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Heute Helden, morgen wieder Beutelschneider?

Autor: Dr. Günter Gerhardt

Held oder Feind: Als Arzt muss man wohl durch alle Phasen. Held oder Feind: Als Arzt muss man wohl durch alle Phasen. © Production Perig – stock.adobe.com; MT
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Auf die Bundesliga kann man verzichten, auf eine gute medizinische Versorgung nicht. So sieht es zumindest unser Kolumnist. Doch manchmal stehen Ärzte sich dabei selbst im Weg.

Anfang der 1970er-Jahre bezeichnete der „Stern“ die Ärzte als Beutelschneider, 2015 stand auf dem Titelblatt „Die Tricks der Ärzte – wie sie Kassen und Versicherte ausnehmen“. Und jetzt werden wir als Helden bezeichnet.

Das zweite Feindbild der Presse ist die Pharmaindustrie, die nur dann gelobt wird, wenn man sie akut braucht, z.B. für eine Impfung gegen Schweinegrippe oder SARS-CoV-2. Die Politik schließt sich solcher Kritik oft an. Sie ist sich aber auch nicht zu schade für eine Ablichtung im weißen Kittel mit Firmen-Emblem, um für einen SARS-CoV-2-Antikörper-Test Werbung zu machen.

Interessant sind in dieser Gemengelage die Medien, die nicht mehr so recht wissen, wie sie sich verhalten sollen. In den 1970er-Jahren hatten sie das Informationsmonopol, Bürger konnten sich kaum gegen Verunglimpfungen wehren. Das hat sich im Zeitalter von Social Media grundlegend geändert. Die alten Medien müssen nun teilweise (Ausnahmen wie Markus Lanz gibt es) um ihre Auflagen bzw. Quoten fürchten.

Und wie, liebe Kolleginnen und Kollegen, nutzen wir die Gunst der Stunde? Wir lassen uns nicht nur auseinanderdividieren, wir besorgen das selbst. So erscheinen z.B. Posts im Internet, wo Kollegen eifrig vom Leder ziehen – nur leider zu einseitig.

Derzeit wird vor allem gegen die Coronamaßnahmen der Politik gepostet und demonstriert. Das ist legitim und ein demokratisches Recht. Es muss uns jedoch klar sein, dass wir damit die Glaubwürdigkeit solcher Veranstaltungen und Posts erhöhen. Wir sind vielleicht sogar in guter Absicht als kleine Minderheit auf einer solchen Demo, auf der auch Rechtsradikale ihre Täter-Opfer-Umkehr propagieren. Doch die Außenwirkung lautet eindeutig: „Ärzte sehen das genauso!“

Sollten wir nicht vielmehr auf die Eingriffe von Politik und Kassen in unseren beruflichen Alltag patientenverständlich reagieren? Beispielsweise auf Pläne einer Zwangsverpflichtung von Ärzten oder die Installation einer neuen Ebene in der Patientenbetreuung mit sog. Versorgungsärzten. Das sind übrigens Pläne desselben Herrn Söder, der sich jüngst im Kittel eines Pharmaunter­nehmens ablichten ließ und der im Jahr 2010 Ärzte aus dem Osten holen wollte, falls das bayerische Korbmodell des hausärztlichen Kollegen Dr. Wolfgang Hoppenthaller umgesetzt worden wäre.

Bei allem Leid, was uns weltweit widerfahren ist und immer noch widerfährt, ist doch eines deutlich zum Ausdruck gekommen: Ohne uns geht es nicht! Auf „Wetten, dass…?“ und die Bundesliga kann man verzichten, nicht aber auf eine gute medizinische Versorgung. Mit „uns“ meine ich übrigens alle Berufe und Menschen, die etwas mit der Versorgung von Kranken zu tun haben.

Klingt nach Eintracht. Doch ist diese vorhanden? Wir sollten sie jedenfalls herstellen – und dann auch nutzen, was nur mit politischer Einflussnahme und Mitsprache funktioniert. Irgendwann wird die Coronazeit beendet sein. Dann geht es wieder los mit den Sparmaßnahmen, Schuldzuweisungen, Prüfungen, Kürzungen und dem Nichteinhalten von Versprechen samt Ärzte-Bashing.

Ein Prozess, der seit 120 Jahren so abläuft, weil sich der Gesundheitsbereich nicht einig ist, ja weil wir uns sogar intern bekriegen. Nur deshalb kann hier immer wieder jemand hineingrätschen.

Wir sollten wirklich die Gunst der Stunde nutzen und gemeinsam auftreten. Dafür müssen wir uns untereinander informieren und die Menschen bzw. Patienten ins Boot holen – auch mithilfe von Videosystemen wie YouTube, Zoom und MS-Teams. Wie Letztere funktionieren, wissen mittlerweile die meisten von uns. Wir müssen es jetzt nur noch umsetzen.

Also Schluss mit den kleinkarierten Scharmützeln zwischen Haus- und Fachärzten oder zwischen Niedergelassenen und Klinikern. In der Coronakrise haben wir doch überdeutlich gemerkt, dass wir uns gegenseitig brauchen.

Der Plan: Erfahrungen mit den neuen technischen Möglichkeiten nutzen, ausbauen, weitergeben, gemeinsam agieren („Blanke Bedenken“ hat eine schnelle Umsetzung bewiesen) und damit endlich ein „divide et impera“ verhindern.

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