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Bei Leitlinien bleibt viel Raum für eine intransparente Einflussnahme

Speakers' Corner Autor: Dr. Wolfgang Wodarg

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Speakers Corner: Ein Platz für Themen, über die Sie sich aufregen. Dr. Wolfgang Wodarg, Vorstand von Transparency

Deutschland, kritisiert die Anhängigkeit der deutschen Leitliniengremien.

Leitlinien werden in Deutschland von Ärzten für Ärzte gemacht. Sie sollen gute Medizin ermöglichen und der Vereinfachung von medizinischen Entscheidungen dienen. Bei ihrer Abfassung soll der aktuelle Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaft berücksichtigt werden. Auch Gerichte und Kostenträger berufen sich im Streitfall auf sie.

Transparency International geht den Leitlinien auf den Grund

Doch kann die Erstellung von Leitlinien in der Medizin von der Gesundheitsindustrie oder von medizinischen Eigeninteressen missbraucht werden? Transparency hat den Bereich medizinischer Normensetzung auf Korruptionsanfälligkeit hin überprüft. Dabei wurde die Methode der nationalen Integritätsberichte angewendet.

Wir sind dabei u.a. folgenden Fragen nachgegangen: Gibt es ausreichende öffentliche Ressourcen für diese Arbeit? Sind Transparenz, Rechenschaftspflicht und Integrität durch eindeutige Regeln gesichert und in öffentlichem Interesse ggf. durchsetzbar? Welche Bemühungen zur Prävention, Erkennung oder Abstellung von Fehlverhalten sind erkennbar?

Gute Gesundheitsversorgung ist primär öffentliche Aufgabe. Wenn der Gesetzgeber diese Aufgaben selbstverwalteten Körperschaften überlässt, so darf er nicht vergessen, dass er im Interesse von Versicherten und Patienten in der Letztverantwortung bleibt. Die finanzielle Abhängigkeit der WHO hat z.B. dazu geführt, dass riskante Impfstoffe und Medikamente gegen eine von intransparenten Gremien zur Pandemie verfälschten Grippe weltweit vermarktet wurden.

Kritik an Gremien und Eigeninteressen

Wir kritisieren im Ergebnis unserer Recherchen: Auch deutsche Leitliniengremien sind von solchen Experten abhängig und lassen sie bei Entscheidungen mitwirken. Deren freiwillig erklärte Interessenkonflikte lassen zu viel Raum für intransparente Einflussnahmen.

Hinzu kommen unübersichtliche fachliche Eigeninteressen. Ob und wieweit sich Facharztgruppen mithilfe von Leitlinien die Praxen füllen können, bedarf dringender Abklärung. Wer z.B. eine Kieferhöhlenentzündung hat, der muss Glück haben, gleich zum richtigen Arzt zu gehen. Kieferchir­urgen, HNO-Ärzte und Hausärzte haben hierzu jeweils eigene Leitlinien geschaffen.

Das Instrument der freiwilligen Selbstkontrolle durch die Arbeitsgemeinschaft der medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) ist ein lobenswerter Ansatz. Durch Initiativen wie Leitlinienwatch oder Mezis entsteht eine zunehmend kritische Öffentlichkeit. Wir fordern, die medizinische Normensetzung unabhängig und gesetzlich zu regeln und dabei auf mehr Transparenz und Korruptionsprävention zu drängen.

Hier gelangen Sie zum TI-D-Leitlinienbericht: Öffnet externen Link in neuem Fensterhttp://bit.ly/2aXddoK

Dr. Wolfgang Wodarg
Vorstand Transparency Deutschland, Arzt,
ehem. Bundestagsabgeordneter

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