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Geht's noch, Herr Spahn?

Autor: Dr. Frauke Gehring

Impfen in Apotheken: „Das kann helfen, überfüllte Wartezimmer zu leeren.“ Ja, geht’s noch? Impfen in Apotheken: „Das kann helfen, überfüllte Wartezimmer zu leeren.“ Ja, geht’s noch? © iStock.com/Tero Vesalainen
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Das Thema in unserer Praxiskolumne: “Impfen in der Apotheke und Gesundheitsinformationen von Google – wo führt das hin?“

Eigentlich sollte man mit zunehmendem Alter ja gelassener werden, aber ich stelle fest, dass mir beim Lesen medizinpolitischer Beiträge immer öfter ein Herzkasper droht. „Apotheker sollen Impfungen durchführen!“ war so eine aktuelle These unseres amtierenden Gesundheitsministers, die mich neulich aus dem Gleichgewicht warf. „Das kann helfen, überfüllte Wartezimmer zu leeren.“ Ja, geht’s noch? Werden solche Lösungsvorschläge ohne Sachkenntnis spontan in einem Minis­terial-Stuhlkreis ausgespuckt und dann nach dem Zufallsprinzip in die Medien gebracht?

Impfungen überfüllen unsere Wartezimmer nicht

Impfungen überfüllen unsere Wartezimmer nicht, Krankheiten tun es – und eingebildete erst recht. Eine Impfung dauert inklusive Abklärung von Risikofaktoren und Aufklärung 3 Minuten. Wenn der Herr Minister die Wartezimmer leeren will, dann empfehle ich ihm, den unbegrenzten Facharztzugang einzuschränken und gesundheitliche Bildung in den Biologieunterricht einzuführen. Wer wegen aus­ufernder Handynutzung Nacken- und Brustschmerzen bekommt und beim Kardiologen aufschlägt, weil er einen Herzinfarkt zu haben glaubt, oder wer wegen ausufernden Fast-Food-Genusses mit folgenden Blähungen den Darmkrebstod fürchtet, füllt sinnlos Wartezimmer.

Der braucht Wissen. Nicht allein das, was Google ungefiltert ausspuckt, sondern verlässliches Wissen, das ihm das Selbstvertrauen gibt, Befindlichkeitsstörungen zu ertragen oder selbst zu behandeln.

Dass Apotheker die geforderte Aufklärung oft nicht leisten können, habe ich schon im Rahmen der Rezeptbefreiung der „Pille danach“ beklagt (meine hauseigene Apotheke schließe ich hier aus, sie leistet großartige Beratungsarbeit und ist für uns eine wichtige Kontroll­instanz!).

Den Vogel schoss jetzt der Bericht eines jungen Mannes im Internet ab, der befürchtete, seine Freundin geschwängert zu haben (empfindliche Leser/-innen bitte nicht weiterlesen): „Wenn meine Freundin durch Oralverkehr Sperma im Mund hatte, das durch Küssen in meinen Mund und dann von mir wiederum an die Scheide meiner noch jungfräulichen Freundin geraten ist: Besteht dann das Risiko einer Schwangerschaft?“ Natürlich nicht! Der angstvoll konsultierte Apotheker aber sah das anders, gab die PiDaNa heraus und belastete die junge Dame nicht nur mit Schwangerschaftsangst, sondern auch noch mit überflüssigen Hormonen, die bei ihr zu schwerer Übelkeit führten.

Den Gesundheitsminister lade ich zum Hospitieren ein

War es Unwissen oder Lust am Umsatz? Eins gefällt mir so wenig wie das andere. Ich lade unseren Gesundheitsminister herzlich zu einer Hospitation in unserer Praxis ein, und vielleicht mag er unsere Apotheke gleich mit besuchen. Er wird neben den wirklich kranken Patient(inn)en eine tief verunsicherte Generation von jungen Eltern, Teenagern, aber auch alten Menschen vorfinden, die verlernt haben, ihre Alltagsblessuren mit robustem Optimismus ohne Arzt zu überstehen. Er wird lernen, dass diese Aufklärung und Zuwendung brauchen, aber keine Außenstelle, die ärztliche Arbeit übernimmt.

Ich saß mal für die Landes-FDP in einem gesundheitspolitischen Arbeitskreis, der viel Zeit in wichtige Grundlagenpapiere gesteckt hatte. Kostbare Einblicke in das ärztlich- pflegerische Alltagsleben, die, so hofften wir, den Weg in den Elfenbeinturm unserer Regierung schaffen würden. Wir hatten damals sogar einen FDP-Gesundheitsminister … Die Früchte unserer Arbeit aber landeten unkommentiert (wahrscheinlich) im Papierkorb. Kein Wunder, wenn dann abstruse Regierungsvorschläge kommen! Schluss mit der Meckerei, ich muss jetzt dringend in die Praxis, um die verordneten 25 Sprechstunden zu schaffen. Danke für gar nichts!

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