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Forschungsinstitut sagt Rekordminus in der GKV voraus

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Die laute Warnung vor einem Beitrags-Tsunami. Die laute Warnung vor einem Beitrags-Tsunami. © iStock/sorbetto
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So mancher hat sich in der Pandemie gefragt, wie all die gesundheitspolitsch initiierten Maßnahmen finanziert werden und ob letztlich nicht trotz Steuerzuschuss ein riesiges Defizit für die Sozialversicherung bleibt.

Der Vorstandsvorsitzende der DAK, Andreas Storm, sieht nur eine Lösung, um die grundsätzliche Entwicklung der GKV-Finanzen zu bewerten: einen Kassensturz nach der Bundestagswahl. Es seien mehrere Fragen zu beantworten: Wie werden sich die GKV-Finanzen bis 2025 (nächste Wahlperiode) entwickeln? Reichen jährlich zusätzliche 7 Mrd. Euro Bundeszuschuss angesichts kostenintensiver Gesetzgebung aus? Unter welchen Voraussetzungen und wie lange kann der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz stabil bleiben?

Storm gibt zu bedenken, dass die Pandemie in nahezu allen Bereichen des Gesundheitswesens zu Sonderentwicklungen oder zu abweichenden Regelungen, z.B. bei der Krankenhausfinanzierung, geführt hat. Dadurch werde manche Gesetzgebungsfolge erst ab 2022 deutlich sichtbar. Auch seien längerfristige Konsequenzen von Corona bisher kaum abschätzbar. Anders sei es beim medizinisch-technischen Fortschritt und Innovationen, Stichwort hochpreisige Arzneimittel, sowie beim demografischen Wandel. Geburtenstarke Jahrgänge kommen ins Rentenalter – mit entsprechend höheren Gesundheitsaufwendungen.

Kassensturz nötig, in der GKV und auch im Bundeshaushalt

Dass die GKV in den nächsten Jahren mit einer deutlich verschlechterten Finanzlage zu rechnen hat, hin zu einem negativen Saldo, beschreibt das Berliner IGES-Institut in einem von der DAK beauftragten Gutachten. Die Zukunft sieht nicht rosig aus, ein „Weiter so!“ kann es nicht geben, auch versicherungsfremde Leistungen müssen auf den Prüfstand, so das Fazit. Das bestätigen Vertreter der Bundestagsfraktionen.

Der CDU-Abgeordnete Erwin Rüddel, Vorsitzender des Gesundheitsausschusses, zeigt sich überzeugt: „Wir müssen grundsätzlich an unseren Sozialstaat herangehen und prüfen, wie weit dieser in der jetzigen Form zu finanzieren ist.“ Hilfe zur Selbsthilfe, solidarisches Handeln und Eigenverantwortung würden eine neue Rolle spielen müssen. Auch Fehlanreizen und Doppelstrukturen müsse nachgegangen werden. „Kassensturz ja, das gilt aber auch für den Bundeshaushalt“, so Rüddel. „Wir brauchen nach der Pandemie keine Beitragssatz- und keine Steuererhöhungen“, ansonsten sei kein Wirtschaftsaufschwung zu schaffen.

DAK-Chef Storm verweist darauf, dass der Bund mit dem Gesundheitsversorgungs-weiterentwicklungsge­­setz den durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz zumindest bis 2022 bei stabil 1,3 % hält. Ohne weitere Maßnahmen wie einen zusätzlichen Bundeszuschuss, drohe den Versicherten jedoch 2023 ein Beitragssatzsprung von 1,2 Prozentpunkten. „Das wäre nicht nur fast eine Verdopplung des Zusatzbeitrages, sondern der historisch größte Anstieg in der GKV-Geschichte.“ Bis 2025 könne der Zusatzbeitrag sogar um 1,6 Prozentpunkte auf 2,87 % ansteigen. Er habe schon im Frühjahr vor einem Beitrags-Tsunami gewarnt, so Storm. Der GKV drohe bis 2025 – falls der Gesetzgeber nicht einschreitet – ein Rekordminus. Der Bedarf für einen zusätzlichen Bundeszuschuss liege im nächsten Jahr bei 15,6 Mrd. Euro und damit mehr als doppelt so hoch wie derzeit in der Haushaltsplanung des Bundes vorgesehen. Weitere 8,6 Mrd. Euro seien laut Berechnung von IGES an Zuschuss nötig. Der DAK-Chef hält „eine – ordnungspolitisch ohnehin gebotene – schrittweise Anhebung der Steuerfinanzierung versicherungsfremder Leistungen“ für notwendig. Hier sei wegen des gesamtgesellschaftlichen Charakters der Aufgaben der Bundeshaushalt die richtige Quelle. Auch müssten umfassende Strukturreformen in Angriff genommen werden, um mehr Effizienz ins Gesundheitswesen zu bringen und Versorgungsverbesserungen für die Versicherten zu ermöglichen. „Wir haben am Beginn der nächsten Legislaturperiode einen erheblichen Entscheidungsbedarf, wie es mit den GKV-Finanzen weitergehen soll.“

Problem ohne Steuer- und Betragserhöhung unlösbar

Ohne Steuer- und Betragssatzerhöhung sei das Problem zumindest kurzfristig nicht zu lösen, so Bärbel Baas, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion. Langfristig sei über eine breite Finanzierungsbasis nachzudenken. Die Politikerin erinnert an die Bürgerversicherung. Dr. Martin Albrecht, Geschäftsführer und Leiter des Bereichs Gesundheitspolitik beim IGES, mahnt hinsichtlich der Zahlen aus dem Gutachten, dass der erforderliche höhere Bundeszuschuss allerdings noch vor der Bundestagswahl im September angepasst werden müsse, ansonsten sei die Handlungsfähigkeit der GKV in der kommenden Legislaturperiode bedroht. „Die Politik muss eine auskömmliche und verlässliche Finanzierung nachhaltig sicherstellen.“

Kongressbericht: Hauptstadtkongress 2021

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