Diabetesmüll und Recycling Diabetesmüll: Recycling bleibt Herausforderung

Gesundheitspolitik Autor: Antje Thiel

Moderne Hilfsmittel erleichtern das Leben von Menschen mit Diabetes – aber sie erzeugen auch eine erkleckliche Menge Abfall. Moderne Hilfsmittel erleichtern das Leben von Menschen mit Diabetes – aber sie erzeugen auch eine erkleckliche Menge Abfall. © John Desing - stock.adobe.com

Mindestens 100 Millionen Pens für Insulin und Inkretinmimetika werden in Deutschland jedes Jahr verbraucht – meist als Einwegprodukte. Hinzu kommen Sensoren, Katheter, Nadeln, Teststreifen und Verpackungen. Noch landet der Großteil davon im Restmüll.

Moderne Hilfsmittel erleichtern das Leben von Menschen mit Diabetes – aber sie erzeugen auch eine erkleckliche Menge Abfall. Wie Priv.-Doz. Dr. Sebastian Petry vom Universitätsklinikum Gießen mit Blick auf eine – mit nur 49 Teilnehmenden aber möglicherweise nicht repräsentative – US-Erhebung berichtete, fallen bei einer intensivierten konventionellen Therapie mit kontinuierlicher Glukosemessung sowie Blutzuckermessung rund 1,4 Kilogramm Müll pro Monat an. „Das macht rund 2 % des Haushaltsmülls aus.“

Diesen vergleichsweise geringen Anteil am gesamten Abfallaufkommen dürfe man in der Debatte nicht vergessen. Und: „Natürlich muss die medizinische Indikation im Vordergrund stehen – niemand will die Versorgung einschränken“, betonte Dr. Petry. Die Verantwortung für den Diabetesmüll sieht er klar bei Industrie und Politik: „Menschen mit Diabetes haben ohnehin schon mit Stigmatisierung zu kämpfen. Sie dürfen nicht auch noch das Stigma ‚Umweltsünder‘ tragen.“

Zahl der wiederverwendbaren Pens geht seit Jahren zurück

Prof. Dr. Christian Unsöld von der TUN Training & Beratung GmbH in Düsseldorf wies darauf hin, dass Recycling nach Vermeidung und Wiederverwendung nur die drittbeste Lösung ist. Allerdings ist der Anteil von wiederverwendbaren Pens in den vergangenen Jahren stetig zurückgegangen: „Mehrwegpens sind sinnvoll, stoßen aber auf praktische Hürden – etwa weil Menschen mit Mobilitätseinschränkungen Schwierigkeiten haben, die Ampulle zu tauschen.“

Daher landen hierzulande jährlich schätzungsweise 100 Millionen Pens im Restmüll, ohne dass es flächendeckende Recycling-Programme gibt. Freiwillige Lösungen seien in Deutschland schwer umzusetzen. „In Frankreich verpflichtet das System ,Dastri‘ Hersteller zur Rücknahme medizinischer Abfälle – dort klappt es hervorragend“, berichtete Prof. Unsöld.

In Dänemark sammelt die Firma Novo Nordisk mit ihren Projekten ReMed und ReturPen mittlerweile Millionen Insulinpens, deren Kunststoffbestandteile zu Alltagsgegenständen wie Plastikstühle verarbeitet werden. „In Deutschland ist die Lage fragmentierter“, bedauerte  Prof. Unsöld. Unterschiedliche regionale Entsorgungswege, gesetzliche Auflagen und fehlende Finanzierung bremsten den Fortschritt. Ein Pfandsystem oder Sammelstellen in Apotheken könnten helfen – „aber jemand muss es bezahlen“.

Pen-Recycler für die heimische Mülltrennung

Für einen völlig anderen Ansatz steht der US-Ingenieur Dr. Brian Brandell aus Portland. Er präsentierte seinen funktionsfähigen Prototyp für einen Pen-Recycler, der im häuslichen Umfeld eingesetzt werden kann. „Als Biomechaniker bewundere ich, wie gut Insulinpens konstruiert sind – aber sie sind eine Recycling-Katastrophe“, sagte der Biomechaniker, der selbst mit Typ-1-Diabetes lebt. Lange hat er damit herumexperimentiert, seine Einwegpens in ihre Bestandteile zu zerlegen, um sie dann dem Recycling zuzuführen. „Es ist erstaunlich, wie viele Leute versuchen, ihre Pens auseinanderzunehmen und Bilder von diesen Versuchen in den sozialen Medien teilen.“ Weil dabei regelmäßig die Glaspatronen zerbrechen, sei diese Form des Recyclings aber kaum verletzungsfrei möglich.

Sein im 3D-Drucker gefertigter Prototyp, der etwa so groß wie eine Getränkedose ist und optisch an einen Thermosbecher erinnert, verursacht hingegen kein Blutvergießen: Man steckt den leeren Pen ein, schließt das Gerät, und im Inneren trennt ein Drehmechanismus Glas, Metall und Kunststoff voneinander. Bei mehr als 300 getesteten Pens sei keine Kanüle gebrochen. „Menschen wollen recyceln – sie wollen nur nicht viel Aufwand damit haben“, erklärte Brandell, der bereits eine kleine Marktanalyse für sein Produkt gestartet hat. Demnach wären 75 % der Befragten bereit, für das Gerät zu bezahlen, knapp die Hälfte sogar bis zu 60 Dollar. Dr. Brandell sieht seinen Pen-Recycler als gute Option, die vorhandenen Recycling-Strukturen für Hausmüll zu nutzen.

Die AG Diabetes, Umwelt & Klima (DUK) hofft für die Zukunft auf PenDE – ein nationales Rücknahmesystem für Deutschland. „Alle müssen mitspielen: Hersteller, Apotheken, Entsorger, Behörden, Patienten“, so Unsöld. „Aber noch zieht nicht jeder am selben Strang.“

Zumindest patientenseitig scheint es mittlerweile ein hohes Problembewusstsein zu geben, wie DUK-Sprecherin Theresa Schoppe aus Warstein berichtete. Sie stellte vorläufige Ergebnisse einer laufenden Online-Umfrage der DUK vor, an der bis dato 372 Menschen mit Diabetes teilgenommen haben: Ein Großteil der Befragten machte sich aufgrund ihres Diabetesmülls Sorgen um die Umwelt.

„Die meisten wünschen sich umweltfreundlichere Materialien und klarere Entsorgungsinformationen – am liebsten direkt auf der Verpackung oder im Benutzerhandbuch“, berichtete Schoppe.

Quelle: Kongressbericht Diabetes Herbsttagung 2025