Igel-Leistungen EingeIGeLt

Gesundheitspolitik Autor: Hans Glatzl

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Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) sind den Krankenkassen seit Einführung ein Dorn im Auge. Erweckt doch allein ihre bloße Existenz beim Versicherten den Eindruck, dass es mit dem All-inclusive-Versprechen der Krankenkassen nicht allzu weit her ist. Mit dem IGeL-Monitor versuchen sie gegenzuhalten. Drei Jahre nach Einführung bekommen nur die wenigsten IGeL das Prädikat "tendenziell positiv".

Rund 1,3 Milliarden Euro pro Jahr setzen die niedergelassenen Ärzte mit Individuellen Gesundheitsleistungen um. Jetzt zieht der Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes des GKV-Spitzenverbandes (MDS), Dr. Peter Pick, eine äußerst negative Bilanz: „Jeder zweite Patient bekommt beim Arztbesuch Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) angeboten. Die meisten dieser Selbstzahlerleistungen haben nach wissenschaftlicher Bewertung des MDS keinen nachweisbaren Nutzen oder sie schaden.“ Und die Patienten würden nicht ausreichend über Nutzen und Risiken informiert.

Viel Schatten, wenig Licht

Zugleich freut man sich beim MDS über den großen Zuspruch und das Interesse, das die Bevölkerung den IGeL entgegenbringt. So hätten bislang zwei Millionen Nutzer auf dieses Portal zurückgegriffen.

Das Wissenschaftler-Team des IGeL-Monitors hat inzwischen 37 IGeL bewertet und beschrieben. Das Spektrum reicht vom Ultraschall der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung bis zur Stoßwellentherapie gegen Fersenschmerz. Das Gesamtergebnis ist aus MDS-Sicht jedoch "sehr ernüchternd": 16 dieser Untersuchungs- und Behandlungsmethoden wurden mit negativ oder tendenziell negativ bewertet, 13 IGeL schnitten mit unklar und nur vier mit tendenziell positiv ab. Keine IGeL bekam bislang die Bewertung positiv.

Als tendenziell positiv eingestuft wurden:

  • die Akupunktur zur Migräneprophylaxe,
  • die Laserbehandlung von Krampfadern,
  • die Lichttherapie bei Winterdepression und
  • die Stoßwellentherapie bei Fersenschmerz

Für Letztere bestehen sogar gute Chancen, dass sie nach einer erneuten Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) künftig von den Krankenkassen erstattet werden könnte.

Es ist also nicht alles ganz unnütz, was als IGeL angeboten wird. Grundsätzlich wünscht der MDS sich aber, dass die Politik über das Patientenrechtegesetz Einfluss nehmen und eine mindestens 24-stündige Bedenkzeit für Patienten einräumen sollte, denen eine Selbstzahlerleistung angeboten wird.

IGeLn ja, aber ...

Kritik an der Auswertung des IGeL-Monitors kommt derweil vonseiten der Bundesärztekammer. „Mit dem IGeL-Monitor unternehmen die Krankenkassen den Versuch, Nutzen und Risiken von ausgewählten Individuellen Gesundheitsleistungen nach wissenschaftlichen Methoden zu prüfen und zu bewerten“, kritisiert der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Frank Ulrich Montgomery. „Wenn es den Kassen aber wirklich darum geht, ihre Versicherten seriös und umfassend zu informieren, müssen sie für mehr Transparenz bei der Bewertung und bei den daran beteiligten Personen sorgen.“ Problematisch seien vor allem die offenbar rein politisch motivierte Auswahl der bewerteten IGeL und die nicht kommunizierten Kriterien, nach denen IGeL zur Bewertung ausgewählt werden, kritisiert Montgomery.

Grundsätzlich sind dem Arzt beim Anbieten von Leistungen praktisch kaum Grenzen gesetzt. Die Bundesärztekammer rät deshalb allen Patienten, sich umfassend über das Für und Wider von Selbstzahlerleistungen zu informieren. Ärzte, die IGeLn wollen, sollten sich an der IGeL-Checkliste orientieren, an der neben der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung auch zahlreiche Ärzteverbände, Patientenorganisationen sowie das Deutsche Netzwerk für Evidenzbasierte Medizin mitgearbeitet haben.

Frauen bevorzugt

Nach einer repräsentativen Umfrage der Techniker Krankenkasse wollen nur wenige Patienten mehr wissen, wenn es um Selbstzahlerleistungen beim Arzt geht. So gaben nur 39 % an, dass sie sich weitere Informationen eingeholt haben, als ihnen ihr Arzt eine privat zu zahlende Leistung angeboten hat. Mehr als die Hälfte (52 %) der gesetzlich Versicherten hat von ihrem Arzt schon einmal ein solches Angebot bekommen, jeder Dritte (34 %) sogar schon öfter. Besonders betroffen sind mit einem Anteil von 58 % Frauen – nicht zuletzt, weil Gynäkologen auf Rang 1 der IGeL-Verkäufer stehen. An zweiter Stelle stehen Zahnärzte, an dritter Augenärzte. Die Hausärzte folgen erst auf Platz 5 noch hinter den Urologen. Die Auswertung der Kommentare von IGeL-Monitor-Nutzern ergab, dass sich viele Versicherte auf dem IGeL-Markt alleingelassen fühlen. Manche gaben an, sie seien überredet worden.



Hans Glatzl

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (6) Seite 36-37
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.

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