Nervig, aber wichtig Kodieren fürs Honorar?

Gesundheitspolitik Autor: Angela Monecke

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Sie ist verpflichtend für die Abrechnung in der vertragsärztlichen Versorgung: die korrekte Kodierung von Diagnosen (ICD-10-GM). Und sie hat auch Auswirkungen auf das Honorar. Das gilt auch für jede Hausarztpraxis. Bei einer Fachtagung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland wurde diskutiert, wie sich die Kodierqualität verbessern lässt – durch eine gute Kodierunterstützung.

Zugegeben: Es gibt weitaus spannendere Themen als das Kodieren. Doch das richtige Erfassen der Morbidität ist wichtig, betonen Experten. Denn bedingt durch den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) und über den Gesundheitsfonds gehen unterschiedliche Zuschläge für bestimmte Erkrankungen an die Kassen. Das heißt: Von der korrekten ambulanten Kodierung hängt auch teilweise die Honorarentwicklung ab.

Kodieren ist doof!

"Kodieren in der Hausarztpraxis: Warum, womit und wie?": Dieser Fragestellung ging Prof. Dr. Thomas Kühlein, Professor für Allgemeinmedizin vom Universitätsklinikum Erlangen, nach, der insbesondere die Probleme des Status quo und mögliche Lösungen ansprach. "Die Meinung der Hausärzte: Kodieren ist doof!", stieg er augenzwinkernd in das Thema ein.

"Der Morbi-RSA ist ein ganz wesentlicher Grund, warum wir kodieren", sagte er. 80 Krankheitsbilder erfasst der morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich – von der Sepsis über die Hypertonie bis zum Status nach Organtransplantation (inklusive Komplikationen). Während die malignen Erkrankungen überwiegend in der Hand der Spezialisten liegen, sind u. a. Diabetes, Adipositas und Demenz typische Krankheitsbilder, die der Hausarzt behandelt. Mit "wesentlicher" hausärztlicher Beteiligung findet man jedoch lediglich 26 Krankheiten. "Ist das ein Grund, alle Hausärzte mit der gesamten ICD zu ‚quälen‘?", fragte er.

Wie kodieren Hausärzte?

Aber nicht nur bei den 80 Krankheitsbildern liege, laut Kühlein, das Problem: Von über 15.000 ICD-10-Kodes stehen rund 3.800 mit einer dieser Krankheiten in Verbindung. "Ist die ICD-10 die richtige Klassifikation für diesen Anwendungszweck? Brauchen wir nicht vielmehr eine, die extra für den hausärztlichen Praxisalltag gemacht ist?"

Anhand einer Befragung, die sich mit der Diagnosen-Kodierung in der hausärztlichen Praxis beschäftigte und im Rahmen der hausärztlichen Fortbildungsveranstaltung Practica im Jahr 2011 stattfand, zeigte Kühlein, wie Hausärzte kodieren. 150 Teilnehmer füllten dazu einen Fragebogen aus, welche Personen in den Praxen die Kodierung mit welchen Hilfsmitteln vornehmen, wie viel Zeit sie dafür brauchen und ob eine Umstellung auf ein einheitliches, hausärztliches System gewünscht ist. Das Ergebnis: 65 % der Kodes tragen die Hausärzte selbst ein. Die Mehrzahl kodiert mit Hilfe des DIMDI-Thesaurus (74 %), während sich 36 % eigene, sogenannte Hauslisten, erarbeitet haben, die den Kodiervorgang verkürzen sollen. Ein Teil nutzt wohl beide Möglichkeiten. "Daran erkennt man die Not im Umgang mit der Kodierung", ergänzte er. Diese Hauslisten kämen zur Anwendung, weil der Thesaurus so unübersichtlich sei.

Der Thesaurus erweitert die Anzahl der Bezeichnungen um Synonyme, ähnliche Krankheitsbegriffe und wiederum um deren Bezeichnungen. Der Zi-Thesaurus hingegen ist eigentlich gar kein Thesaurus, sondern eine Art "offizielle Hausliste", erweitert um die Kodes des Morbi-RSA. Die Zi-Kodierhilfe ist hingegen ein elek-

tronisches Instrument, das es u. a. ermöglicht, den Zi-Thesaurus zu nutzen.

ICPC-2 statt ICD-10?

Ein weiteres interessantes Resultat erbrachte die Befragung beim Zeitaspekt: Für die Kodierung einer einzelnen Diagnose brauchen 60 % der Ärzte unter 30 Sekunden, 84 % unter 60 Sekunden. Und fast 70 % der befragten Ärzte wären bereit, auf eine einheitliche, ICPC-2-analoge Liste für den hausärztlichen Versorgungsbereich umzustellen.

Bei der ICPC-2, der aktuellen Version der International Classification of Primary Care, wird nicht nur die Diagnose klassifiziert, sondern auch der Beratungsanlass. Zudem lassen sich Versorgungsprozesse (diagnostisch wie therapeutisch) damit beschreiben. Im Gegensatz zur ICD- beruht die ICPC-Kapiteleinteilung auf Organ-Systemen. Die Lokalisation hat also Vorrang vor der Ätiologie, was die eindeutige Kodierung erleichtere, erläuterte Thomas Kühlein. Die ICPC-2 ist genau auf die ICD-10 abgestimmt, enthält Umwandlungstabellen (sog. Mapping), berücksichtigt nur Diagnosen mit einer Prävalenz über 1/1.000 Patientenjahre und klassifiziert etwa 300 Diagnosen und 100 Symptome. Das heißt: Nur was in der hausärztlichen Praxis gelegentlich bis regelmäßig vorkommt, ist repräsentiert.

Hilfe bei der Kodierung

Jede Klassifikation sei jedoch nur so gut wie ihre Umsetzung in einer Software, erklärte der Allgemeinarzt. Das Problem blieben weiterhin über 200 Praxisverwaltungssysteme (PVS) und offensichtlich wenig Kontrolle. Als Lösungen sieht er die Definition der Elemente eines guten PVS, die Bereitstellung geeigneter Klassifikationen bzw. Thesauren, die Zertifizierung über einen entsprechenden Zuschlag und die Schaffung eines Kodier-Anreizes für die Hausärzte.

Würde man etwa die neue Zi-Kodierhilfe als Instrument in alle PVS integrieren, hätte man nicht nur eine erleichterte, sondern auch eine einheitliche Art der Kodierung. Technisch kompatibel sei dies mit vielen PVS aber vermutlich nicht, gab Kühlein zu bedenken. Und eine Extra-Kodierhilfe, von der aus man händisch den Kode in das eigene PVS überträgt, werde sicher kaum genutzt.

Die Dipl.-Inform. Med. Jie Wu vom Zentralin-

stitut stellte die neue Zi-Kodierhilfe (www.kodierhilfe.de) vor – mit einer verbesserten Suche, der Option, Kodes zusammenzufassen, zu sortieren und den einzelnen Kode zum ICD-Explorer zu verlinken. Die neue Hilfe sei übersichtlich und besser lesbar, auch für mobile Geräte, sagte sie. Seit November 2017 ist dieses Instrument auch als mobile Anwendung für Smartphones und Tablets verfügbar. Mit der App, die fachliche Erläuterungen zu nahezu allen Diagnose-Kodes enthält, könne man die ICD-10-GM einfacher durchsuchen, so Jie Wu.

Für 2018 hat die WHO zudem angekündigt, die revidierte Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-11) zu verabschieden. Die neue Revision soll medizinische Aktualisierungen enthalten – außerdem die bereits vorliegende adäquate Klassifikation für den hausärztlichen Bereich (ICPC) als offizielle Version.


Autorin:
Angela Monecke

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (15) Seite 37-38
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.