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Frühjahrstagung Hausärzteverband 2023 Frischer Wind sorgt für klare Sicht

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

Es gibt nur einen Hausärztinnen- und Hausärzteverband in diesem Land. Es gibt nur einen Hausärztinnen- und Hausärzteverband in diesem Land. © JMarques – stock.adobe.com
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Der Hausärzteverband arbeitet an seiner Sichtbarkeit. Das betrifft die Nennung der Ärztinnen im Namen, die Öffentlichkeit seiner Delegiertenversammlung und die Repräsentanz von Hausärzteschaft und HzV im Internet.

Effektiv und kurzweilig präsentierte sich der Deutsche Hausärzteverband bei seiner Frühjahrstagung in Münster. Die Sitzungen der Delegierten am Freitag­nachmittag und Samstagvormittag ließen sich online verfolgen. Das Führungsduo Dr. Markus ­Beier und Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth trat gleichberechtigt auf. Es gab viel Applaus. Beschlüsse wurden mit klaren Mehrheiten getroffen. Nur selten meldete sich der Ehrenvorsitzende Ulrich Weigeldt mit politischen Ratschlägen zu Wort. Öffentlich beschäftigen den Verband besonders die folgenden Themen.

Inflation und Einnahmen 

Die allgemeine Teuerung macht den Praxen zu schaffen. Hinzu kommt die Knappheit an Personal und Arztzeit. Die ersten Beschlüsse der Delegiertenversammlung des Hausärzteverbandes gingen dementsprechend in Richtung Einnahmensteigerung.

Die von der Ampel in Aussicht gestellte Entbudgetierung der haus­ärztlichen Leistungen wünscht sich der Verband nach dem Muster der Kinderheilkunde. Nur so könnten die regionalen Differenzen in der Vergütung ausgeglichen werden.

Beim EBM fordert der Verband eine zusätzliche Strukturpauschale, das Aufheben der Budgetierung der GOP 03230, die nur einmal pro Quartal bei der Hälfte der Patienten honoriert wird, und ein Ende des reinen Fallbezugs bei der NäPa-Vergütung. Auch ein Honorar für den erhöhten Absprachebedarf zwischen Praxis und Apotheke bei Arzneimittellieferproblemen wäre fein.

Delegierte wiesen darauf hin, dass in den Praxen als Zeichen der Wertschätzung Inflationsausgleichszahlungen an die MFA geleistet wurden und werden. Dr. Susanne Bublitz aus Baden-Württemberg empfahl den Kolleginnen und Kollegen, ihre Teams für Protestaktionen des Verbandes medizinischer Fachberufe freizustellen und den Beschäftigten die Mitgliedschaft in der MFA-Gewerkschaft nahezulegen.

Bessere Sichtbarkeit im Internet

Der Hausärzteverband will zusammen mit seiner Vertragsgemeinschaft eine Internetplattform für Patienten einrichten. Die soll es bei der Google-Suche nach hausärztlichen Leistungen nach ganz vorne schaffen. Die HzV soll das Herzstück der Plattform bilden. Gedacht wird z.B. an die Möglichkeit einer Online-Einschreibung. Schließlich fehle in der Sprechstunde die Zeit für eine ausführliche Information über die HzV, das lasse sich leichter online machen. Auch werden „perspektivisch“ Angebote zur Praxis-Patienten-Kommunikation (Messenger, Recalls, Rezeptbestellung), eine Online-Terminbuchung oder ein Symptom-Checker ins Auge gefasst. Details stehen noch nicht fest. 

Bei der Videosprechstunde stellt das BMG ein Ende des 30-%-Limits in der EBM-Abrechnung in Aussicht. Obwohl einige Delegierten ihren Videosprechstundenanteil auf 5 bis 15 % schätzten, hielt man eine Quote von 50 % für zukunftsträchtig. So könnten z.B. mit angestellten Ärzten, die im Homeoffice arbeiten möchten, Telesprechstunden angeboten werden. Eine Verknüpfung mit der Auflage, „dass diese Patienten dann in der Praxis weiterbehandelt werden“, könne eventuell helfen, die Konkurrenz durch telemedizinische Callcenter einzuschränken.

Die Teampraxis in der HzV 

Der Verband verfolgt das Ziel, die HzV-Einschreibezahlen von rund 8,5 Mio. zügig über die 10-Millionen-Marke zu hieven. Als Anreiz für die Versicherten wünscht er sich eine „finanzielle Bonifizierung“, z.B. die Aufnahme ins Bonusheft der Krankenkassen. Dieses zielt zwar ausschließlich auf Präventions- und Früherkennungsleistungen. Aber mit Evaluationsergebnissen zur HzV in Baden-Württemberg will man hier eine argumentative Brücke schlagen.

Die HzV ist es auch, in der die Teampraxis gefördert wird. Nach Auskunft der Vorsitzenden des Landesverbandes Baden-Württemberg zahlt die AOK einen Zuschlag. Andere Kassen sollen dem Beispiel folgen. Die Entscheidung, wer im Team was beim Patienten erbringe, bleibe allein der ärztlichen Führung überlassen, heißt es.

Neuer Name ohne „deutsch“

Auch wenn Dr. Beier versuchte, die Delegierten direkt über die beiden intern gefundenen Umbenennungsalternativen „Hausärztinnen- und Hausärzteverband“ bzw. „Hausärzt*innenverband“ abstimmen zu lassen – ohne Diskussion lief es nicht ab. Bei der Gendersternchen-Variante sorgten sich die einen um den Anklang bei den älteren Mitgliedern, während andere mehr an die Zukunft dachten. Die Abstimmung war aber eindeutig: 89 votierten für den e.V. der Haus­ärztinnen und Hausärzte, 34 für Hausärzt*innen. Der Name gilt nach der beschlossenen Satzungsänderung mit Eintragung ins Vereinsregister. Die Umbenennung wird auch Folgen für die Landesverbände haben. In Sachsen ist das schon vollzogen. Dass das „Deutscher“ gestrichen wurde, erklärte Dr. Beier mit der „Optik“ des Schriftzuges und dem „Selbstbewusstsein“, dass es nur einen Verband für Haus­ärztinnen und Hausärzte gebe, es also „keiner Einschränkung, wer wir sind“, bedürfe. 

Bachelorstudium für Verah

Seit dem Wintersemester 22/23 können Verah und NäPa nebenberuflich „Primärmedizinisches Versorgungs- und Praxismanagement“ an der FOM (Hochschule für Oekonomie & Management) studieren. Die Hochschule kooperiert hier mit dem Hausärzteverband. 

Von anfangs 94 Teilnehmenden sind noch 89 Frauen dabei. Diese seien „hoch motiviert“, sagt Internis­tin Prof. Dr. Nadja Mayer-Wingert von der FOM. Drei Viertel haben sich den Bachelor-Studien­zugang ausschließlich über ihre berufliche Qualifikation erschlossen. Das Durchschnittsalter beträgt 36,5 Jahre. Das Studium läuft vor allem online, es gibt aber auch Präsenztermine in Dortmund, Mannheim und München (ab dem WS 23/24 auch in Hannover und Leipzig). Das Studium dauert für Verah/NäPa vier Semester plus ein Semester für Abschlussarbeit und Prüfung und kos­tet 10.500 Euro. 

Von den jetzigen Studentinnen möchte ein Drittel Management­aufgaben übernehmen, also z.B. Personalbetreuung, Bestellungen und Abrechnung. Zwei Drittel wollen arztunterstützend tätig sein. Prof. Mayer-Wingert berichtete vom Wunsch der Studentinnen nach Teilhabe und Wertschätzung. Wichtig sei die Klärung ihrer Rolle in der Praxis, also wie die Chefin/der Chef sie einsetzen will. Delegierte, deren Verah an der FOM studieren, lobten das Angebot und die spürbare Zufriedenheit sowie persönliche Entwicklung der Mitarbeitenden. 

Laut Verbandschef Dr. Beier werden die Praxen jedes Jahr durch 1.000 neue Verah gestärkt. Im Haus­ärzteverband besteht auch Interesse an einem siebensemestrigen dualen Studium, um junge Menschen direkt nach dem (Fach-)Abitur für die Praxen zu qualifizieren. 

Reform Notfallversorgung

Die Bundesregierung und das BMG werden aufgefordert, den Haus­ärzteverband als Vertretung der größten am Bereitschaftsdienst beteiligten Arztgruppe an der Ausgestaltung der Notdienstreform zu beteiligen. Eine 24/7-Notfallversorgung durch ambulante Leistungserbringer hält Prof. Buhlinger-Göpfarth für „realitätsfremd“: „Wir haben genug damit zu tun, unsere eigenen Läden am Laufen zu halten.“ 

Vorgeschlagen wird die „Einführung eines verpflichtenden Ticketsystems zur Ersteinschätzung der Dringlichkeit, z.B. über evaluierte digitale algorithmengestützte Tools“.

Patienten, die ohne Notfallticket die Rettungsstellen unberechtigt nutzten, verzögerten die Behandlung von dringlicheren Notfällen und trügen zur Überlastung des Personals bei. Hier sollten „sozialverträgliche Maßnahmen“ greifen. In der Beschlussdokumentation ist von einer Zuzahlung die Rede. „Der beste Schutz gegen überlaufende Notaufnahmen ist die kontinuierliche haus­ärztliche Versorgung“, sagt Prof. Buhlinger-Göpfarth. 

Kongressbericht: Frühjahrstagung des Deutschen Hausärzteverbandes 2023

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