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Gesundheitspolitik Krankenhausreform: Diabetologie am Scheidepunkt?

Autor: Redaktion diabetes zeitung

Auf dem Podium von links nach rechts: Prof. Dr. Andreas Fritsche, Tübingen; Prof. Dr. Julia Szendrödi, Heidelberg; Dr. Tobias Wiesner, Leipzig (alle drei DDG); Prof. Dr. Reinhard
Busse, TU Berlin, Mitglied der Regierungskommission zur Krankenhausreform; Prof. Dr. Armin Grau, für Bündnis 90/Die Grünen Mitglied im Gesundheitsausschuss des
Bundestages; Heike Baehrens, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion; Prof. Dr. Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP. Auf dem Podium von links nach rechts: Prof. Dr. Andreas Fritsche, Tübingen; Prof. Dr. Julia Szendrödi, Heidelberg; Dr. Tobias Wiesner, Leipzig (alle drei DDG); Prof. Dr. Reinhard Busse, TU Berlin, Mitglied der Regierungskommission zur Krankenhausreform; Prof. Dr. Armin Grau, für Bündnis 90/Die Grünen Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestages; Heike Baehrens, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion; Prof. Dr. Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP. © DDG/Dirk Deckbar
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Bereits heute hat jeder fünfte Klinikpatient/jede fünfte Klinikpatientin einen Diabetes mellitus – das entspricht etwa drei Millionen stationären Behandlungen pro Jahr. Wie soll durch die Krankenhausreform eine zukunftsfähige Diabetesversorgung sichergestellt werden? Die DDG weist auf einige Schwachpunkte hin.

Die Deutsche Diabetes Gesellschaft kritisiert, dass die kürzlich von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach vorgestellten Eckpunkte zur Reform derzeit noch keine ausreichend qualifizierte Diabetesexpertise in allen Versorgungsleveln vorsehen und damit die Behandlungsqualität in Zukunft gefährdet ist. Die Einführung von Vorhaltepauschalen begrüßt die DDG als absolut notwendigen Schritt. Sie warnt jedoch davor, dass der Bereich „Komplex Diabetologie/Endokrinologie“ nach den Eckpunkten wie schon vor der Reform unterfinanziert sein wird. Zudem würden diabetologische Leistungen weiterhin nicht angemessen vergütet.

Fachbereich Diabetologie ist finanziell ausgeblutet

Lediglich 17 % aller Kliniken in Deutschland halten derzeit eine ausreichende Diabetesexpertise vor. Der Grund dafür liegt in der knapp bemessenen Vergütung, die für viele Leistungen der diabetologischen Behandlung im DRG-Katalog vorgesehen ist. „Es gibt kaum einen medizinischen Fachbereich, der über die letzten Jahre und Jahrzehnte finanziell und personell so ausgeblutet ist“, so DDG Präsident Professor Dr. med. Andreas Fritsche, Tübingen. Dies habe zur Folge, dass die stetig wachsende Anzahl an Diabetespatientinnen und -patienten oft nicht mehr leitliniengerecht behandelt werde.

DDG: 3-Punkte-Plan für eine sichere Diabetesversorgung 

Im Sinne des Anspruchs der Krankenhausreform „Qualität vor Wirtschaftlichkeit“ müssten für die Diabetologie drei wichtige Punkte in die politische Agenda einfl ießen, um die Versorgungsqualität von Menschen mit Diabetes auch in Zukunft gewährleisten zu können: 

  • Strukturierte Diabetes-Erkennung und -Versorgung in allen Krankenhäusern!
  • Vulnerable Gruppen schützen! Kinder sowie multimorbide ältere Menschen mit einem Diabetes brauchen besondere Pflege und zeitintensive ärztliche Betreuung.
  • Versorgungsqualität muss fi nanziert werden! Krankenhäuser mit Diabetesbehandlungsstrukturen sollten finanzielle Zuschläge erhalten; Einrichtungen ohne diabetologische Expertise finanzielle Abschläge.

Der Komplexität der sehr heterogenen Erkrankung würde so kaum noch Rechnung getragen. „Der Aufenthalt in Krankenhäusern ist für Menschen mit Diabetes zunehmend gefährlich, weil sie oft keinen qualifizierten Ansprechpartner für ihre Erkrankung haben!“ Das sei besonders dann der Fall, wenn die Betroffenen mit einer Diabeteserkrankung als Nebendiagnose aufgenommen werden und wegen einer anderen Behandlung vor Ort sind.

Unterversorgung: Kann die Reform etwas ändern? 

„Wir begrüßen daher die Vorschläge zur Neuordnung der Krankenhauslandschaft ausdrücklich. Die Zentralisierung von Versorgungsleistungen und Finanzierung von Vorhaltekosten werden insbesondere in der Diabetologie seit Langem gefordert“, betont DDG Mediensprecher Professor Dr. med. Baptist Gallwitz. „Doch momentan droht einer adäquaten diabetologischen Versorgung auch nach der Krankenhausreform praktisch das Aus.“ Die Regierungskommission subsummiert derzeit die Diabetologie in Level-I-Krankenhäusern unter „Basisbehandlung Innere Medizin“  So sei nicht gewährleistet, dass jede Klinik eine speziell diabetologische Expertise aufweist, kritisiert Prof. Gallwitz.

„Doch eine flächendeckende und verlässliche, sichere Grundversorgung für die zurzeit rund 8,7 Millionen Menschen mit Diabetes ist nur sichergestellt, wenn Krankenhäuser aller Versorgungslevel eine entsprechende Diabetesexpertise vorhalten“, mahnt der Tübinger Diabetologe. Angesichts der steigenden Patientenzahlen sei außerdem wichtig, die Fort- und Weiterbildung im Bereich der Dia­betologie konsequent zu fördern und in allen Versorgungsleveln zu berücksichtigen: „Es ist besonders wichtig, Medizinstudierende und angehende Fachärztinnen und Fachärzte möglichst früh für die Diabetologie und die besonderen medizinischen Bedürfnisse diabetologischer Patientinnen und Patienten zu sensibilisieren“, so Prof. Gallwitz.

Formulierung von Eckpunkten – gemeinsam mit der AWMF

Die DDG bringt sich im Schulterschluss mit anderen Fachgesellschaften maßgeblich in die Reform ein und hat mit der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) wichtige Eckpunkte für die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität der Leistungskomplexe Diabetologie/Endokrinologie definiert. „Grundsätzlich ist es schwierig, wenn die Vorhaltepauschalen sich weiter über Falldefinitionen und einen ICD-Code definieren“, so Prof. Fritsche. Die dann zunehmende Überschneidung von Leistungsgruppen schaffe direkt oder indirekt abermals eine wirtschaftliche Konkurrenz zwischen den internistischen Schwerpunkten: „Als Sprechende Medizin steht die Diabetologie schon heute im DRG-System schlecht da – ohne grundlegende Änderungen wird sich dieses Dilemma nicht lösen.“

Krankenhausreform: DDG hat von Anfang an bei eigenen Parlamentarischen Empfängen konstruktive Diskussionen angestoßen

Schon früh hat die DDG sich in die Diskussion um die Krankenhausreform eingemischt, um die Interessen der Menschen mit Diabetes zu wahren. Schon beim Parlamentarischen Weihnachtsempfang 2022 war die Reform ein großes Thema. Während des Parlamentarischen Jahresempfangs Anfang März 2023 in Berlin war die Stimmung am Ende gut. War am Anfang der Diskussion noch von einer Sackgasse die Rede gewesen, keimte nach dem Gespräch die Hoff nung auf, dass die Krankenhausreform ein großer Wurf wird. Und: Die anwesenden Ampel-Politiker*innen zeigten damals großes Verständnis für die faktenbasierten Forderungen der DDG.

Prof. Fritsche fordert deshalb, die Krankenhausreform als Chance zu nutzen und diabetologische Leistungen attraktiv zu gestalten. Das beginnt für ihn bei den Mindestanforderungen für die jeweilige medizinische Ausstattung und Personalplanung, bei der es um die gelungene Balance gehe: Die Mindestanforderungen für diabetologische Leistungen müsse auskömmlich geplant werden, sodass das breite Aufgabenspektrum und große Behandlungsteam mit einer passenden Finanzierung möglich bleibt und zukunftsfähig ist.  „An keiner Stelle darf die Krankenhausreform zum Abbauprogramm für das medizinische Fachpersonal werden oder zu einem Fachkomplex heranwachsen, der über die Maßen kostenintensiv ist“, so DDG Präsident Prof. Fritsche. „Die Diabetologie leistet einen wichtigen Beitrag zur Versorgung der heterogenen Volkskrankheit Diabetes. Dies muss sich in der Positionierung des Faches in der zukünftigen Krankenhauslandschaft auf allen Leveln wiederfinden – für eine hochwertige Versorgung der vielen Millionen Menschen mit Diabetes.“

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