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Versichertenbefragung der KBV Corona verleiht der 116117 Flügel

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

Mussten KBV und KVen 2019 noch die Werbetrommel für die Nummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes rühren, avancierte sie im Zuge der Pandemie zur millionenfach genutzten Corona- und Impfhotline. Mussten KBV und KVen 2019 noch die Werbetrommel für die Nummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes rühren, avancierte sie im Zuge der Pandemie zur millionenfach genutzten Corona- und Impfhotline. © KBV, iStock/kirstypargeter
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Seit 2020 bestimmt das Coronavirus hierzulande in gravierendem Ausmaß das Denken und Handeln der Menschen. Im Fokus steht insbesondere die Leistungs­fähigkeit des Gesundheitswesens. Die Versichertenbefragung der KBV zeigt: Das vertragsärztliche System ist flexibel und stabil.

Die gesetzlichen Krankenversicherten bewerten zu 90 % die Fachkompetenz ihres Arztes (beim letzten Praxisbesuch) und das Vertrauensverhältnis als gut bzw. sehr gut. Das tun sie schon seit 15 Jahren so, daran hat die Pandemie nichts geändert. Der KBV-Vorstand sieht darin die Bestätigung: Die Niedergelassenen können auch Krise!

Dennoch zeigen die gesetzgeberischen Einschränkungen und die Medienberichte zur Pandemie Spuren in der Telefonumfrage der Forschungsgruppe Wahlen für die KBV. Diese fand im April 2021 statt.

Wartezeiten in der Praxis wurden kürzer

Die Zahl der Praxisbesuche nahm im Pandemiejahr 2020 aufgrund der verordneten Einschränkungen und aus Angst von Patienten vor einer Infektion ab. Lediglich 80 % der Versicherten sagten, in den letzten zwölf Monaten beim Arzt gewesen zu sein. Davor waren 85 % üblich. 

Anlass für einen Kontakt waren nur noch zu 40 % akute Probleme (2019: 51 %). Dafür gewannen Vorsorge und Impfungen an Bedeutung (29 %  ggü. 22 %), beispielsweise gab es deutlich mehr Grippeimpfungen.

Da die Praxen die Hygienevorgaben auch per Terminmanagement meis­terten, erreichten nur noch 40 % der Patienten ihre Praxis sofort ohne Termin. Etwa genauso viele mussten länger als drei Tage auf den Arztkontakt warten. In der Praxis angekommen, sank der Anteil derjenigen, die dort über 30 Minuten ausharren mussten, auf 15 % (2019: 27 %). 43 % hatten sich bis zu einer Viertelstunde zu gedulden (2019: 33 %).

Beim „Politikum“ der unterschiedlich langen Wartezeiten von GKV- und PKV-Kunden (s. Grafik) stellt Matthias Jung von der Forschungsgruppe in den vergangenen zehn Jahren eine Angleichung fest.

Die KBV hat in den letzten Jahren viel Medien- und PR-Arbeit in zwei Themen gesteckt: die Gewinnung von akademischem Nachwuchs für die Praxen (Ärztemangel) und das Bekanntmachen der Bereitschaftsdienstnummer 116117. Bei beidem zeigt die Pandemie einen starken Einfluss auf die öffentliche Aufmerksamkeit. 

Ärztemangel nicht mehr als zentrales Problem empfunden

Das Thema Ärztemangel wurde bei der Einschätzung als „größte Herausforderung des Gesundheitssystems in den nächsten Jahren“ von der Spitzenposition verdrängt. Dort steht jetzt  die Pflege bzw. der Mangel an (Pflege-)Personal (16 %) sowie das Thema Coronavirus/Pandemien/Infektionen (13 %). Der Mangel an Ärzten wird nur noch von 9 % als größtes Problem gesehen. Allerdings weiß jeder vierte Befragte überhaupt kein gravierendes Problem im Gesundheitswesen zu benennen. Das Geld für die Kampagne mit den „Elfen“ (Elf-6, Elf-7) zum Bekanntmachen der einheitlichen Nummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes (ÄBD) und der Terminvermittlung hätte sich die KBV schenken können. Aber in die Zukunft kann eben keiner gucken. Corona machte die Hotline jedenfalls schlagartig bekannt. Im April behauptete fast jeder Zweite, sie zu kennen – wovon wiederum zwei Drittel auch die richtige Nummer aufsagen konnten. Allerdings gab nur jeder vierte Befragte an, sich an den ÄBD zu wenden, wenn nachts oder am Wochenende ärztliche Hilfe benötigt wird. Da die Krankenhäuser wegen der Pandemie schlechter zugänglich waren, wurde nun der Rettungsdienst stärker bevorzugt. 29 % nutzten die 116117 innerhalb der letzten zwölf Monate, davon 38 % wegen Corona. Laut KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister stieg die Zahl der Anrufe 2020 auf 18 Mio., nach 10 Mio. im Vorjahr. 

Corona- und Impf-Hotline statt telefonische Terminvermittlung

Dann wurde die Nummer noch zur Impf-Hotline, sodass die Zahl der Anrufe 2021 auf 67 Mio. hochschoss. Davon betrafen lediglich 12 % die originären KV-Aufgaben Bereitschaftsdienst und Arztterminvergabe.  Die Webseite 116117.de wurde im ersten Halbjahr 40 Millionen Mal aufgerufen. Ab dem nächsten Jahr hat die KV den gesetzlichen Auftrag, auch Video­sprechstunden über die 116117 zu vermitteln.

4500 Hausärzte setzten sich vor eine Webcam

Videosprechstunden sind eine „wertvolle Ergänzung“ des herkömmlichen Angebots, aber „keine neue Versorgungsform“, meint Dr. Hofmeister. 4500 Hausärzte haben sie angeboten. Im vierten Quartal rechneten sie 135 000 Fernbehandlungen ab.  Der Boom während der Pandemiehochphasen ist allerdings wieder abgeflaut. Dennoch: 2020 rechneten die Vertragsärzte bundesweit 2,7 Millionen Videositzungen ab – 2019 waren es erst 3000 gewesen. Jeder zweite Versicherte kann sich vorstellen, seinen Arzt per Videoschalte aufzusuchen (plus 13 Prozentpunkte gegenüber 2019). Viel Luft nach oben gibt es dagegen noch bei anderen elektronischen Angeboten. So hat nach Angaben von KBV-Vorstandsmitglied Dr. Thomas Kriedel erst 1 % der gesetzlich Versicherten eine elektronische Patientenakte (ePA) bzw. diese App-Anwendung ihrer Krankenkasse auf ihr Handy geladen. Verbreitung werde die ePA in den nächsten Jahren erst finden, wenn die Praxen als wichtige Multiplikatoren den Patienten profund dazu Auskunft geben könnten.  Dafür müssten sie sich aber zunächst einmal selbst mit der ePA beschäftigen können – wofür sie aber noch nicht die komplette Technik hätten. Immerhin: 57 % der gesetzlich Versicherten glauben, dass die ePA die medizinische Behandlung verbessern wird. Dagegen ist die Weltneuheit der „Digitalen Gesundheitsanwendungen“ (DiGA) auf Rezept drei von vier Versicherten schlicht unbekannt. 1 % sagt, bereits eine verordnete DiGA zu nutzen. Dazu passt die Angabe des KBV-Praxisbarometers, dass nur ein Fünftel der Ärzte und Psychotherapeuten DiGAs empfehlen und ggf. verordnen. Die meisten fühlten sich zu wenig informiert und seien vom Nutzen der Anwendungen nicht überzeugt, erklärt Dr. Kriedel.

Quelle: Pressekonferenz – KBV

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