Freier Arztberuf In der Abwärtsspirale?

Gesundheitspolitik Autor: Hans Glatzl

Der Frust sitzt tief! Auf dem Kongress Freier Ärzte wurde harte Kritik geübt an den immer tieferen staatlichen Eingriffen in die ambulante Medizin. Der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht, Prof. Udo Di Fabio, sprach von einer gelenkten Marktwirtschaft im Gesundheitssystem. Einerseits seien die Honorare für ärztliche Leistungen gedeckelt, andererseits seien die freiberuflichen Praxisärzte aber unternehmerisch tätig.

Wieland Dietrich, Bundesvorsitzender der Freien Ärzteschaft (FÄ), machte den Kollegen wenig Hoffnung auf bessere Zeiten, indem er die Negativ-Themen der aktuellen Gesetzgebung wie das Antikorruptionsgesetz, die Staatseingriffe im ambulanten Bereich mit Zwangsaufkauf von Arztpraxen, Terminservicestellen und GOÄ-Reform als Horrorszenario dem Publikum im Schnelldurchlauf vor Augen führte. So würde die Niederlassung bewusst unattraktiv gemacht. Der Arzt mutiere damit zum Sozialangestellten. Dazu verleide die Bürokratie den niedergelassenen Ärzten zunehmend die Freude am Beruf.

Aus dem Blickwinkel des Verfassungsrechtlers Udo Di Fabio ist die Berufsfreiheit des Arztes zwar ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut, aber der Kostenaspekt sei ebenfalls von hoher Bedeutung und werde in der Abwägung vom Gesetzgeber als noch höherwertig eingeschätzt. Di Fabio sprach hier vom "Prototyp der gelenkten Marktwirtschaft". Der Arzt als freier Beruf werde an den Rand gedrängt. Das Honorarbudget erinnere ihn an eine Comedy-Show, so Di Fabio: "Entweder ich bin angestellt, oder ich bin selbstständig, dann kann ich aber auch alle Leistungen abrechnen. Ein Bäcker verschenkt doch auch nicht die Hälfte seiner Brötchen."

Für Di Fabio ist es an der Zeit, "die Lebenslügen in diesem Bereich klar anzusprechen, um die Rahmenbedingungen zu ändern". Der Staat verirre sich immer stärker in einer Lenkungsspirale. Die Politik sei verantwortlich für das Verteilungssystem als ein "Heuchelsystem der Rationierung", das zur Mindestversorgung absteige, und die Budgetierung führe zu einer Einschränkung der verfassungsmäßig gesicherten freien Berufsausübung.

Zerrissene Körperschaft

Dr. Andreas Gassen als Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) konstatiert die Zerrissenheit der KBV in diesem komplexen System, in das immer mehr von dritter Seite hineinregiert werde. Die freie Praxis habe leider keinen hohen Stellenwert mehr in den Köpfen der Politiker, Geld folge nicht mehr der Leistung, so Gassen. Die Krankenkassen würden den Kostendruck an die Ärzte durchreichen. Für den KBV-Chef löst der kalkulatorische Arztlohn im EBM "Gänsehaut" aus, aber man habe keinen besseren Maßstab. Die Einrichtung der Terminservicestellen erweise sich als weiterer Schritt zum Arzt als Kassenangestellten. Aber die lediglich 20.000 Vermittlungen im 1. Quartal bei rund 20 Milliarden Arzt-Patienten-Kontakten pro Jahr offenbare, dass der Eingriff nicht notwendig sei.

Hans Glatzl

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (10) Seite 21
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.