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In der Light-Version nicht besser

Aus der Redaktion Autor: Kathrin Strobel

© MT
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Insbesondere bei denen, die den Corona-Schutzmaßnahmen im Sommer gewissenhaft Folge leisteten, ist der Frust über die erneuten Beschränkungen groß. Ein Kommentar zum nur vermeintlichen „Lockdown light“.

Wenn wir uns jetzt zusammenreißen, wird es keinen zweiten Lockdown geben. Das war es, was den Sommer über gepredigt wurde. Und das war es auch, was viele Menschen bei der Stange gehalten hat. Doch ganz so einfach scheint sich diese Pandemie nicht eindämmen zu lassen. Nun wurden erneut viele Bereiche des Lebens stark eingeschränkt.

Dabei handle es sich aber lediglich um einen Lockdown light, wie die Politik beschwichtigend erklärt. Man betätige die „November-Notbremse“. Auf Twitter schlug ein Nutzer ironisch vor, die neuen Maßnahmen als Spätherbst­entschleunigung zu bezeichnen. Im Vereinigten Königreich erfreut sich derweil der Begriff Circuit Breaker großer Beliebtheit. Der hat es inzwischen auch nach Deutschland geschafft und ­leistet hier seinem Cousin, dem Wellenbrecher, Gesellschaft.

Ich frage mich: Warum nennt man das Kind nicht beim Namen? Es ist doch längst in den Brunnen gefallen. Ein Lockdown ist ein Lockdown ist ein Lockdown. Der Versuch, die coronabedingten Maßnahmen durch positives Framing in ein besseres Licht zu rücken, mag zwar prinzipiell sinnvoll sein. Doch bei aller Begeisterung für Euphemismen darf man eines nicht unter den Teppich kehren: Wenn nach Monaten der Unsicherheit, der Angst und der Einschränkungen erneut (fast) alles dichtmacht, ist das schlichtweg bitter. Und so viel leichter als das Original wirkt die Light-Version bei näherer Betrachtung einfach nicht. Zwar bleibt der Einzelhandel dieses Mal (vorerst) offen. Doch dahinter stecken, wie Kanzlerin Merkel selbst betonte, rein wirtschaftliche Interessen. Man habe versucht, an die politischen Prioritäten zu denken. Und das merkt man. Der Mensch ist aber mehr als ein reiner Wirtschaftsfaktor. Und während die Work-Life-Balance im Frühjahr wenigstens teilweise durch Outdooraktivitäten nach Feierabend gewährleistet werden konnte, wird es damit im dunklen November zunehmend schwierig. Der Winterblues dürfte bei einigen dieses Jahr also besonders früh beginnen. Und das ist keine Lappalie. Nun heißt es vonseiten der Politik erneut: „Wenn wir uns jetzt zusammenreißen, dann ...“ Hoffen wir, dass es dieses Mal klappt. Bis Weihnachten sind es noch knapp sechs Wochen.

Kathrin Strobel
Redakteurin Medizin

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