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Innovationsfonds: Über 100 Ideen für neue Versorgungsformen liegen vor

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Seniorin beim Arzt – typische Situation wie aus dem Projekt zum Entlassmanagement. Seniorin beim Arzt – typische Situation wie aus dem Projekt zum Entlassmanagement. © Kzenon – stock.adobe.com
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Hunderte Millionen Euro stehen dem Innovationsfonds für die Förderung neuer Versorgungs- und Forschungsprojekte zur Verfügung. Das Interesse daran wächst. Grund könnte das geänderte Auswahlverfahren sein. Bis in die Regelversorgung hat es aber noch kein Projekt geschafft.

Welche Projekte eine finanzielle Förderung vom Innovationsfonds beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) erhalten, entscheidet der Innovationsausschuss. 380 über die Regelversorgung hinausgehende Gesundheitsprojekte haben bereits einen Zuschlag erhalten, getragen aus einem Förderbudget von jeweils 300 Mio. Euro für die Jahre 2016 bis 2019. Darunter sind 150 Projekte zu neuen Versorgungsformen; 551 Anträge gab es. Das betrifft beispielsweise Projekte zur digital gestützen Arzneimitteltherapie, zu Patientenbriefen nach stationären Aufenthalten, für die Entwicklung einer starken Psyche oder zur strukturierten ambulanten Nachsorge nach Schlaganfall. Zur Versorgungsforschung werden zurzeit 230 Projekte gefördert (913 Anträge).

Der G-BA sieht bei den Leistungserbringern und Krankenkassen ein erhebliches Innovationspotenzial, das noch längst nicht ausgeschöpft ist. Die Verlängerung des Innovationsfonds über die ursprünglich vorgesehenen vier Jahre hinaus bis zum 31. Dezember 2024 sei deshalb „ein sehr wichtiger und zukunftsweisender Schritt“ gewesen.

Bislang wurde über die Förderung nach Antrag sofort geurteilt. Ende 2019 wurde das Verfahren jedoch mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz geändert. Beschlossen wurde ein zweistufiges Verfahren. Das bedeutet, bis zum Jahreswechsel wird erst einmal anhand einer Ideenskizze entschieden, ob die konzeptionelle Entwicklung und Ausarbeitung eines Vollantrages gefördert wird. Fällt die Entscheidung positiv aus, kann der Antragsteller bis zum 15. Juli 2021 seinen Vollantrag einreichen, die finale Entscheidung über die Förderung und Umsetzung der Projekte erfolgt im Anschluss.

Es gibt viel zu tun – Mitarbeiter gesucht

Die Bearbeitung von Innovationsfonds-Förderanträgen soll künftig ein Expertenpool übernehmen – in Nachfolge des Expertenbeirats. Der G-BA erwartet dafür Personen-Vorschläge von den Verbänden der ärztlichen und nicht-­ärztlichen Leistungserbringer, den Krankenhäusern und Krankenkassen, aus Wissenschaft und Forschungseinrichtungen sowie von Patientenorganisationen. Interessenten könnten sich auch selbst vorschlagen, sofern sie mindestens eine Referenz eines Akteurs des Gesundheitswesens einreichen.

Auch das Scheitern eines Projektes ist eine Erkenntnis

Bis zum 25. August wurden 136 solcher Ideenskizzen im Bereich neuer Versorgungsformen eingereicht. Antragsteller sind Universitäten, Krankenhäuser und Krankenkassen. Die Themen betreffen die Weiterentwicklung von Versorgungsstrukturen und -prozessen, Modelle für Regionen mit besonderen Struktur­anforderungen, die Integration und Vernetzung rehabilitativer Maßnahmen, Modelle zu Patientenpfaden und datengestützte Projekte für Menschen mit chronischen Erkrankungen. Ähnlich großes Interesse erwartet der Innovationsausschuss für die im Oktober anstehenden Förderbekanntmachungen im Bereich Versorgungsforschung. Professor Josef Hecken, G-BA-Chef und Vorsitzender des Innovationsausschusses, bemerkt: „Die Anzahl der eingegangenen Ideenskizzen liegt deutlich höher als die Anzahl der in früheren Jahren eingereichten vollständigen Anträge. Ich bin sicher, diese große Resonanz verdanken wir dem neuen zweistufigen Verfahren.“ Statistisch gesehen steige damit auch die Chance, öfter echte Perlen zu entdecken, die die Patientenversorgung voranbringen. Einen Einblick in die Ausschuss­arbeit gab der unparteiische G-BA-Vorsitzende im Juni bei einer Pressekonferenz. „Auch das Scheitern eines Projektes ist eine Erkenntnis“, sagte er. Ein Projekt könne zunächst theo­retisch vom Expertenbeirat bzw. -pool für gut befunden werden, sich jedoch dann nicht praktisch bewähren. Dann wisse man aber auch, dass man in diese Richtung nicht mehr denken müsse, so Prof. Hecken. Das Scheitern vieler Projekte sei allerdings aus finanzieller Sicht nicht verantwortbar. Deshalb sei ein Ziel des Innovationsausschusses, dass mindestens 30 % der Projekte in der Regelversorgung oder in anderen größeren Vertragskonstellationen ihren Niederschlag fänden. Es dürfe sich dabei nicht um Projekte im Elfenbeinturm handeln, sondern um „Projekte von Praktikern, für Praktiker und mit Praktikern unter Beteiligung eines Kostenträgers“, die auch langfristig ihre Wirkung entfalteten. Dass noch kein Konstrukt in die Regelversorgung überführt worden sei, liege an der Laufzeit der Programme. Der Gesetzgeber habe aber reagiert, Fris­ten vorgegeben und den Ablauf skizziert – was auch für bereits laufende Projekte gelte. Demnach hat der Innovationsausschuss nach Vorliegen des Evaluationsberichts drei Monate Zeit, um über eine Empfehlung zur Überführung in die Regelversorgung zu entscheiden. Zu beschreiben sei auch, welche Organisation der Selbstverwaltung für die Überführung zuständig sei. Ist der G-BA zuständig, muss er innerhalb von zwölf Monaten die Empfehlung des Innovationsausschusses ausführen. Sowohl der Innovationsausschuss als auch das Bundesgesundheitsministerium seien über den Stand zu informieren. In vielen Fällen gehe es letztlich darum, eine EBM-Ziffer zu ändern oder eine Leistung in den Klinikfallpauschalen zu implementieren.

Bei überzeugenden Projekten kann es schneller gehen

Die ersten acht Förderprojekte, alle aus der Versorgungsforschung, sind inzwischen bewertet, darunter:
  • EMSE – Entwicklung von Methoden zur Nutzung von Routinedaten für ein sektorenübergreifendes Entlassmanagement
  • Projekt aus dem HIOPP-Forschungsverbund: hausärztliche Initiative zur Optimierung der Patientensicherheit bei Polypharmazie – Komplexitätsreduktion in der Polypharmazie unter Beachtung von Patientenpräferenzen
  • PAV – Patientensicherheit in der ambulanten Versorgung
  • APVEL – Evaluation der Wirksamkeit von SAPV in Nordrhein.
Es bestehe übrigens die Möglichkeit, schon vor Abschluss eines Projekts zumindest Teile desselben in G-BA-Richtlinien zu berücksichtigen, erklärt Prof. Hecken. Beim Projekt „Verbesserung der Versorgung psychiatrischer Patienten“ in Nordrhein-Westfalen sei man dabei, dies umzusetzen. Der Unparteiische verweist zudem darauf, dass es für Projektverantwortliche jetzt einen Rechtfertigungszwang gebe. Sie müssten ggf. erklären, warum ein gefördertes Projekt nach Auslaufen doch nicht in die Versorgung gekommen ist.

Medical-Tribune-Bericht

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