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Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz Lauterbachs Kühlschrankliste

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

Die Reformideen des Gesundheitsministers Karl Lauterbach sind vielseitig und teilweise stark kritisiert. Die Reformideen des Gesundheitsministers Karl Lauterbach sind vielseitig und teilweise stark kritisiert. © Davizro Photography – stock.adobe.com
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Beim Ankündigen von Reformideen gibt sich der Bundesgesundheitsminister so transparent wie Einkaufszettel auf einer Kühlschranktür. Hier führen wir einige zentrale Elemente des Entwurfs seines Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG), Stand 21.3.2024, auf. Was wird am Ende serviert? Was kommt hinzu oder wird auf Eis gelegt? Heben Sie sich diese Seite auf.

Die Entbudgetierung 

hausärztlicher Leistungen wird die GKV laut BMG einen „unteren dreistelligen Millionenbetrag“ kosten. Die Kassen werden verpflichtet, die Honorierung in voller Höhe nach den Preisen der Euro-Gebührenordnung zu übernehmen. Die vereinbarte morbiditätsbedingte Gesamtvergütung (MGV) wird hier von den Kassen nicht mit mehr befreiender Wirkung bezahlt. Es besteht eine Nachschusspflicht, wenn der Leistungsbedarf die MGV übersteigt (entspricht dem vom Hausärztinnen- und Hausärzteverband geforderten Modell MGV+).  

Eine Vorhaltepauschale

erhalten Hausärzte, die z.B. mindestens 450 Patienten je Quartal betreuen, Haus- und Pflegeheimbesuche machen, regelmäßig Abend- sowie Samstagssprechstunden anbieten und sich um die Pflege der elektronischen Patientenakte kümmern. Der Bewertungsausschuss kann die Pauschale gestuft nach der Anzahl der vorliegenden Kriterien beschließen. 

Die Jahres-Versorgungspauschale

ersetzt die Versicherten- und Chronikerpauschale sowie weitere kleinere Zuschläge und Pauschalen für vier Quartale bei Patienten mit mindestens einer lang andauernden, lebensverändernden Erkrankung und stetem Arzneimittelbedarf. Einzelleistungen und Zuschläge nach Kapitel 37 EBM bleiben abrechnungsfähig. Der Bewertungsausschuss soll eine nach Behandlungsbedarf gestufte Pauschale bestimmen und sein Konzept dem BMG zur Genehmigung vorlegen.

Mindestens 30 Euro Bonus

jährlich für Versicherte als Anreiz, sich in der hausarztzentrierte Versorgung (HzV) einzuschreiben. Kann eine Krankenkasse nicht belegen, dass sich die Ausgaben nach spätestens drei Jahren durch Einsparungen und Effizienzsteigerungen refinanzieren, soll mit den Boni Schluss sein.

Primärversorgungszentren 

können in Gebieten errichtet werden, in denen der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen eine (drohende) hausärztliche Unterversorgung festgestellt hat. Als Betreiber kommen Vertragsärzte, Berufsausübungsgemeinschaften, Praxisgemeinschaften und MVZ mit jeweils mindestens drei vollen hausärztlichen Versorgungsaufträgen in Betracht. Die Beschäftigung nicht-ärztlicher Mitarbeiter wie Pflegefachkräften oder MFA mit Zusatzqualifikationen und die Kooperation mit beispielsweise Heilmittelerbringern und Hebammen sowie mit Gesundheitskiosken oder Kommunen dient dem berufsgruppenübergreifenden Ansatz – neben der „normalen“ hausärztlichen Versorgung im Zentrum.

300 Euro Bagatellgrenze

je Betriebsstättennummer, Krankenkasse und Quartal bei der Beantragung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung. Dadurch sollen rund 70 % der bislang durchgeführten Prüfverfahren entfallen. Die GKV entgehen so jährlich etwa 3 Mio. Euro – bei Gesamtausgaben für Arznei- und Heilmittel von rund 54 Mrd. Euro (2022) verhältnismäßig, meint das BMG.

Neue Medizinstudienplätze

werden ab 2026 auch mithilfe eines Förderfonds finanziert. Dieser speist sich aus Liquiditätsreserven des Gesundheitsfonds. Für jeden von einem Bundesland seit dem 1. Januar 2020 selbst finanzierten Studienplatz fließt über das Bundesamt für Soziale Sicherung zusätzliches GKV-Geld für bis zu zwei weitere Immatrikulationen (jährlich 35.200 Euro pro Student). So sollen dauerhaft bis zu 3.100 Plätze bezuschusst werden. Die ausgebildeten Ärzte verpflichten sich, mindestens zehn Jahre lang für gesetzlich Versicherte tätig zu werden.

Medizinische Versorgungszentren 

können künftig leichter durch Kommunen gegründet werden. Für die Zulassung als GmbH genügt als Sicherheitsleistung die Abgabe einer der Höhe nach begrenzten, selbstschuldnerischen Bürgschaft. Um ungleiche MVZ-Zulassungsvoraussetzungen zu vermeiden, vereinbaren GKV-Spitzenverband und KBV/KZBV Rahmenvorgaben zu Sicherheitsleistungen und Gesellschafterbürgschaften. Einschränkungen bei der Übernahme von Praxen durch Finanzinvestoren sind im Gesetzentwurf nicht zu finden.

Gesundheitskioske

könnte es 2025 bundesweit 30 geben, schätzt das BMG. Bis 2028 lassen sich 220 errichten. Pro Jahr kostet der Betrieb eines Kiosks rund 400.000 Euro, drei Viertel davon soll die GKV übernehmen.

Homöopathie

und Anthroposophie als Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen wollte der Bundesgesundheitsminister ursprünglich streichen. Im GVSG kommt das nicht vor.

Lob vom Hausärztinnen- und Hausärzteverband:

„Dieser Entwurf zeigt, dass der Bundesgesundheitsminister die sich verschärfende Krise der Hausarztpraxen wie auch ihre gravierenden Auswirkungen für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung erkannt hat und entsprechend handeln will. Jetzt ist die gesamte Ampelregierung gefragt, zeitnah zu liefern. Die Kassen müssen nun das nötige Geld in die Hand nehmen – daran führt kein Weg vorbei. Ganz abgesehen davon, dass die Kosten sich in einem ganz anderen Rahmen befinden als für andere Reformen, etwa die zur Rettung der Krankenhäuser.“ 

Gegenwind aus fachärztlicher Sicht

In den Gesetzentwurf muss die vollständige Entbudgetierung bei Überweisung eingearbeitet werden sowie eine zumindest vorläufige Deckelung der Budgetierung bei mindestens 90 % und die vollständige Entbudgetierung von Fachärzten bei Versorgung in sozialen Brennpunkten. Das verlangt der Virchowbund. Ansonsten gibt es wieder Protestaktionen. Die KV Hessen hat aufgrund der „nicht ausreichenden Honorare“ bereits beschlossen: „Wir fordern die Praxen auf, Leistungen, die nur anteilig bezahlt werden, nicht mehr anzubieten.“

Der Waffenschrank gibt noch mehr her. Wegen des Entwurfs zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz droht MEDI: „Gemeinschaftlicher Systemausstieg der Niedergelassenen durch Rückgabe ihrer Zulassungen!“ Für den Fall, dass die Länder sog. sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen bestimmen dürfen, deren Spektrum neben stationären und medizinisch-pflegerischen Leistungen auch erweiterte ambulante, sogar hausärztliche, umfasst.

Kritik des vdek

„Die Politik der einseitigen Belastung der Beitragszahler muss ein Ende haben.“ Die Entbudgetierung im hausärztlichen Bereich, der Bonus für die HzV-Teilnahme, eine Förderung von Gesundheitsregionen und eine Schwächung der Wirtschaftlichkeitsprüfung machten die Versorgung nicht spürbar besser.

Quelle: Medical-Tribune-Bericht

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