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Kriselndes Krisenmanagement

Aus der Redaktion Autor: Michael Reischmann

© MT
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Die Pandemie stellt vor ungeahnte Herausforderungen. Ein Kommentar zu Coronaimpfungen im Schneckentempo und doppelmoralischen Zusammenkünften.

Es mag Angebote geben, die man nicht ablehnen kann. Im Fall der Coronaschnelltests und -impfungen würden sich viele Bürger schon freuen, wenn sie die „kostenlosen“ Angebote, die ihnen von Bund und Ländern als „Gamechanger“ in der Pandemie angepriesen werden, annehmen dürften. Doch leider ist Geduld gefragt. Auf Ankündigungen folgen Enttäuschungen.

Die Hoffnung, dass mit dem Impfen durch niedergelassene Ärzte Millionen Menschen schnell und unbürokratisch immunisiert werden, wurde auf Mitte April verschoben. Natürlich muss der Impfstoffnachschub in die Praxen gesichert sein, sonst wird der kollektive „Chaos“-Aufschrei noch lauter. Doch mit der Konzentration auf die Impfzentren bleibt Deutschland im Wettrennen mit dem Virus im Treckertempo, während die dritte Welle mit der Mutante laut RKI-Chef bereits durchs Land schwappt. Das Coronakrisenmanagement von Politik und öffentlicher Verwaltung kriselt selbst.

Im Bemühen, keine Wähler zu verschrecken, schlagen die Regierenden Volten. Definierte Priorisierungen werden aufgeweicht. Baumärkte und Zoos, die vorher als Orte möglicher Ansteckung mit Bann belegt waren, dürfen nun wieder – bei unveränderter Inzidenz – aufgesucht werden. Mit ein paar Dutzend Hausärzten werden Impf-„Modellprojekte“ aufgelegt, um zwei Monate nach Beginn der Kampagne endlich auch die immobilen Pflegebedürftigen zu Hause zu erreichen.

Besonders beeindruckend: Unionspolitiker stellen fest, dass sie ein Problem mit ihrer Nähe zur Wirtschaft haben. Die Maskenaffäre gilt als größte Belastung seit der Spendenaffäre. Der Bundesgesundheitsminister predigt Wasser (Leute, bleibt zu Hause!) und tummelt sich selbst in geselliger Runde – mit bekanntermaßen positivem Ausgang. Reue, Ehrenworte und Transparenzbekundungen klingen so beruhigend, wie die Beauftragung von Maut-Desaster-Minister Andreas Scheuer mit der Coronaschnelltest-Logistik.

Die Demokratie lebt vom Vertrauen der Bürger in die politischen Institutionen und ihre Repräsentanten, heißt es in Kalenderspruchmanier. Mit Blick auf die diesjährigen Kommunal-, Landtags- und Bundestagswahlen lässt das noch viele tolle „Angebote“, Umdeutungen, spezifische Lockerungen oder Einschränkungen sowie staatsmännische Auftritte erwarten. Wir müssen halt mit der Coolness des dienstältesten Fußballnationaltrainers bis zum hoffentlich guten Ende durchhalten. Bis dahin gilt: „Högschte Konzentration!“

Michael Reischmann
Ressortleiter Gesundheitspolitik

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