat sich die Zahl der angestellten Ärzte im ambulanten Sektor seit 1993 (5 397) mehr als vervierfacht.

… und mehr Frauen

Auch der Anteil der Ärztinnen an der Gesamtzahl der berufstätigen Ärzte ist im Jahre 2013 weiter angestiegen und hat jetzt 45,0 % der Gesamtzahl (2012: 44,3 %) erreicht. Der Anteil der Ärztinnen an den berufstätigen Ärztinnen und Ärzten hatte 1991 noch bei rund einem Drittel (33,6 %) gelegen, seitdem hat sich der Frauenanteil um insgesamt 34 % erhöht. Von den 998 Facharztanerkennungen im Bereich der Allgemeinmedizin im vergangenen Jahr entfielen 632 auf Ärztinnen. Das sind fast zwei Drittel.

Aus dem Ausland – ins Ausland

Die Zahl der in Deutschland gemeldeten ausländischen Ärztinnen und Ärzte ist im Jahre 2013 um 3 345, das entspricht 10,3 %, auf 35 893 gestiegen. Die meisten ausländischen Ärzte kommen aus Rumänien (3 454), gefolgt von Griechenland (2 847) und Österreich (2 611) sowie Polen (1 830). Die Zuwanderung betrifft zwar das gesamte Bundesgebiet, ist aber prozentual in den neuen Bundesländern ausgeprägter.


Abgewandert ins Ausland sind im Jahre 2013 insgesamt 3 035 ursprünglich in Deutschland tätige Ärztinnen und Ärzte, wobei der Anteil der deutschen Ärzte 62,9 % beträgt. Die Abwanderung hat damit wieder zugenommen und liegt etwa auf dem Niveau von 2008. Die beliebtesten Auswanderungsländer sind – wie in den vergangenen Jahren – die Schweiz (793), Österreich (289) und die USA (143).

Alle werden älter

Gleichzeitig verabschieden sich immer mehr Ärzte in den Ruhestand. Ihre Zahl erhöhte sich 2013 um 3,8 % (2012: +2,6 %) auf 72 540. Dies belegt eindeutig, dass die demografische Entwicklung auch die Ärzteschaft erfasst hat. Seit Jahren nimmt das Durchschnittsalter der Ärztinnen und Ärzte zu. So ist der Anteil der unter 35-jährigen Ärzte nur um 0,8 % auf 18 % gestiegen, gleichzeitig wuchs aber der Anteil der über 59-Jährigen auf 15,6 % (Vorjahr: 15,4 %). Weiterhin ist der Anteil der 40- bis 49-Jährigen von 27,9 % auf 26,6 % zurückgegangen, während der Anteil der 50- bis 59-Jährigen von 28,1 % auf 28,3 % stieg. Damit gibt es mehr 50- bis 59-jährige als 40- bis 49-jährige Ärztinnen und Ärzte. Im ambulanten Bereich ist das Durchschnittsalter seit 1993 von 46,56 auf 53,09 Jahre im Jahr 2013 angestiegen.

Weniger Hausärzte

Die Zahl der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte ist zwar mit einem leichten Wachstum von 0,3 % auf 123 629 etwa konstant geblieben. Hier stellen die Fachärzte für Allgemeinmedizin die größte Gruppe dar. Doch sie sind zugleich auch die einzige Fachgruppe, die ein Minus von 1 % im Vergleich zum Vorjahr auf nunmehr noch 33 780 hinnehmen muss. Und diese Situation wird sich noch verschärfen. Denn unter den Hausärzten finden sich mit 4 108 Personen auch die meisten Ärzte, die älter sind als 65 Jahre.

Bei Ärzten herrscht Überbeschäftigung

Im September 2013 wurden 3 060 arbeitslose Ärztinnen und Ärzte gemeldet, wobei der Ärztinnenanteil 61,3 % betrug. Bezieht man die aktuelle Zahl der Arbeitslosen auf die Zahl der berufstätigen Ärzte insgesamt, ergibt sich eine sensationell niedrige Arbeitslosenquote von nur 0,9 %. Diese Zahlen liegen deutlich unter der Arbeitslosenquote, bei der Vollbeschäftigung herrscht. Das bedeutet, dass im ärztlichen Teilarbeitsmarkt „Überbeschäftigung“ herrscht.

Kassen winken ab

Die Ersatzkassen sehen in der Arztzahlstatistik 2013 keine Anhaltspunkte für einen Ärztemangel in Deutschland. „Die Zuwachsraten von 2,5 % bei den berufstätigen Ärzten im letzten Jahr sprechen nicht für einen Ärztemangel, vielmehr zeigen sie die hohe Attraktivität des Medizinerberufs“, erklärte Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek). 2013 hätten allein mehr als 138 000 niedergelassene Haus- und Fachärzte deutschlandweit für die Versorgung der Patienten zur Verfügung gestanden – so viele Ärzte wie nie zuvor.

Vielmehr seien bundesweit zurzeit über 80 % der Planungsbereiche mit Ärzten überversorgt, 18 % regelversorgt und lediglich bei knapp 2 % drohe oder bestehe eine Unterversorgung. Problematisch sei allerdings die ungleiche Verteilung der Ärzte in den Regionen. So sind einerseits in den überversorgten Regionen 32 000 Ärzte oberhalb des Versorgungsgrades von 100 % tätig und andererseits sind in einzelnen Regionen 1 300 Arztsitze zu besetzen, um einen hundertprozentigen Versorgungsgrad zu erreichen. Die Ersatzkassen fordern die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) daher auf, hier anzusetzen und Ärzte gezielt in schlechter versorgte Planungsbereiche umzulenken. „Es wird Zeit, dass die KVen endlich anfangen, Arztpraxen in überversorgten Gebieten aufzukaufen und nicht mehr mit neuen Ärzten zu besetzen. Nur so könne es gelingen, dass Ärzte aus überversorgten Planungsbereichen in weniger versorgte umgelenkt werden und so eine bessere Gleichverteilung der Versorgungsstrukturen erreicht wird. Die dazu notwendigen Instrumente hat der Gesetzgeber den KVen bereits an die Hand gegeben“, betont Elsner.

Auch den Argumenten, dass der erhöhte Frauenanteil und das leicht angestiegene Durchschnittsalter in der Ärzteschaft einen Arztmangel verursachen, widersprechen die Ersatzkassen. „Dass in den letzten Jahren auch der Frauenanteil, verbunden mit einer erhöhten Teilzeitquote, zugenommen hat und das Durchschnittsalter von Ärzten leicht angestiegen ist, sind Phänomene, die auch in anderen Berufen zu sehen sind. Daraus aber einen grassierenden Ärztemangel abzuleiten, ist falsch“, betont Elsner.

Mehr Nachwuchs wird gebraucht

Dieser Sichtweise widerspricht der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Gassen, vehement: „Die Krankenkassen müssen damit aufhören, einfach so zu tun, als wenn alles in Ordnung sei. Damit streuen sie ihren Versicherten Sand in die Augen. Und eines ist auch klar: Die Flatrate-Mentalität seitens der Kassen hat ausgedient: Immer mehr Leistungen für das gleiche Geld – das geht nicht.“

Für die KBV sind die aktuellen Ärztezahlen ein Beleg, dass die gesamte Gesellschaft gefragt ist, um die Niederlassung für den Medizinernachwuchs interessant zu machen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen würden die Niederlassung so einfach wie möglich gestalten, etwa durch Eigeneinrichtungen, Investitionshilfen und Umsatzgarantien, so Gassen. Gemeinsam mit den KVen führe die KBV derzeit eine Kampagne durch, die sich gezielt an junge Medizinstudenten richtet, um die positiven Seiten des Berufs zu zeigen. Die Kommunen sollten ein Standortmarketing betreiben ähnlich wie bei der Ansiedlung von Industriebetrieben. Und die Politik müsse helfen, verlässliche Rahmenbedingungen für Ärzte und Psychotherapeuten zu schaffen.

Um den Ärztemangel in Deutschland wirksam zu bekämpfen, seien zuallererst mehr Studienplätze in der Humanmedizin notwendig, meint BÄK-Chef Montgomery. Darüber hinaus müsse die Arbeit von Ärztinnen und Ärzten wieder attraktiver gestaltet werden, um mehr Berufsanfänger für die kurative Medizin zu begeistern. Neben besserer Anerkennung und Bezahlung der Arbeit in Klinik und Praxis bedürfe es flankierender Maßnahmen wie Abbau von Überstunden und Diensten, Entlastung von Bürokratie, flexiblen Arbeitszeitregelungen und mehr Angeboten für die Kinderbetreuung. Montgomery: „Es geht um nicht weniger als die Motivation einer ganzen Generation nachwachsender Ärztinnen und Ärzte.“

Dr. Ingolf Dürr

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (10) Seite 96-98
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.

Arztdichte in Deutschland zum 31.12.2013 (Einwohner je berufstätiger Arzt) Arztdichte in Deutschland zum 31.12.2013 (Einwohner je berufstätiger Arzt)
Entwicklung der im ambulanten Bereich angestellten Ärzte Entwicklung der im ambulanten Bereich angestellten Ärzte
Durchschnittsalter der Ärzte Durchschnittsalter der Ärzte