120. Deutscher Ärztetag Hausärzte fühlen sich gestärkt

Gesundheitspolitik Autor: Ingolf Dürr

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Das deutsche Gesundheitssystem gehört zu den besten der Welt. Es bietet allen Patienten unabhängig von ihrem sozialen Status ein hohes Versorgungsniveau und hält hochwertige Gesundheitsleistungen flächendeckend und wohnortnah vor. Unter dieser Prämisse startete der diesjährige Deutsche Ärztetag in Freiburg und erarbeitete Konzepte, damit diese qualifizierte gesundheitliche Versorgung auch in Zukunft erfüllt werden kann. Die Position der Hausärzte im Gesundheitssystem wurde dabei gestärkt.

In den vergangenen Jahren fühlten sich die Hausärzte, vertreten durch den Deutschen Hausärzteverband (DHÄV), mit ihren Belangen innerhalb der Bundesärztekammer (BÄK) und auf den Deutschen Ärztetagen eher stiefmütterlich behandelt. Umso erfreuter zeigte sich der DHÄV im Nachgang zum diesjährigen Ärztetag, dass es dieses Mal gelungen sei, die Rolle der hausärztlichen Versorgung ganz oben auf die Agenda der BÄK zu setzen und dabei auch noch zu einigen zufriedenstellenden Beschlüssen des Ärzteparlaments zu kommen, mit denen die Allgemeinmedizin gestärkt werden soll. Ulrich Weigeldt, der Bundesvorsitzende des DHÄV, sprach gar von einem großen Erfolg für die hausärztliche Versorgung.

Solche Töne hörte man früher eher selten, die Erwartungen waren meist stark heruntergeschraubt worden. Und auch in diesen Ärztetag ist der DHÄV mit einem kritischen Forderungskatalog eingestiegen. So forderte Weigeldt vorab alle ärztlichen Organisationen dazu auf, bei der Sicherung der hausärztlichen Versorgung endlich an einem Strang zu ziehen. Inzwischen müsse doch jedem bewusst sein, dass die Versorgung in allen Bereichen, vom Krankenhaus bis zur Pflege, auf eine gute hausärztliche Primärversorgung angewiesen sei. Ihm fehle daher jedes Verständnis dafür, dass sich heute einige ärztliche Vertreter mit Händen und Füßen gegen eine Stärkung der Allgemeinmedizin im Studium oder in der Weiterbildung wehren. Außerdem verlangte Weigeldt ein klares Bekenntnis zum Erhalt hausärztlicher Kompetenzen und warnte vor Gedankenspielen, hausärztliche Aufgaben auszulagern, beispielsweise an sogenannte Arztassistenten. Delegation ja, Substitution nein, so lautet das Credo.

Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung

Erstaunlicherweise folgte der Deutsche Ärztetag diesem Forderungskatalog dieses Mal fast ohne Abstriche. So stimmte eine große Mehrheit dem Antrag "Zukunftsperspektive der hausärztlichen Versorgung durch ein hausarztgeleitetes interprofessionelles Versorgungsteam" zu.

Angesichts des demographischen Wandels, verbesserter und damit häufig auch spezialisierter Behandlungsmöglichkeiten sowie veränderter Präferenzen der nachfolgenden Ärztegenerationen müsse sich die hausärztliche Versorgung weiterentwickeln.

Hausärztlich geleitete interprofessionelle Praxisteams stellten eine Möglichkeit dar, die Praxisstrukturen breiter aufzustellen und andere Berufsgruppen stärker als bisher und zugleich koordiniert in die Versorgung einzubeziehen. Der Ärztetag forderte die BÄK auf, hierzu ein Konzept zu erarbeiten. Leitgedanken dabei sollten eine stärkere Ausrichtung der hausärztlichen Versorgung auf die Behandlung chronisch kranker Patienten sowie auf Prävention und Rehabilitation sein. Zu berücksichtigen sei auch die Weiterentwicklung intra- und interprofessioneller regionaler Versorgungsstrukturen, einschließlich einer sektorenübergreifenden Versorgung. Auch die Einbindung anderer Berufsgruppen in die Praxisteams, die Förderung der Gesundheitskompetenz der Patienten sowie die Anpassung der Vergütungsstruktur an die veränderten Versorgungskonzepte sind zu berücksichtigen.

Damit erkennt der Ärztetag nicht nur die zentrale Bedeutung der Hausärzte für die flächendeckende Versorgung an, sondern stärkt den Hausarzt als Leiter eines interprofessionellen Praxisteams. So können nicht-ärztliche Berufe stärker in die Versorgung einbezogen werden, wobei eindeutig klargestellt wird, dass immer der Hausarzt die Gesamtverantwortung trägt. Das entspricht auch der Position des DHÄV.

Die Rolle der Arzthelfer

Viele Diskussionen gab es um die zukünftige Rolle der Arzthelfer (Physician Assistant). Der DHÄV hatte ja bereits im Vorfeld noch einmal klar betont, dass man zwar für den Ausbau von praktikablen Delegationsmodellen sei, wobei man insbesondere an das eigene VERAH®-Konzept dachte, und dass man die Substitution hausärztlicher Leistungen durch Nicht-Ärzte entschieden ablehnt. Dieser Kurs wurde nun auch auf dem Ärztetag bestätigt.

So sprach der sich klar für Modelle der Übertragung ärztlicher Aufgaben nach dem Delegationsprinzip aus, aber der Substitution ärztlicher Leistungen durch nicht-ärztliche Gesundheitsberufe wurde ebenso klar eine Absage erteilt. Ärzte hätten die Hoheit über Diagnose, Indikationsstellung und Therapie, was den Arztvorbehalt sichert, sowie die Gesamtverantwortung für den Behandlungsprozess, machte der Ärztetag deutlich. Konkret unterstützten die Delegierten das von der BÄK und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) erstellte Delegationsmodell "Physician Assistant – Ein neuer Beruf im deutschen Gesundheitswesen". Physician Assistant ist eine aus dem internationalen Sprachgebrauch entlehnte Bezeichnung für einen hochschulisch qualifizierten Gesundheitsberuf (Bachelorniveau), der vom Arzt delegierte Aufgaben übernimmt. Er soll Ärzte in enger Zusammenarbeit mit diesen unterstützen und entlasten. Zitat Weigeldt: "Es ist gut, dass die Ärzteschaft hier klare Leitplanken festgelegt hat."

Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin

Ausführlich beraten wurde auf dem Ärztetag die Novellierung der (Muster-)Weiterbildungsordnung (MWBO). Mit der Novelle soll die ärztliche Weiterbildung einer neuen Struktur folgen. Die Kernfrage soll nicht mehr lauten, "wie oft" und "in welcher Zeit" werden Inhalte erbracht, sondern "wie", in welcher Form, werden Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten erlernt. "Die kompetenzorientierte Weiterbildung ist am Ergebnis orientiert, nicht an dem Ableisten von Zeiten", erklärte Dr. Franz Bartmann, Vorsitzender der Weiterbildungsgremien der Bundesärztekammer. Die Inhalte der MWBO werden in Weiterbildungsblöcke und Weiterbildungsmodi gegliedert, um den Ablauf der Weiterbildung besser zu strukturieren. Mehr Flexibilität sollen berufsbegleitende Weiterbildungen und neue Lernmethoden schaffen.




Dieser Punkt war auch für den Hausärzteverband von sehr großer Bedeutung, denn es hatte unlängst Bestrebungen einiger Gruppierungen gegeben, die Weiterbildung Allgemeinmedizin zu verwässern. Nun konnte man erreichen, dass der sogenannte Kopfteil der Musterweiterbildungsordnung zum Facharzt für Allgemeinmedizin beschlossen wurde. Zukünftig müssen die Ärzte in Weiterbildung 24 Monate ihrer Weiterbildung in der ambulanten allgemeinmedizinischen(!) Versorgung verbringen. Das heißt im Klartext: Keiner kann mehr Facharzt für Allgemeinmedizin werden, ohne einen Fuß in eine allgemeinmedizinische Weiterbildungspraxis gesetzt zu haben. "Für die Qualität unseres Fachs ist es ganz entscheidend, dass, wo Allgemeinmedizin draufsteht, auch Allgemeinmedizin drin ist, so Weigeldt. Darüber hinaus sieht die Musterweiterbildungsordnung zukünftig vor:



  • 12 Monate im Gebiet Innere Medizin in der stationären Akutversorgung,
  • 6 Monate in mindestens einem anderen Gebiet der unmittelbaren Patientenversorgung
  • bis zu 18 Monate Weiterbildung in Gebieten der unmittelbaren Patientenversorgung.

Wann kommt die neue GOÄ?

Auch wenn die BÄK vor einem Jahr beschlossen hatte, die ärztlichen Verbände und Fachgesellschaften deutlich umfassender als zuvor in den gesamten Prozess der GOÄ-Novellierung einzubinden, liegt die neue GOÄ wohl nach wie vor in weiter Ferne. Der DHÄV bleibt aber bei seiner Forderung, dass die hausärztlichen Leistungen in der GOÄ endlich vernünftig abgebildet und vergütet werden und nicht im allgemeinen Teil untergehen. Dazu gehört die angemessene Vergütung der Versorgung chronisch kranker und multimorbider Patienten. Dies könne nicht ausschließlich über Gesprächsleistungen geschehen. Der Deutsche Ärztetag hat nun beschlossen, dass die BÄK in den Verhandlungen die ärztlichen Verbände und Fachgesellschaften auch weiterhin umfassend beteiligen muss. Die Ausgestaltung des Paragrafenteils der GOÄ soll nun schnellstmöglich vorangetrieben werden. Der DHÄV will diesen Prozess weiter mit einem scharfen Auge auf die hausärztlichen Leistungen kritisch und konstruktiv begleiten.


Autoren:
Bundesärztekammer / Dr. Ingolf Dürr

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2017; 39 (12) Seite 30-32
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.

Teilnehmer des Deutschen Ärztetages debattieren in Freiburg. Teilnehmer des Deutschen Ärztetages debattieren in Freiburg. © Patrick Seeger/dpa
Hausärzte-Chef Ulrich Weigeldt zeigt sich zufrieden mit einigen Ergebnissen des  Ärztetags Hausärzte-Chef Ulrich Weigeldt zeigt sich zufrieden mit einigen Ergebnissen des Ärztetags © DHÄV