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Digitalisierung in der Arztpraxis: Politische Sprüche passen nicht zur Realität

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck / Michael Reischmann

Der politischer Anspruch an die Digitalisierung und die Realität in den Praxen liegen weit auseiannder. Der politischer Anspruch an die Digitalisierung und die Realität in den Praxen liegen weit auseiannder. © iStock/slobo
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60 % der Praxen halten den elektronischen Arztbrief für eine sinnvolle Anwendung. „Dennoch wird er kaum genutzt. Warum? Weil die praktische Umsetzung zu kompliziert ist“, sagt KBV-Chef Dr. Andreas Gassen.

Zwar wird Digitalisierung gesellschaftlich als etwas Positives angesehen, für Ärzte ist sie aber mit mehr Aufgaben, neuen Haftungsrisiken sowie technischem und finanziellem Aufwand verbunden. „Deshalb reicht es nicht, wenn das, was der Gesetzgeber sich ausdenkt, geschmeidig klingt“, sagt Dr. Gassen.

Beispiel: der elektronische Arztbrief. Für den Versand ist die qualifizierte elektronische Signatur des Arztes erforderlich, die für jedes Dokument einzeln zu generieren ist. Das ist umständlich und zeitaufwändig. Oder die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung: Die Praxis soll sie elektronisch an die Krankenkasse übertragen, doch der Patient erhält sie nach wie vor als Nachweis auf Papier. Noch kurioser: das elektronische Rezept. Nach jetzigem Planungsstand, kann es passieren, dass der Arzt zwar das Rezept elektronisch an die Apotheke übermittelt. Wenn der Patient aber kein Smartphone hat oder die elektronische Übertragung nicht wünscht, muss die Praxis ihm den QR-Code ausdrucken und auf Papier mitgeben. Hier kann von einer „echten Digitalisierung nicht mehr die Rede sein.“

Besonders sorgenvoll blicken die Praxen auf Sicherheitslücken in IT-Systemen. 60 % der 2000 vom IGES-Institut für das „Praxisbarometer“ der KBV befragten Vertragsärzte und Psychotherapeuten schätzen die Sicherheitslücken als starkes Hemmnis für die Digitalisierung ein. Dieser Wert ist gegenüber 2018 um 6 % gestiegen. KBV-Vorstandsmitglied Dr. Thomas Kriedel führt das auf die jüngsten Diskussionen um die Sicherheit der Telematikinfrastruktur (TI) bzw. der IT-Sicherheit in den Praxen zurück.

Ungeklärt seien auch Zuständigkeit und Haftung. Als Beispiel führte Dr. Kriedel den TI-Konnektor an. Die Landesdatenschützer hätten inzwischen die Bundesregierung aufgefordert, per Gesetz Klarheit zu schaffen. Laut KBV ist für den Konnektor und dessen Betriebssicherheit nicht die Praxis, sondern die gematik zuständig und diese haftet auch. Die Praxisbarometer-Umfrage zeigt ferner: Die digitalisierte Patientendokumentation ist in 76 % der Vertragsarztpraxen üblich und 67 % der Hausärzte haben eine digitale Anwendung zur Arzneimitteltherapiesicherheit installiert (2018: 73 % bzw. 60 %). Als Hindernis für digitale Prozesse gibt knapp ein Viertel der Praxen eine mangelnde Geräteanbindung an die Praxisverwaltungssysteme und eine unzureichende Internetgeschwindigkeit an.

Etwa 60 % der Praxen halten für ihre Patienten keine digitalen Angebote vor. Eine Online-Terminvereinbarung bieten nur 15 % an.

KBV-Pressekonferenz

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