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Lieferengpass durch Hype Diabetesmedikament als Abnehmspritze missbraucht

Gesundheitspolitik Autor: Angela Monecke

Nicht ungefährlich: Semaglutid im Off-Label-Use kann u.a. zu Übelkeit und Erbrechen führen. Nicht ungefährlich: Semaglutid im Off-Label-Use kann u.a. zu Übelkeit und Erbrechen führen. © myskin ‒ stock.adobe.com
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Tesla-Chef Elon Musk schwört darauf, die Influencerin Kim Kardashian wohl auch: Semaglutid gilt offenbar bei Prominenten als neues Wundermittel gegen zu viele Kilos. Vor dem unkontrollierten Anwenden der Abnehmspritze im Eigengebrauch warnt aber die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). Sie berichtet sogar von Lieferengpässen.

Semaglutid, ein Wirkstoff aus der Gruppe der GLP1-Rezeptor­agonisten, ist in Deutschland seit 2018 zur Behandlung des Typ-2-Diabetes auf dem Markt (Handelsname: Ozempic®). Die verschreibungspflichtige Spritze, die einmal pro Woche gegeben werden soll, gilt inzwischen aber auch als gefragtes Schlankheitsmittel, denn mit dem Produkt kann auch bei Menschen ohne Diabetes eine Gewichtsreduktion von etwa 15 % erzielt werden.   

Die Indikation von Semaglutid wurde mittlerweile auf die Therapie von Adipositas erweitert. In den USA ist es seit Juni 2021 in höherer Dosis (bis zu 2,4 mg einmal wöchentlich als Spritze, Handelsname: Wegovy™) zugelassen. 

Seit Januar in Europa zugelassen, nicht erhältlich 

Das Medikament erhielt im Januar 2022 ebenfalls die Zulassung durch die EU-Kommission in der Indikation bei Adipositas – genauer bei Patienten mit einem Body-Mass-Index (BMI) von 27 oder höher mit mindestens einer gewichtsbedingten Begleit­erkrankung oder mit einem BMI von 30 oder höher, jeweils verbunden mit einer kalorienreduzierten Diät und erhöhter körperlicher Aktivität. 

„Aufgrund von Lieferengpässen ist es in Europa jedoch derzeit nicht erhältlich“, sagt Prof. Dr. Harald Schneider, Sprecher der Sektion Angewandte Endokrinologie der DGE. Dass sich die Aufmerksamkeit der ansonsten gesunden, aber übergewichtigen Bevölkerung auf die neuen Produkte richte, sei naheliegend. Beispiel USA: „Dort wird das verschreibungspflichtige Diabetesmedikament sehr stark im Off-Label-Use, also ohne Zulassung, zur Gewichtsreduktion verwendet; auch weil viele Prominente wie Elon Musk das stark bewerben. Allein der Hashtag #Ozempic wurde 350 Millionen Mal in sozialen Medien geteilt“, berichtet Prof. Schneider. Und in Hollywood hält sich das Gerücht, Reality-TV-Star Kim Kardashian habe ihren jüngsten Gewichtsverlust nicht durch sportliche Work-outs, sondern eben die Abnehmspritze erwirkt.  

Der Run auf das Präparat bleibt für Menschen mit Typ-2-Diabetes, die auf die Behandlung mit diesem Medikament angewiesen sind, nicht ohne Folgen. „Inzwischen ist dadurch der Wirkstoff Semaglutid mancherorts knapp geworden“, so Prof. Schneider, „ein gefährlicher Trend“. Denn die unkontrollierte Anwendung ohne Indikation sei mit Risiken und Nebenwirkungen verbunden, etwa Übelkeit und Erbrechen. Aber auch Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse und Gallenblase könnten eine Folge sein. In Tierversuchen habe man zudem ein potenziell erhöhtes Risiko für bestimmte Schilddrüsenkrebsarten gefunden. Über die Langzeitwirkungen sei ebenfalls nichts bekannt. „Diese Medikamente sollten nur spezialisierte Ärztinnen und Ärzte verschreiben – und auch nur, wenn die medizinische Notwendigkeit besteht und die Anwendung in der Folge sorgfältig überwacht wird“, so der DGE-Sprecher.

„Dem Off-Label-Use ist Tür und Tor geöffnet“

Seitdem Semaglutid auf Tiktok als Mittel gegen Übergewicht gefeiert werde, gebe es Lieferengpässe in der Schweiz, schreibt etwa die Basler Zeitung auf Twitter. „Tiktok ist voll mit Videos von Frauen und Männern“, die damit ihr Gewicht verloren hätten.

Wie groß ist dann in Deutschland die Gefahr, dass sich diese Präparate außerhalb der Zulassung zum Lifestyle-Mittel  entwickeln könnten? Ist ein Schwarzmarkt hierzulande realistisch? Der Ökonom Prof. Dr. Heiko Burchert von der FH Bielefeld, der sich schon lange mit dem Thema missbräuchlicher Verkauf von Diabetes-Medikamenten und -Hilfsmitteln auf Ebay und anderen Online-Plattformen befasst, geht davon aus, „dass auch Ozempic® oder andere GLP1-Rezeptorantagonisten neben Blutzuckerteststreifen und Glukosesensoren bei uns illegal zum Verkauf angeboten werden“. Damit sei dem Off-Label-Use der Spritze in Deutschland „Tür und Tor geöffnet“.

Medical-Tribune-Bericht

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