Bin ich schuldig oder nicht?
Mit welchen Sorgen kommen Ärzte zu Ihnen?
Ebert: Ärzte wünschen eine klare Aussage, ob sie sich mit bestimmten Handlungsweisen strafbar machen oder nicht. Das Problem an der Sache ist aber, dass es keine einfachen „Ja-Nein“-Kriterien gibt, denn im Strafrecht kommt es immer auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalles an. Die bloße Annahme eines Vorteils ist allein noch nicht strafbar, entscheidend ist, zu welchem Zweck und in welchem Kontext eine solche Zuwendung erfolgt.
Wann müssen sich Ärzte Sorgen machen, dass sie in den Fokus von Ermittlungen geraten könnten?
Ebert: Immer dann, wenn sie von der Industrie Zuwendungen erhalten. Für eine Strafbarkeit muss aber zusätzlich eine Unrechtsvereinbarung vorliegen. Das heißt: Als Gegenleistung für die Zuwendung soll es zu einer medizinisch nicht notwendigen Verordnungsentscheidung zugunsten des Vorteilgebers kommen.
Ein Beispiel wäre, wenn der Arzt eine Provisionszahlung für bestimmte Verordnungen erhält. Es wird also gegebenenfalls im Zuge von Ermittlungen geprüft, ob ein gewährter Vorteil geeignet ist, die Unabhängigkeit der heilberuflichen Entscheidung zum Vorteil des zuwendenden Anbieters zu beeinflussen. Ein Arzt müsste im Zweifel glaubhaft erklären können, dass die Zuwendung, also der Vorteil, nicht mit seinen Verordnungsentscheidungen zusammenhängt.
Ist ein Arzt auf der sicheren Seite, wenn sich der Kooperationspartner einem speziellen Kodex für eine ethisch einwandfreie Zusammenarbeit mit Ärzten unterwirft?
Ebert: Nicht unbedingt, denn das Unternehmen muss diese Regeln ja im konkreten Fall auch einhalten. Die forschenden Pharmaunternehmen haben sich zum Beispiel freiwillig dem FSA-Kodex unterworfen, trotzdem sind immer wieder Verstöße gegen diese Selbstverpflichtungen zu beobachten.
Betrifft das Antikorruptionsgesetz nur den Arzt?
Ebert: Das Gesetz betrifft alle Gesundheitsfachberufe, also auch Diätassistenten oder Diabetesberaterinnen mit solchen Grundberufen. Wenn diese Personen in Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Zuwendungen bekommen, sind sie möglicherweise auch Adressat für einen Straftatbestand.
Was könnte hier konkret zum Problem werden?
Ebert: Es ist nicht unproblematisch, wenn Praxispersonal – z.B. Diabetesberater/Innen – einerseits nebenberuflich für Pharmaunternehmen tätig ist, andererseits dann in der Praxis an Verordnungsentscheidungen mitwirkt. Solche Nebentätigkeiten sind per se nicht strafbar. Es muss aber sichergestellt sein, dass das Interesse an der weiteren Tätigkeit bzw. damit verbundenen Verdienstmöglichkeiten sich nicht auf das Verordnungsverhalten auswirken.
Wenn Hersteller Ärzten der Praxis kostenlos Blutzuckermessgeräte zur Verfügung stellen: Ist die Annahme strafbar?
Ebert: In dem Moment, wo der Arzt die Geräte annimmt, bekommt er eine Zuwendung. Die Frage ist, ob er glaubhaft machen kann, dass er sich durch die Annahme nicht in seinen Verordnungen beeinflussen lässt. Bei einem zu Schulungszwecken überlassenen Gerät ist das wohl unproblematisch, bei einem Abgabedepot in der Praxis dagegen kaum. Denn dann kann unterstellt werden, dass der Arzt bevorzugt die entsprechenden Teststreifen verordnen will und somit andere Anbieter benachteiligt, die ihm keine kostenlosen Geräte zur Verfügung stellen.
Wie kommt es zu Ermittlungen?
Ebert: Es gibt mehrere Möglichkeiten. Denkbar, aber wahrscheinlich eher selten dürfte es sein, dass der Arzt von einem unzufriedenen Patienten wegen Verdacht auf Korruption angezeigt wird, weil dieser nicht die Verordnung bekommt, die er gerne möchte. Wahrscheinlicher ist dagegen, dass ein Arzt in den Dunstkreis von Ermittlungen gerät, die sich gegen Unternehmen richten, mit denen der Arzt Verträge abgeschlossen hat bzw. von denen er Zuwendungen bekam.
Ist mit übereifrigen Staatsanwälten zu rechnen?
Ebert: Staatsanwälte sollen nach allgemeinen Grundsätzen und objektiv ermitteln. Natürlich kann man aber nicht ausschließen, dass manchen Verdachtsfällen mit besonderer Energie nachgegangen wird. Interessant für Ermittler ist es immer, wenn ein Arzt für relativ triviale Leistungen exorbitant hohe Summen abrechnen kann oder es Zusammenhänge zwischen Zuwendungen und Verordnungen gibt. Ich gehe aber davon aus, dass es eher selten zu einer Verurteilung von Ärzten kommt, denn bei geschickter Verteidigungsstrategie wird ein Tatnachweis schwer zu führen sein.
Was raten Sie, sollte der Arzt tun, wenn die Ermittler klingeln?
Ebert: Der Arzt sollte zunächst keine Aussagen machen, sondern umgehend die Hilfe eines spezialisierten Anwalts in Anspruch nehmen. Ohne richterlichen Beschluss bzw. förmliche Beschlagnahmeanordnung sollten Patientenakten oder Unterlagen keinesfalls an Ermittler herausgegeben werden.
Sollte es ein Strafrechtsanwalt sein?
Ebert: Dazu rate ich dringend. Angesichts der mit einer Strafverfolgung verbundenen Risiken ist es unbedingt zu empfehlen, frühzeitig einen auf Strafrecht bzw. Antikorruptionsrecht spezialisierten Anwalt einzuschalten.