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Kliniker und ambulante Versorger kooperieren im Hauptstadturologie-Netzwerk

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Die Prostatabiopsie wird in der Praxis angefordert und zur Sequenzierung in die Charité geschickt. Die Prostatabiopsie wird in der Praxis angefordert und zur Sequenzierung in die Charité geschickt. © Science Photo Library/Marazzi, Dr. P.
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Hochspezialisierte Krebsmedizin sowie einen frühzeitigen Zugang zu innovativen Behandlungsmethoden bietet seit Februar die Plattform Hauptstadturologie. Im Fokus der Arbeit stehen Patienten aus Berlin und Brandenburg.

„Das Hauptstadturologie-Projekt ist ein erfolgreiches Beispiel für digitale Medizin“, zeigt sich Prof. Dr. Ulrich Frei, Vorstand Krankenversorgung der Charité zufrieden. Das Netzwerk ermögliche es der Universitätsmedizin, in einen engen Austausch mit den ambulanten Versorgern zu treten und neueste Forschungsansätze schnellstmöglich zum Patienten zu bringen.

Im Februar ging die Hauptstadt Urologie an den Start. Hinter dem Verbund stehen die Berliner Charité, die gemeinnützige Trägergesellschaft PNCMed gGmbH sowie die Agentur Die BrückenKöpfe.

Behandlungsdaten kommen an einem Ort zusammen

Wie Professor Dr. Thorsten Schlomm, Direktor der Klinik für Urologie der Charité betont, gehe es darum, Präzisionsmedizin auch in der Fläche verfügbar zu machen. Wichtig sei dafür, dass alle Daten rund um die Behandlung eines Patienten an einem Ort zusammenkämen. Basis des Projekts ist die Vernetzung des onkologischen Tumorzentrums der Charité mit den ambulanten Kollegen aus Berlin-Brandenburg, also die Kooperation über Sektoren- und Ländergrenzen hinweg. Dies geschieht zuerst einmal ganz einfach, die Niedergelassenen erhalten einen Flyer mit allen Informationen von der Charité. Treten sie dem Netzwerk bei, motivieren sie Patienten mit fortgeschrittenen urologischen Tumoren mitzumachen und ihre krankheitsbedingten Daten im Netz zur Verfügung zu stellen. Der patientenbezogene Datenaustausch zwischen Klinik und Praxis erfolgt über einen Code. Mit diesem kann sich der Patient in einem speziellen Internetportal anonymisiert anmelden und Informationen zu seinem Krankheitsverlauf eingeben bzw. aktualisieren. „Den Code kennt nur der behandelnde Arzt, er ist gewissermaßen der Datentreuhänder“, so Prof. Schlomm.

Einzugeben sind Daten zu Diagnostik und Therapie – konkret zu Biopsie, Metastasen, Bildgebungsverfahren sowie zu Bestrahlung, Operation und zu abgeschlossener und noch laufender Medikamentengabe. Die Informationen werden vom Tumorzentrum händisch und zunehmend mit Hilfe künstlicher Intelligenz analysiert und mit neuesten Therapiemöglichkeiten im Sinne des Augmented Decision Making abgeglichen. Es wird auch geprüft, ob ein Patient für eine Studie infrage kommt und für die genetische Tes­tung. In einem Video zum Projekt wird darauf verwiesen, dass sich das medizinische Wissen alle 70 Tage verdoppelt und nahezu jede Woche neue Studienergebnisse veröffentlicht würden: „Ein Mensch alleine kann da nicht den Überblick behalten.“ Die Spezialisten der Uniklinik könnten sich jedoch intensiv mit den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen befassen, diese sofort in die Praxis umsetzen und auch selbst dazu beitragen, dass sich Wissen weiterentwickelt. Für Patienten bedeute dies letztendlich eine Behandlung, die am neuesten Stand der Forschung orientiert sei.

Medizinisches Wissen verdoppelt sich alle 70 Tage

Patienten erhalten Vorschläge und Informationen zu bzw. über neue Behandlungsoptionen. Die Informationen werden aber nicht an den Patienten direkt geschickt, sondern an den behandelnden Arzt vor Ort, der sie dann an den Patienten weitergibt und die Therapieoptionen erläutert. Es sind „für den Patienten maßgeschneiderte Informationen“, wie Schlomm bemerkt.

Ist der Patient an einer weiterführenden Therapie interessiert, meldet er sich in der Charité dafür an. Er erhält zudem einen Extracode. Mit diesem lassen sich im Tumorzentrum alle bisher eingegeben Informationen entschlüsseln und der Patient kann mit Klarnamen angesprochen werden.

Ausweitung auf andere Tumorerkrankungen geplant

Die Behandlung erfolgt weiterhin in der Praxis. So wird bspw. Gewebe beim niedergelassenen Arzt angefordert, in die Charité zur Sequenzierung geschickt und der Praktiker erhält alle Informationen zurück. „Die Medizin soll zu den Menschen kommen und nicht umgekehrt“, betont Prof. Schlomm. Er erwartet, dass sich das Projekt noch weiter ausdehnen lässt. In Planung ist eine Ausweitung auf andere Tumor­erkrankungen, bspw. auf gynäkologische Tumore.

Weitere Regionen haben bereits Interesse am Modell bekundet. Unterstützung kommt von den Berufsverbänden der Ärzte, der AOK Nordost, der BARMER, der Deutschen Gesellschaft für Urologie sowie der IKK Brandenburg und Berlin. „Die Hauptstadt Urologie ist ein spannender Ansatz, den wir aufmerksam verfolgen“, sagt Gottfried Ludewig, Abteilungsleiter Digitalisierung und Innovation im Bundesministerium für Gesundheit.

Medical-Tribune-Bericht

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