Sektorübergreifende Versorgung  Ambulant und stationär: Wo die Kommunikation hakt

Gesundheitspolitik Autor: Anouschka Wasner

Wenn Praxen und Kliniken aneinander vorbeireden, leidet die Versorgung. Wenn Praxen und Kliniken aneinander vorbeireden, leidet die Versorgung. © Nipol - stock.adobe.com

Wenn Praxen und Kliniken aneinander vorbeireden, leidet die Versorgung. Eine Ärztin und ein Arzt berichten, wo es hakt – und wie Digitalisierung und Strukturwandel echte Verbesserungen bringen könnten.

Wie oft ärgern Sie sich über die Zusammenarbeit zwischen den Sektoren? Das fragten wir einen Hausarzt und die Ärztin einer Notaufnahme. Mehrmals wöchentlich, war ihre Antwort. Warum das so ist und an welchen Schrauben gedreht werden müsste aus zwei Perspektiven.

Die größte Herausforderung in der Zusammenarbeit zwischen ambulantem und stationärem Sektor im deutschen Gesundheitswesen liegt sicherlich in der Informationsübermittlung zwischen den Sektoren. Dr. Nicola Schönewolf, Notfallmedizinerin in München-Bogenhausen, ist auf jeden Fall häufig mit diesem Problem konfrontiert erzählt sie in unserem Podcast. An der Schnittstelle zu den Niedergelassenen sei die Ursache für Unmut oft fehlende Erreichbarkeit. „Es gibt Praxen, die sind an manchen Tagen erst ab 15.30 Uhr geöffnet. Kommt dann ein Patient in der Nacht oder morgens in die Notfallambulanz, kann man erst mal niemanden erreichen, wenn man Vorbefunde braucht.“

Oft fehlen die richtigen Kontaktmöglichkeiten

Aber auch aus hausärztlicher Sicht ist die Erreichbarkeit des Gegenübers ein großes Problem. Der internistische Hausarzt Dr. Marcel Schorrlepp aus Mainz kämpft beispielsweise damit, dass ihm häufig die passenden Telefonnummern fehlen oder man nicht verbunden wird. „Es frisst einfach richtig viel Zeit, wenn man zum Beispiel ankündigen möchte, dass man jemanden einweisen will. Und man kann es oft auch nicht delegieren.“

Das größere Problem seien aber die Entlassungen. „Dann kommt irgendwann die Visite und die Oberärztin oder der Chefarzt sagt, die Frau Müller kann jetzt nach Hause. Dann kriegt Frau Müller schnell einen Brief geschrieben und sie ruft ihren Sohn an, der sie abholt. Wunderbar.“ Das Problem sei aber, dass alle denken würden, der Brief sei damit beim Hausarzt angekommen. „Dabei bekomme ich den oft gar nicht direkt“, so Dr. Schorrlepp. Oder die Patientinnen und Patienten stehen kurz vor Feierabend vor der Tür, weil sie noch die Medikamente brauchen, aber  die Entlassung so spät erfolgt ist. Dabei sei das alles gar nicht nötig, so Dr. Schorrlepp. 

Der Brief könnte ja schon mittags in der Praxis sein – wenn es denn „gescheite Kommunikationswege“ gebe. Die Verbindung zwischen Krankenhäusern und Praxen über die KIM-Adressen haue nicht hin. Und ja, telefonisch seien die Praxen überhaupt nicht gut erreichbar. „Bei uns geht es aber zum Beispiel sehr gut über E-Mail“, berichtet der Mainzer Hausarzt.

Probleme, die sich an den Schnittstellen der Sektoren manifestieren, entstehen meist nicht durch individuelles Verschulden, sondern haben strukturelle Ursachen. So erschwert etwa die historisch gewachsene strikte Trennung zwischen den Sektoren flexible Lösungen: Steht ein Patient kurz vor der Entlassung und Angehörige möchten schon die Rezepte beim Hausarzt abholen, scheitert das an rechtlichen Vorgaben. Die Hausarztpraxis darf keine Medikamente verordnen, solange die Patientin, der Patient noch stationär behandelt wird – auch wenn das medizinisch sinnvoll wäre.

Großes Potenzial sehen beide Podcast-Gäste in einer stärkeren Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung. „Im Bereich der Notfallmedizin gibt es zum Beispiel bei uns und in anderen Kliniken die Idee der integrierten Notfallzentren“, sagt Dr. Schönewolf. Und Dr. Schorrlepp kann sich vorstellen, seine Patientinnen und Patienten in intersektoralen Häusern mit zu betreuen.

Einen Lichtblick könnte auch die fortschreitende Digitalisierung bieten. Der bundeseinheitliche Medikationsplan könnte ein Gamechanger werden, wenn er konsequent umgesetzt wird. „Ganz einfach wäre es schon mal, wenn wir ambulant aus der Klinik immer einen bundeseinheitlichen Medikationsplan als Medikamentenliste bekämen“, erklärt Dr. Schorrlepp. „Den kann ich einscannen und abgleichen mit dem, was ich habe.“

Umsetzung von ePA und KIM hinkt in den Kliniken nach

Die elektronische Patientenakte und KIM-Kommunikation stünden noch am Anfang, zeigten aber bereits positive Ansätze. Allerdings hinke die Umsetzung in den Kliniken der ambulanten Entwicklung noch hinterher, so Dr. Schorrlepp.

Bei strukturellen Problemen sind es meist die menschlichen Qualitäten, die das System am Laufen halten. Engagement, Flexibilität und die Bereitschaft, über den eigenen Tellerrand zu schauen, lösen immer wieder viele Probleme. Den Patienten bestmöglich zu versorgen, „das muss man ja auch nicht allein schaffen“, sagt dazu Dr. Schönewolf. Dafür gebe es ja die verschiedenen Sektoren in unserem Gesundheitssystem.

Gute Kommunikation sei aber eben ein Teil des Systems. Klar führe der Personalmangel im ambulanten wie auch im stationären Bereich dazu, dass für wichtige Kommunikation oft schlicht die Zeit fehlt, unterstreicht Dr. Schönewolf. „Das müssen ja auch keine endlos langen Gespräche sein. Aber es muss geklärt sein, worum es geht.“

Sie habe eine Hausärztin im Münchner Umfeld, die als einzige auch samstags nach ihrem Patienten bzw. ihrer Patientin fragt. Das sei natürlich herausragend. Es gehe auch nicht um aufopfernden Altruismus, sondern um eine professionelle Grundhaltung. „Es muss eine gute Grundbereitschaft geben, miteinander zu arbeiten. Es explodiert immer dann, wenn die eine oder der andere im Grunde Arbeit vermeiden will“, bestätigt Dr. Schorrlepp.

Konkrete Verbesserungsansätze gibt es. Dr. Schönewolf wünscht sich etwa, dass Niedergelassene besser erreichbar sind und Anfragen schnell bearbeiten. Die Kliniken dagegen müssten bei der digitalen Kommunikation nachziehen, sagt Dr. Schorrlepp. Und beide Seiten sollten das kollegiale Miteinander wertschätzen statt über die Probleme zu klagen. Standardisierte Abläufe, wie sie zwischen Rettungsdienst und Notaufnahme bereits funktionieren, könnten als Vorbild für andere Schnittstellen dienen.

Mehr Struktur und Ziel bei genauso viel Mensch

Kurz: Die Abstimmung müsste strukturierter und zielorientierter laufen, ohne die persönliche Komponente zu verlieren. Wer mehr dazu und über die weiteren Herausforderungen der intersektoralen Zusammenarbeit erfahren möchte und sich auch für praktische Lösungsansätze interessiert, dem empfehlen wir unsere neue Folge von O-Ton Innere Medizin.

Quelle: Medical-Tribune-Bericht

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