
Kommt Schmerztherapie unter die Räder? Fachgesellschaft fordert Nachbesserung bei der Krankenhausreform

Die Deutsche Schmerzgesellschaft fordert die Bundesregierung auf, im Rahmen der Krankenhausreform eine Leistungsgruppe (LG) „Interdisziplinäre multimodale Schmerzmedizin“ mit klaren Standards vorzusehen. Für die Kliniken würde das dann Vorhaltebudgets auslösen. „Eine spezialisierte, multimodal angelegte Schmerzmedizin braucht finanzierte, feste Strukturen – mit Qualitätssicherung und Planbarkeit“, so Prof. Dr. Frank Petzke, Präsident der Schmerzgesellschaft.
Der Leidensdruck für Betroffene und die volkswirtschaftliche Belastung seien schon heute immens. Ohne zügige Nachbesserungen drohe eine weitere Verschlechterung. Schon jetzt könne es Jahre dauern, bis Schmerzpatientinnen und -patienten in eine spezialisierte, für sie indizierte Versorgung überwiesen würden. Insbesondere multimodal und interdisziplinär ausgerichtete Therapieeinrichtungen seien für über die Hälfte der Betroffenen de facto von ihrem Wohnort aus nicht zu erreichen.
Befürchtet wird ein Rückgang der Fallzahlen um 40 %
Ohne eine eigene Leistungsgruppe und Planungssicherheit für die Schmerzmedizin werden die dringend benötigten spezialisierten Zentren noch weiter „ausgedünnt“ oder aufgegeben, befürchtet Prof. Petzke. Bis zu 40 % der derzeitigen Fallzahlen könnten ohne zügige Nachbesserungen der Klinikreform wegfallen. In den nächsten Jahren werden zudem bis zu 50 % der Schmerztherapeutinnen und -therapeuten aus Altersgründen aus dem Arbeitsleben ausscheiden – ohne eine gesicherte Ausbildung künftiger Spezialistinnen und Spezialisten. In den stationären Einrichtungen lässt sich die Versorgung so nicht aufrechterhalten, ist Prof. Petzke überzeugt.
In der Versorgung von Erkrankten mit chronischen, aber auch akuten Schmerzen werden psycho-soziale Aspekte nicht immer angemessen berücksichtigt, bemängelt Prof. Dr. Christiane Hermann, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychologische Schmerztherapie und -forschung. So sei z. B. das Erfragen der Schmerzintensität oder der Beeinträchtigung im Alltagsleben nicht ausreichend, um psychosoziale Einflussfaktoren gut einschätzen zu können. Auch die Erfassung psychosozialer Faktoren und psychischer Komorbiditäten sei wichtig, da sich Schmerzerleben und psychosoziale Faktoren wechselseitig beeinflussen und verstärken können. Wie Prof. Hermann erklärt, können bspw. bei Traumafolgestörungen intrusive Erinnerungen an das Trauma Schmerz auslösen oder verstärken und umgekehrt. Und bei Depression verschlechtert Grübeln sowohl das emotionale Befinden als auch Schmerz. Depressivität, Ängste und ungünstige Bewältigungsstrategien seien auch Risikofaktoren für die Chronifizierung von Schmerz.
Laut Heike Norda, Vorsitzende der Patientenorganisation UVSD SchmerzLOS, leiden etwa 2,8 % der deutschen Bevölkerung an einer Schmerzkrankheit mit bio-psycho-sozialen Komponenten, die sich u. a. durch Einschränkungen in der sozialen Teilhabe äußern. Eine nicht-repräsentative Umfrage des Arbeitskreises Patientenorganisationen der Schmerzgesellschaft von 2024 hatte die Stigmatisierung als wesentliches Problem vieler Betroffener mit chronischen Schmerzen verdeutlicht. Fehltage im Beruf würden missverstanden, was zu Mobbing führe.
Die Vorteile einer eigenen Leistungsgruppe
Eine Zuordnung der Schmerzmedizin zu anderen Leistungsgruppen (z. B. Allgemeine Innere Medizin, Neurologie, Neurochirurgie, Orthopädie, Intensivmedizin) fordert vielfältige Mindestvoraussetzungen, die von Schmerzkliniken meist nicht erfüllt werden können. Eine eigene LG hätte den Vorteil, passende Qualitätsanforderungen zu definieren, Vorhaltebudgets einzurichten, Planungssicherheit für die Abrechnung herzustellen, eine klare schmerztherapeutische Standortplanung zu betreiben.