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Ist die Patientenberatung wirklich unabhängig?

Autor: Dr. Günter Gerhardt

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Im Konflikt mit Ärzten, Krankenkassen oder Kliniken wählen viele ratsuchende Patienten die UPD (Unabhängige Patientenberatung Deutschland) als Anlaufstelle. Ob das Wort "unabhängig" jedoch wirklich noch angebracht ist, erläutert Kolumnist Dr. Günter Gerhardt.

Im Wahlpflichtfach Medizinjournalismus für Humanmediziner diskutieren wir gerne das Thema Niederlassung. Neben der Regress­angst wird als Argument gegen die Selbstständigkeit immer wieder die Zunahme an Bestimmungen und Gesetzen genannt, die – so die Meinung der Studierenden – den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten das Leben schwer machen.

Aktuelles Beispiel ist die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD), die seit dem 1.1.2016 für die nächsten sieben Jahre einen neuen Träger bekommen hat: die Firma Sanvartis. Der Duisburger Gesundheitsdienstleister erhält für diesen Job 63 Millionen Euro, betreibt nach eigenen Angaben das größte medizinische Callcenter Deutschlands und hat schon in der Vergangenheit mit Kassen und Pharmakonzernen zusammengearbeitet.

Mit Recht hinterfragen unsere künftigen Kolleginnen und Kollegen die Unabhängigkeit der Patientenberatung.

»Wünsche der 
Patienten konnten nicht erfüllt werden«

Die UPD ist Anlaufstelle für ratsuchende Patienten im Konflikt mit Ärzten, Krankenkassen oder Kliniken. Bis zum 31.12.2015 waren die Träger der Sozialverband VdK, der Verbraucherzentrale Bundesverband und der Verbund unabhängige Patientenberatung. Deren Kritik ist überdeutlich: Ein privatwirtschaftlich gewinnorientiertes Unternehmen und bisheriger Kassendienstleister dürfe Patientenberatung anbieten – das Wort unabhängig sei nicht mehr angebracht.

Aus Protest haben zwei Mitglieder aus dem Expertenrat der UPD ihre Tätigkeit niedergelegt: Die Professoren Marie Luise Dierks von der Medizinischen Hochschule Hannover und der Vorsitzende des Paritätischen Gesamtverbandes Rolf Rosenbrock.

Finanziert wird die UPD gemäß § 65b SGB V vom GKV-Spitzenverband über eine Umlage der Beiträge der Kassenmitglieder. Sitz der Bundesgeschäftsstelle der UPD ist Berlin. Die UPD verfügte bislang über 21 regionale Beratungsstellen, ein bundesweit kostenfreies Beratungstelefon und eine Onlineberatung. Dort werden Ratsuchende zu gesundheits-, zivil- und sozialrechtlichen sowie psychosozialen Fragen von Ärzten, Juristen und Sozialarbeitern beraten.

In Deutschland werden 700 Millionen Behandlungen in Praxen und 20 Millionen im Krankenhaus durchgeführt. Die UPD hat 80 000 Beratungsgespräche geführt und dabei 14 000 Hinweise auf Verstöße gegen geltende Normen ausgemacht. 12 000 Mal traten die Patienten mit konkreten Beschwerden an die UPD heran. 6320 Mal wurde die UPD auf angenommene Behandlungsfehler angesprochen, in 1629 Fällen wurde daraus ein Verdacht.

1826 Patienten fühlten sich von ihrer Ärztin/ihrem Arzt schlecht informiert. Bei 711 Fällen bestand die begründete Vermutung, dass vor allem Hausärzte Behandlungen unberechtigt verweigert hätten. Als Gründe für ihre Haltung nannten die Ärzte meist die Angst vor drohenden Überschreitungen der Richtgrößen.

Wir wissen alle, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie es zu diesen Formulierungen "begründete Vermutung" und "unberechtigt verweigert" gekommen ist. Notwendige Behandlungen wurden nicht verweigert, sondern Wünsche der Patienten konnten nicht erfüllt werden. Die Grenze unseres Handelns wird nun mal markiert von den Adjektiven wirtschaftlich, ausreichend, notwendig und zweckmäßig.

Auch die Krankenkassen bekamen ihr Fett ab. 29 000 Patienten haben sich beschwert, meistens wegen verweigerter Krankengeldzahlungen. Wahrscheinlich wird diese letzte Zahl künftig drastisch abnehmen.

»Einflussnahme durch Dritte ausgeschlossen«

Sanvartis plant mit den 62 Mio. Euro aus den Beitragsmitteln der GKV plus 630 000 Euro von der PKV einen deutlichen Ausbau der UPD. "Ziel ist es, die Anzahl der Beratungen auf mehr als 220 000 jährliche Kontakte nahezu zu verdreifachen", erklärt der Geschäftsführer.

Sanvartis wurde zum Gewinner der europaweiten Ausschreibung durch die Auswahl des GKV-Spitzenverbandes. Dessen Vorstand beteuerte, jegliche Einflussnahme auf Beratungsinhalte und/oder Beratungsstandards durch Dritte seien ausgeschlossen.

KBV, KZBV und Bundesärztekammerpräsident haben Minister Hermann Gröhe (CDU) aufgefordert, es nicht zuzulassen, dass die UPD zu einem krankenkassennahen Callcenter verkommt. Gebracht hat die Kritik der ehemaligen Träger der UPD, der Mitglieder des Expertenrates, der Ärzte und der Parteien die Grünen und Die Linke nichts. Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung und Staatssekretär Karl-Josef Laumann (CDU) erwiderte lediglich, es seien wilde Spekulationen und Mutmaßungen verbreitet worden, die mit der Realität nichts zu tun hätten.

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